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Rottershausen
Fast 12.000 Festivalfans am Wochenende: Wie ein 900-Einwohner-Dorf das Ab geht die Lutzi nur durch Ehrenamtliche stemmt
Ein Festival im 900-Einwohner-Dorf zu veranstalten, bedeutet viel Arbeit. In Rottershausen steht das ganze Dorf hinter dem Lutzi. Aber was ist die Motivation?
Das Ab geht die Lutzi-Festival in Rottershausen im Landkreis Bad Kissingen ist nur durch die Ehrenamtliche möglich. Manfred Angles (links) und Kurt Will unterstützen das Festivalteam in der Bonkasse.
Foto: Fabian Gebert | Das Ab geht die Lutzi-Festival in Rottershausen im Landkreis Bad Kissingen ist nur durch die Ehrenamtliche möglich. Manfred Angles (links) und Kurt Will unterstützen das Festivalteam in der Bonkasse.
Michael Endres
 |  aktualisiert: 02.07.2023 03:24 Uhr

Das Ab geht die Lutzi-Festival hat am Donnerstag bei hochsommerlichen Temperaturen um die 30 Grad begonnen. Zum insgesamt zwölften Mal befand sich das kleine Dorf Rottershausen im Landkreis Bad Kissingen mit seinen gut 900 Einwohnerinnen und Einwohnern im Ausnahmezustand. Denn dort, wo sonst der örtliche Fußballverein seine Spiele austrägt und Landwirte ihre Felder bewirtschaften, standen Bühnen, Verkaufswagen, Dixi-Toiletten und Zelte.

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Bis zu 5000 Menschen könnten am Abend auf das kleine Festival kommen, wie einer der Veranstalter, Klaus Schmitt, vorab berichtete. Mitveranstalter Christian Stahl sagte am Montag nach der Veranstaltung, dass insgesamt 11.500 Gäste auf dem Ab geht die Lutzi gewesen seien. Von Tag zu Tag sind mehr Leute nach Rottershausen gepilgert. Während es am Freitag noch 2500 Menschen waren, kamen am Samstag 4000 Besucherinnen und Besucher, bevor der Festival-Samstag mit 5000 Menschen laut Stahl ausverkauft war.

Trotz der überschaubaren Größe fanden sich große Namen wie die 257ers, Madsen und The Subways im Line-up wider. Aber wie ist das in einem kleinen Ort wie Rottershausen überhaupt möglich? Die Antwort lieferte Christian Stahl, wie Schmitt seit der ersten Stunde des Ab geht die Lutzi im Jahr 2010 dabei: "Das Festival trägt sich komplett ehrenamtlich."

Über 500 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer seien über das Festival-Wochenende im Einsatz gewesen, bestätigt Stahl gegenüber dieser Redaktion. Eine 30-köpfige Gruppe würde sich übers Jahr um die Organisation vom Camping bis zur Bühne kümmern, so Stahl. Aber was treibt die Ehrenamtlichen an, sich für das Festival zu engagieren? Wir haben uns unter den Helferinnen und Helfern auf dem Gelände umgehört.

1. Kurt Will, 63 Jahre, aus Rottershausen kümmert sich um die Bonkasse

Manfred Angles (links) und Kurt Will sind an der Bonkasse des Festivals tätig.
Foto: Fabian Gebert | Manfred Angles (links) und Kurt Will sind an der Bonkasse des Festivals tätig.

Kurt Will kümmerte sich gemeinsam mit Erwin Stahl – Vater von Veranstalter Christian Stahl – um die Bonkasse. Das Lutzi-Festival sei das Fest der Jugend, wie er gegenüber dieser Redaktion sagte. "Wenn die Unterstützung brauchen, helfen wir, aber bleiben im Hintergrund", so der 63-Jährige.

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Er half insgesamt zum 12. Mal mit, und auch seine Kinder seien alle dabei. So ist er auch dazu gekommen: "Kannst du mal helfen", sei er gefragt worden. "Wenn sich die Jugend so engagiert, kann man denen zur Hand gehen", beschrieb er stolz deren Leistung. Er finde, es sei ein gutes Fest, wenn es auch nicht immer seine Musik und Lautstärke sei. "Aber ich finde das gemischte Publikum gut."

