Der Weg zum Ausbildungsplatz kann für junge Leute auf dem Land, die noch keinen Führerschein haben, schon mal zum Hindernislauf werden, weil zur erforderlichen Zeit entweder gar kein Bus fährt oder sie eine Odyssee mit mehrmaligem Umsteigen auf sich nehmen müssen. Wer beispielsweise frühmorgens mit dem Bus von Geroda nach Weißenbach muss, hat das Nachsehen. Aber auch der Weg von Poppenlauer nach Thundorf kann schwierig werden.
Über praktikable Lösungen dieses Problems haben sich die Chefs von Betrieben, zusammen mit den Innungen und der Handwerkskammer für Unterfranken (HWK), schon öfter den Kopf zerbrochen - nicht nur im Landkreis Bad Kissingen , sondern auch in den Nachbarregionen. Auch die Gebietskörperschaften , die für den Öffentlichen Personennahverkehr ( ÖPNV ) verantwortlich zeichnen, haben ein Interesse daran, dass die jungen Leute zu ihren Arbeitsstellen kommen.
Bewerbung zum Bundesprojekt
Im Landkreis Bad Kissingen diskutiert man deshalb seit einiger Zeit darüber, ob ein Azubi-Shuttle der richtige Weg wäre. Die Bilanz im jüngsten Kreisausschuss war allerdings ernüchternd. Aber es gibt jetzt ein neues Bundesprojekt, mit dem man dieses Problem für Azubis möglicherweise lindern könnte.
In den vergangenen Monaten hatte der Landkreis per Fragebogen bei Ausbildungsbetrieben, bei der HWK, bei den Pflegeschulen und Laboren im Landkreis den Bedarf der dort beschäftigten Auszubildenden festgestellt. Dabei wurden die Arbeitszeiten abgefragt, die Art und Weise, wie die jungen Leute zu ihren Arbeitsstätten gelangen und ob sie sich einen Shuttle-Service wünschen.
Ergebnis der Fragebogenaktion
Dieter Stepner von der kobra Nahverkehrsservice GmbH (Kassel), welche den ÖPNV des Kreises aktuell überarbeitet, stellte im Ausschuss die Ergebnisse der Fragebogenaktion vor. 490 Unternehmen wurden angeschrieben, 238 Fragebögen kamen zurück, die ausgewertet werden konnten. kobra hatte daraufhin eine Karte erstellt, die den Verkehr in Beförderungs-Cluster aufteilte. Dabei zeigte sich, dass früh jeweils nur einzelne Personen an bestimmten Orten zur Arbeit fahren wollen (und abends wieder nach Hause). Was die Umsetzung angeht, müssten neue Fahrer für solche Sonderfahrten gefunden werden, wenn man die Azubi-Beförderung offiziell in den ÖPNV mit einbaut, sagte Stepner. Für diesen Personenkreis gäbe es dann freilich auch lange Leerlaufzeiten, weil die Fahrzeuge ja nur früh und abends gebraucht würden. Vorstellen könnte man sich das Projekt, laut Stepner, aber auch als Mietwagen-Modell. Das neue Konzept hätte natürlich seinen Preis: Im kommenden Berufsjahr gibt es offenbar 36 junge Leute, die gern von diesem Shuttle profitieren würden. Mit zwei Euro pro Kilometer müsste man, laut Nahverkehrsexperten, bei der Beförderung, möglicherweise im Kleintransporter, rechnen. Insgesamt hatte Stepner Betriebskosten in Höhe von 385 000 Euro errechnet. Die Ausbildungsbetriebe müssten aber finanziell eingebunden werden.
Kreisrat Roland Limpert (PWG) und Gerhard Schneider ( CSU ) stellten die Rentabilität in Frage. Tobias Eichelbrönner (Grüne/BfU) verwies auf ein Forschungsvorhaben von 2019 des Landwirtschaftsministeriums . Johannes Wegner (Grüne/BfU) wollte das Thema nicht so einfach ad acta legen: "Der Betrag mag erschreckend sein, aber die jungen Leute kommen weiterhin nicht zu ihrem Arbeitsplatz."
Neues Projekt LandRegionen
Vielleicht kann nun aber ein neues Bundesmodellvorhaben Abhilfe schaffen, für welches sich der Kreis derzeit stark interessiert. Smarte LandRegionen heißt der Wettbewerb, den das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auslobte und bei dem es um die Chancen der Digitalisierung für Menschen in ländlichen Regionen geht. Denn im Zuge dieses Wettbewerbs hatte der Landkreis schon 2019 zwei Projekte einreichen müssen, von denen eines den Arbeitstitel "FahrtOptimizer" trägt.
Landkreis eine Runde weiter
Die Idee dahinter ist die Entwicklung einer Software-Lösung zur "raumzeitlich flexiblen Bedarfsermittlung, Planung und Steuerung von Azubi-Verkehren", sagte die Regionalentwicklerin des Landkreises, Cordula Kuhlmann, hierzu im Kreisausschuss. Diese neue Software könnte dann als App-Lösung jährlich die Bedarfe der Azubis erheben und dann die optimalen Fahrtstrecken, zum Beispiel für Kleinbusse, wochenaktuell berechnen oder diese an den ÖPNV und die Schul-/Betriebszeiten anpassen, führte Kuhlmann aus.
Für die Smarten LandRegionen hatten sich bundesweit insgesamt 68 Landkreise beworben. In der ersten Runde konnten sich 22 Gebietskörperschaften - darunter auch der Landkreis Bad Kissingen - qualifizieren (Dezember 2019). Die Bad Kissinger Initiative sei von der Jury "in der oberen Hälfte der Bewerber" eingestuft worden, und zwar wegen des "sehr guten Gesamteindrucks, des Reifegrads, der Schlüssigkeit und der Darstellung von statistischen Grundlagen", hieß es in der Sitzung. In diesen Tagen musste nun erneut eine Projektskizze ans Bundesministerium eingereicht werden. Die Endauswahl für sieben Landkreise erfolgt laut Kuhlmann im Herbst 2020.
Bei der zweiten Idee, die der Kreis zum genannten Wettbewerbsverfahren eingereicht hatte, geht es um die App "PocketDorf". Die Idee dahinter ist es, nach Angaben der Regionalmanagerin, die Heimat, das eigene Dorf, sozusagen stets "in der Hosentasche" dabei zu haben. So könnten beispielsweise bequem eine Mitfahrzentrale initiiert, ein digitales Amtsblatt ins Leben gerufen oder auch aktuelle Projekte und Initiativen im Ort schnell organisiert werden, sagte Kuhlmann.
Kofinanzierung gefordert
Sollte der Landkreis unter den Sieger-Regionen sein, arbeiten die hiesigen Fachleute mit dem renommierten Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) zusammen. Der Kreis käme über einen Zeitraum von vier Jahren (2021 bis 2024) in den Genuss von insgesamt rund einer Million Euro an Fördergeldern. Dennoch geht auch hier nichts ohne Kofinanzierung: Zehn Prozent der Kosten müsste der Landkreis selbst tragen. Das wären dann bis zu 110 000 Euro für vier Jahre. Isolde Krapf