
Rund ein Prozent der Deutschen lebt mit Zöliakie, einer durch Glutenunverträglichkeit verursachten Autoimmunerkrankung. Betroffen ist auch Marcus Beran. Der 33-Jährige aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) ist gelernter Koch und Fleischer und leitet sein eigenes Unternehmen, das sich vor allem darauf spezialisiert hat, gesundes Mittagessen an Schulen oder Kitas anzubieten.
Die Diagnose Zöliakie hat Beran als 15-Jährigen sehr getroffen. "Ich bekam gesagt, ich darf keine Brezel mehr essen, keine Pizza, keine Nudeln, kein Bier mehr trinken. Das war für mich unvorstellbar", erzählt er. Zunächst habe er deshalb auch "ganz normal weitergegessen". Das Problem: "Ich bin immer öfter zusammengebrochen, hatte immer weniger Kraft."

Die Folgen: "Der Abbruch meiner Metzgerlehre stand im Raum, ich habe mich sozial isoliert, konnte nicht mehr Fußball spielen. Wenn man nur noch mit Bauchschmerzen im Bett liegt, kommt man ins Nachdenken." Erst über eine Kur und eine Jugendfreizeit für Zöliakie-Betroffene kam das Bewusstsein: Es gibt Alternativen und Lösungen.
Heute lebt Beran mit seiner Frau und seinen beiden Kindern glutenfrei. Er bietet allergenfreie Küche an und engagiert sich in der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. Im Folgenden beantworten der Küchenchef und die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG) Fragen zur Zöliakie und geben Tipps für den Alltag.
Wie erkenne ich, dass ich betroffen bin und wann sollte ich zum Arzt gehen?
Typische Symptome einer Zöliakie sind laut der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft Durchfall, Erbrechen, Wachstumsstörungen, Appetitlosigkeit oder auch mangelnde Konzentration. Marcus Berans Erfahrungen: "Ich war sehr häufig krank, habe massiv abgenommen und habe mich extrem kraftlos gefühlt." Das führte zu Kreislaufzusammenbrüchen. Er rät, frühzeitig eine ärztliche Diagnose einzuholen. "Durch einen Bluttest weiß man schnell, in welche Richtung es geht."
Gibt es Medikamente oder andere Hilfsmittel gegen Zöliakie?
Aktuell gibt es keine Tabletten gegen Zöliakie. "Sehr erfolgversprechend sind die Studien zu einem Medikament, das in einigen Jahren auf den Markt kommen könnte", heißt es von Seiten der DZG. Allerdings könne Zöliakie auch damit nicht besiegt werden, das Mittel mildere lediglich die Folgen sogenannter Diätunfälle ab.
Zu kaufen gibt es bereits Mittel, die das Gluten während des Verdauungsprozesses einbinden sollen. "Es ist aber nicht genau nachvollziehbar, wann das Gluten eingebunden wird. Also kann es trotzdem zu langfristigen Gesundheitsschädigungen kommen. Im schlimmsten Fall zu Darmkrebs oder Morbus Crohn", sagt Marcus Beran. Die DZG möchte sich zu Nahrungsergänzungsmitteln nicht äußern. Zur Wirksamkeit seien ihr keine wissenschaftlichen Publikationen bekannt.
Bei welchen Lebensmitteln muss ich besonders aufpassen?
Grundsätzlich müssen Lebensmittel als glutenhaltig gekennzeichnet werden. Aufpassen muss man laut Beran vor allem auf die Produkte, die nicht offensichtlich bedenklich für Betroffene sind. Er warnt vor verstecktem Gluten, zum Beispiel in Soßen. "Auch vegane Produkte basieren oft auf reinem Gluten."
Gefährlich sind auch kontaminierte Produkte. "Hafer ist zum Beispiel von Natur aus glutenfrei, wird oft aber mit normalen Mähdreschern geerntet und ist so kontaminiert. Was viele nicht wissen, ist auch, dass Produkte saisonale Unterschiede aufweisen. Schokoriegel sind zum Beispiel oft im Sommer glutenhaltig und im Winter glutenfrei, das hat mit dem Schmelzgrad zu tun." Man sollte die Zutatenlisten immer wieder stichprobenartig prüfen, rät Marcus Beran.
Laufe ich ohne Gluten Gefahr, einen Nährstoffmangel zu erleiden?
Laut DZG führt eine glutenfreie Ernährung nicht automatisch zu einem Nährstoffmangel. Es bestehe aber ein erhebliches Risiko, wenn die Ernährung nicht ausgewogen sei. "Wir empfehlen, eine Ernährungstherapie in Anspruch zu nehmen", so die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft.
Aus der Praxis weiß Marcus Beran: "Glutenfreie Produkte sind sehr stärkehaltig. Deshalb sollte man den Energiehaushalt anpassen. Wenn man aber einmal einen ausgewogenen Speiseplan für sich gefunden hat, hat man auch keine Probleme."
Bedeutet Zöliakie zwingend Einschränkungen im Alltag?
Nicht wegzureden sei, dass glutenfreie Ernährung einen zeitlichen Mehraufwand mit sich bringe. Im häuslichen Umfeld spricht Marcus Beran aber mehr von einer Umstellung. "Standards der deutschen Küche wie Brot, Brötchen oder Nudeln fehlen natürlich." Man könne ersetzen oder austauschen. "Wenn ich früher oft Nudeln gegessen habe, kann ich jetzt oft glutenfreie Nudeln essen. Die Produkte haben inzwischen hohe Qualität, auch wenn es geschmacklich nicht exakt dasselbe ist."

Dinge zu ersetzen, könne oft sogar die bessere Lösung sein. "Ich empfehle immer, über seine Ernährung auch einmal nachzudenken", sagt der Küchenchef. Mit Linsen könne man viel mehr als den klassischen Eintopf machen. "Auch Hirse, Quinoa oder verschiedene Reissorten sind sehr beliebt. Und die Allheilwaffe ist die Kartoffel. Die hat überhaupt kein Allergen, ist günstig und kommt aus der Region."
Ein großes Thema für Betroffene ist die Gastronomie, weiß Beran. "Der Wunsch wäre natürlich, auch bei Fast-Food-Ketten oder im Freizeitpark unkompliziert glutenfrei essen zu können. Der Aufwand ist exorbitant, immer im Vorfeld anrufen und nachfragen zu müssen." Er kenne aber beide Seiten. "Aus gastronomischer Sicht ist es kein leichtes Thema." Es fehle an deutschsprachigen Fachkräften, auch die baulichen Voraussetzungen machen eine strikte Trennung der Produkte oft kompliziert. Zudem wurde die allergenfreie Küche erst verhältnismäßig spät Teil der Kochausbildung.
Darf ich ab und zu eine Ausnahme machen?
"Grundsätzlich würde ich von jeder Ausnahme abraten", sagt Beran. "Manche Betroffene reagieren sofort, andere – wie ich – merken zehnmal nichts und müssen beim elften Mal ins Krankenhaus. Das ist sehr gefährlich, zumal es ja meistens nicht bei einer Ausnahme bleibt." Die DZG äußert sich unmissverständlich: "Die glutenfreie Diät ist radikal einzuhalten – alternativlos und lebenslang."