2.Phillip Jorzig, 22 Jahre, aus Oerlenbach ist als Ordner im Einsatz

Phillip Jorzig hat sich einen Traum erfüllt: Er ist beim Ab geht die Lutzi-Festival als Ordner im Einsatz.
Foto: Fabian Gebert | Phillip Jorzig hat sich einen Traum erfüllt: Er ist beim Ab geht die Lutzi-Festival als Ordner im Einsatz.

Der 22-jährige Phillip Jorzig kommt zwar eigentlich aus Oerlenbach und nicht aus Rottershausen, beim Festival im 900-Seelendorf half er dennoch schon zum zweiten Mal mit – und das wie die anderen auch ehrenamtlich. Jorzig ist beim Festival als Ordner im Einsatz, trug eine blaue Warnweste mit der Aufschrift "Ordner Rottershausen" und hatte eine Taschenlampe griffbereit, auch wenn die zumindest am Freitagnachmittag nicht benötigt wurde. Zum Lutzi-Festival sei er über seinen Co-Trainer beim SG Oerlenbach/Ebenhausen gekommen, wo er Fußball spielt. Der habe ihn gefragt, ob er mithelfen könne. "Da habe ich Bock drauf", sagte er entschlossen auf die Frage, warum er sich als Ordner engagiere. "Ich wollte schon immer mal auf einem Festival als Ordner helfen und da ist das Lutzi die beste Möglichkeit", erklärte er. Er finde vor allem die Musik gut und es hätten Freunde von ihm mitgeholfen.

3. Marie Stahl, 17 Jahre, aus Rottershausen hilft im Fan-Shop

Die Abiturientin Marie Stahl verkauft Fanutensilien beim Ab geht die Lutzi.
Foto: Fabian Gebert | Die Abiturientin Marie Stahl verkauft Fanutensilien beim Ab geht die Lutzi.

Marie Stahl stand am Rande des Infields in einem Pavillon und verkaufte Fanutensilien des Festivals. Von Socken, über T-Shirts bis zur Trinkflasche mit dem Ab geht die Lutzi-Emblem darauf. Ganz verschiedene Andenken an die Veranstaltung gingen über die Theke, die aus Biertischen und Paletten zusammengebaut ist. Die 17-Jährige, die gerade ihr Abitur bestanden hat, verkaufte zum zweiten Mal den sogenannten Merchandise auf dem Festival.

"Ich wohne halt in Rottershausen", erklärte sie, wie sie dazu gekommen sei. Außerdem mache es Spaß. Auf dem Festival sei sie, seit dem es das Lutzi gibt, "auch schon als kleines Kind". "Ich finde eigentlich alles gut - die Bands, das Essen", schwärmte sie. Während sie das erzählte, fragte ein Mann mit Rauschebart nach einem Windbreaker, den er gerne anprobieren wolle und später auch kaufen wird. Da sie noch nicht volljährig ist, helfe sie eben im Fan-Shop. Aber, wie die meisten Helferinnen und Helfer, ist sie nicht allein aus ihrem Umfeld. Mit ihr stand ihr Freund im Stand, auch ihre Geschwister hätten beim Festival mitgeholfen.

4. Benedikt Will, 28 Jahre, aus Rottershausen ist "Barchef"

Jule Salm und Benedikt Will sind beim Ab geht die Lutzi-Festival hinter der Bar im Einsatz.
Foto: Fabian Gebert | Jule Salm und Benedikt Will sind beim Ab geht die Lutzi-Festival hinter der Bar im Einsatz.

So ist das auch bei Lutzi-Barchef Benedikt Will. Seine komplette Familie war ebenfalls beim Festival eingespannt – der Bruder (Bühne), seine Mutter (Bonkasse) und Vater Kut Will (ebenfalls Bonkasse). Will ist wie Klaus Schmitt und Christian Stahl seit Stunde Null dabei. Anfangs habe er im Ausschank geholfen und mit aufgebaut. Nach und nach sei er dann in die Bar hineingerutscht und nun für Bar und Getränkestand verantwortlich.

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Er gehört zu einem Team von vier Leuten, das für den Einkauf verantwortlich sei. Allein 13.000 Liter Bier und Radler würden an einem Festivalwochenende über den Tresen gehen. "Man ist von Anfang an dabei und sieht, wie es größer wird", berichtete er. Für ihn mache es die Gaudi und das Team aus. In diesem Jahr wurde drei Wochen vor dem Festival noch eine neue Theke gebaut.

