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Münnerstadt
Long-Covid: Was ein Spezialist Patienten mit Langzeitfolgen rät
Im Thoraxzentrum des Bezirks Unterfranken werden Patienten mit schweren Folgen von Covid-19 behandelt. Was man gegen Erschöpfung, Luftnot und Kurzatmigkeit machen kann.
Dr. Bernd Seese auf Visite bei Stefan Morith, der nach langer Covid-19-Erkrankung im Thorax-Zentrum des Bezirks in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) auf eine Reha-Maßnahme vorbereitet wird. 
Foto: Marion Meißner-Dauelsberg | Dr. Bernd Seese auf Visite bei Stefan Morith, der nach langer Covid-19-Erkrankung im Thorax-Zentrum des Bezirks in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) auf eine Reha-Maßnahme vorbereitet wird. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:45 Uhr

"Ich bin seit einem Vierteljahr im Krankenhaus, ich will endlich wieder nach Hause". Stefan Morith ist 50 Jahre alt und Handwerker. Er hat sein Leben lang schwer körperlich gearbeitet, ist sportlich, ohne Vorerkrankungen. Trotzdem hat ihn eine Corona-Infektion im Januar diesen Jahres fast ums Leben gebracht. Sieben Wochen musste Morith ins künstliche Koma versetzt und beatmet werden. Inzwischen wird er im Thoraxzentrum des Bezirks Unterfranken in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) auf eine weitere Reha-Maßnahme vorbereitet. Derzeit lernt er wieder zu laufen.    

Wenn ein Patient zwölf Wochen nach der Akuterkrankung noch Symptome hat, dann spreche man gemeinhin von Long-Covid, erläutert der ärztliche Direktor des Zentrums, Dr. Bernd Seese. Die Patienten würden auf der Reha-Station der Klinik behandelt. Abgeschlagenheit und Luftnot seien die häufigsten Langzeitfolgen, wegen derer sich Patienten oft Monate nach der Erkrankung wieder in ärztliche Behandlung begeben müssten.  

Gerade die Atem- und Luftnot sei ein häufiges langanhaltendes Problem. Verdichtungen im Lungengewebe, die die Krankheit auslösen könne, würden zu dieser Kurzatmigkeit führen. Nach den bisherigen Erfahrungen würden sich sie sich beim Großteil der Patienten im Laufe von drei bis sechs Monaten gut zurückbilden. Allerdings könne bei Patienten, die länger beatmet werden mussten, ein dauerhafter Lungenschaden entstanden sein, sagt Seese.

Dr. Bernd Seese, ärztlicher Direktor des Thoraxzentrums des Bezirks Unterfranken.
Foto: Claudia Löwinger | Dr. Bernd Seese, ärztlicher Direktor des Thoraxzentrums des Bezirks Unterfranken.

Bei 20 bis zu 40 Prozent der Patienten komme es durch die Infektion zu einer "Mitreaktion" des Herzens. In diesen Fällen könnten auch Entzündungen des Herzmuskels zu Leistungseinschränkungen führen, erklärt der Klinikdirektor.

Lang anhaltendes Schwäche-Syndrom

Noch wisse man zu wenig über den Verlauf der Krankheit, vor allem auch über die Langzeitfolgen. Aber es gebe Modelle, mit denen Pneumologen und Internisten versuchten, die häufigsten Langzeitfolgen neben den organischen Schäden zu erklären. Am wahrscheinlichsten sei eine "Auto-Antikörperreaktion". Die Vorstellung: Der Körper bilde erst einmal Antikörper gegen das Virus. Wenn es aber im Körper Strukturen gebe, die dem Virus oder Teilen davon ähnlich sind, gebe, komme es zu einer überschießenden Reaktion gegen diese körpereigene Strukturen, so Seese. Das Problem: Diese immunologischen Reaktion laufe nach der akuten Infektion einfach weiter. Dies würde vor allem die neurologischen Probleme wie Störungen der Gedächtnisleistung erklären, sagt der Pneumologe. Und dass Betroffene oft müde und abgeschlagen sind.      

Auch von anderen Virusinfektionen wie der Influenza oder dem Pfeifferschen Drüsenfieber kenne man lang anhaltende Schwäche-Symptome, die sich bis zu einem Jahr hinziehen könnten und als Fatique-Syndrom bezeichnet werden. Darüber wisse man im Zusammenhang mit Covid-19 noch wenig, sagt Seese. Aber er will nicht ausschließen, dass dies bis zu 20 Prozent der Covid-19-Patienten treffen könne. Eine aktuelle Untersuchung aus Wuhan in China komme sogar zu dem Ergebnis, dass rund 75 Prozent der Corona-Infizierten nach sechs Monaten noch unter Müdigkeit, Schlafstörungen und Kurzatmigkeit litten.

Aus dem normalen Leben gerissen

Der Spezialist aus Münnerstadt empfiehlt Patienten mit Langzeitfolgen vor allem Physiotherapie, um die Leistungsfähigkeit wieder zu steigern. Strukturierte Programme zum Kraft- und Ausdauertraining sowie spezielle Atemtherapien könnten hier gut helfen. Theoretisch könne man dies auch unter Anleitung in einem Fitnessstudio machen. Weil die aber derzeit weiter geschlossen sind, bleibe nur die Physiotherapie mit dem Training am Gerät.

Philipp Kümpel, Physiotherapeut am Thorax-Zentrum  des Bezirks, bei Übungen mit einem Long-Covid-Patienten.   
Foto: Marion Meißner-Dauelsberg | Philipp Kümpel, Physiotherapeut am Thorax-Zentrum  des Bezirks, bei Übungen mit einem Long-Covid-Patienten.   

Noch könne man wenig Verlässliches über die Langzeitfolgen sagen. Das sei natürlich auch ein psychisches Problem für die Menschen, die aus ihrem normalen Leben gerissen worden seien und plötzlich mit schwerer Erkrankung oder gar dem Tod konfrontiert worden seien. Und die nicht wüssten, wie es weitergehe. Darum empfehle er neben Physiotherapie zur Motivation und Verarbeitung auch eine psychologische Begleitung:  "Wir sehen das auch bei uns, unser Psychologe ist derzeit sehr gut beschäftigt."   

Am wichtigsten fürBetroffene sei, Langzeitfolgen nicht einfach hinzunehmen, sondern den Hausarzt und gegebenenfalls Fachärzte zu konsultieren. 

Thoraxzentrum Bezirk Unterfranken

Das Thoraxzentrum in Münnerstadt ist ein Kompetenzzentrum für alle Formen von Lungenerkrankungen, von der Thorax-Chirurgie über die pneumologische Onkologie bis hin zur Schlafmedizin. Seit Mitte 2020 werden immer mehr Betten für Covid-19-Patienten reserviert. Zu den akuten Fällen auf der Normal- oder auch auf der Intensivstation kommen insbesondere mehr als 30 Reha-Patienten. Ein Schwerpunkt sei das "Weaning", so der ärztliche Direktor Dr. Bernd Seese. Patienten, die lange beatmet worden seien, würden dabei schrittweise von der Beatmung entwöhnt. In der pneumologischen Früh-Reha würden Patienten nach einem schweren Intensiv-Verlauf auf eine normale Reha vorbereitet. 
Quelle: fqu
 
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