"Anfangs war die Jugend mehr involviert, jetzt ist es das ganze Dorf", sagte Benedikt Will. Für das Festival nehme er sich zwei Wochen Urlaub, eine davor, eine danach. Hinzu würden noch 13 bis 14 offizielle Sitzungen übers Jahr und weitere kleine kommen. "Das Festival ist von der Zeit her wie ein Hund", beschrieb er lachend den ehrenamtlichen Aufwand. So blieb auch seiner Freundin Jule Salm nichts anderes übrig, als mitzuhelfen. "Ob ich kann, ich muss", sagt die 22-Jährige, die eigentlich nicht aus Rottershausen stammt.

5. Lukas Erhard, 31 Jahre, gebürtig aus Rottershausen, kümmert sich um die Backstageorganisation

Lukas Erhard hält beim Ab geht die Lutzi-Festival hinter der Bühne die Fäden in der Hand.
Foto: Fabian Gebert | Lukas Erhard hält beim Ab geht die Lutzi-Festival hinter der Bühne die Fäden in der Hand.

"Ich bin von Anfang an dabei", erzählte Lukas Erhard, der für das Gespräch kurz hinter der Bühne hervorgekommen ist. Der gebürtige Rottershauser wohnt zwar mittlerweile in München, hat dem Festival aber dennoch nicht den Rücken gekehrt. Unterjährig kümmere er sich ums Bandbooking, also darum, welche Bands auf dem Lutzi-Festival auftreten sollen. Da fallen gut fünf bis sechs Stunden pro Woche an. Bei der Veranstaltung selbst ist er für die Backstageorganisation zuständig. An dem Wochenende seien es dann 20 Stunden am Tag, wie er lachend sagte.

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Die Frage, aufzuhören, habe er sich zwar schon gestellt, ist er doch im letzten Jahr Vater geworden, habe einen normalen Job bei einem Automobilhersteller in München und würde es immer mehr Zeit in Anspruch nehmen. "Aber gerade so ein Wochenende entschädigt", berichtete er. Und schiebt nach: "Aufhören ist kein Thema."

"Für mich ist es das Feedback der Bands, die viele Festivals sehen, dass es etwas Besonderes ist. Gerade die Details, für die man viel Zeit investiert", erklärte er seine Höhepunkte. Er wirkt stolz darauf, was das Team auf die Beine stellt. "Allein zu sehen, dass es angenommen wird. Jedes Jahr kommen mehr Leute", sagte er.

6. Alexandra Beuter, 47 Jahre, aus Oerlenbach hilft beim Backstage-Catering

Alexandra Beuter versorgt die Bands hinter der Bühne mit Essen und Getränken.
Foto: Fabian Gebert | Alexandra Beuter versorgt die Bands hinter der Bühne mit Essen und Getränken.

Alexandra Beuter ist zum ersten Mal als ehrenamtliche Helferin beim Ab geht die Lutzi-Festival dabei. Sie unterstützt beim Backstage-Catering, also dort, wo die Bands vor und nach ihren Auftritten verpflegt werden. "Ich habe mich freiwillig gemeldet", erzählte die 47-Jährige. "Mich fasziniert, dass der kleine Ort das Festival ehrenamtlich stemmt und mit was für einem Einsatz die das machen." Ob sie im nächsten Jahr auch wieder dabei ist? "Ich gehe davon aus", sagte Beuter.

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7. Felix Kimmel, 29 Jahre, aus Sulzheim hilft als Tontechniker

Felix Kimmel hilft als Tontechniker beim Ab geht die Lutzi-Festival an der Zeltbühne.
Foto: Fabian Gebert | Felix Kimmel hilft als Tontechniker beim Ab geht die Lutzi-Festival an der Zeltbühne.

Felix Kimmel half als Tontechniker in der Zeltbühne des Lutzi-Festivals mit. Für ihn sei das ein Freundschaftsdienst, denn der Sulzheimer, der hauptberuflich in der Industrie tätig ist, ist ansonsten viel im Kulturhaus Stadtbahnhof Schweinfurt als Mischer aktiv. Er war zum dritten Mal in Rottershausen und habe im letzten Jahr sogar sein privates Pult zur Verfügung gestellt. "Im Prinzip ist es immer derselbe riesige Pool an Technikern", so der 29-Jährige. "Umgekehrt helfen die anderen im 'Stadti', wenn Not am Mann ist", beschrieb er den Zusammenhalt. "Es sind hier so viele Leute, die Bock darauf haben."

 
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