
Stimmen aus dem Bad Kissinger Stadtrat gegen die Migrationspolitik des Bundes werden lauter. Die Pläne des Landkreises, im ehemaligen Kloster Hausen vorübergehend eine Notunterkunft für Flüchtlinge einzurichten, führten in der Sitzung am Mittwoch zu einer Grundsatzdebatte über den Zustrom an Flüchtlingen.
Als die Aussprache zu eskalieren drohte, stelle Thomas Schlembach (DBK) einen Antrag auf Schluss der Debatte. Dabei war allen klar: Der Einfluss des Stadtrates auf das Bundesthema ist beschränkt. Wohl deshalb lauschten die meisten Ratsmitglieder dem zunehmend heftigeren Schlagabtausch eher abwartend.
Kritik an mangelnder Transparenz: Landrat Thomas Bold zeigt Verständnis und erklärt sich
Landrat Bold (CSU) war in die Sitzung gekommen, um sich der Aussprache zur geplanten Notunterkunft in Hausen zu stellen. Als das Landratsamt im September Pläne dafür auf den Tisch gebracht hatte, hagelte es aus Kurstadt Kritik, warum man in diese Entscheidung nicht eingebunden gewesen sei. "Da habe ich Verständnis dafür", sagte Bold in der Sitzung zum Vorwurf mangelnder Transparenz. Jedoch sei lange zu vage gewesen, ob und auf was man sich in Hausen einstellen könne. Er informiere gerne offen. Deshalb werde er in der kommenden Bürgerversammlung in dem Stadtteil dabei sein.
Aktuell sei weiter unklar, mit welcher Belegung in Hausen zu rechnen sei. Erst seit dieser Woche stehe fest, dass das Dachgeschoss des auserkorenen Gebäudeflügels des Klosters aus Brandschutzgründen für eine Unterbringung ausscheide. Nun bereite man jenen Flügel als Quartier für um die 35 Flüchtlinge vor, in dem vor Kurzem noch die Zulassungsstelle des Landratsamtes beheimatet war.
Ursprünglich seien bis zu 50 Bewohnerinnen und Bewohner angedacht gewesen. Die Belegung hänge auch davon ab, ob Familien oder Einzelpersonen einziehen. Für die neue Verwendung werden zu den bereits bestehenden Duschen Sanitäranlagen eingebaut.
Landrat Thomas Bold zur Unterbringung in Hausen: "Das wird keine Dauerlösung"
"Das wird keine Dauerlösung", versprach Bold. Vielmehr peile die Landkreisverwaltung die Umgestaltung des Klosters als Wohnobjekt an. Doch nun gelte es zunächst, den Zustrom von Flüchtlingen zu stemmen. "Wir haben nicht in der Hand, wie sich die Situation entwickelt", machte Bold geltend. Gedacht sei das ehemalige Kloster als Puffer, wenn die aktuell mit Nachdruck laufende Akquise von dezentralen Unterkünften in den Landkreis-Gemeinden nicht mit der Zuweisung von Flüchtlingen aus dem überfüllten Ankerzentrum in Geldersheim Schritt halte.
Ziel sei es, diese Menschen gar nicht erst in Hausen, sondern möglichst gleich in dezentralen Unterkünften unterzubringen, um einen weiteren Umzug zu vermeiden, so Bold.
Allerdings zeichne sich ein Mangel an diesen dezentralen Unterkünften ab. Aktuell sei der Landkreis verpflichtet, 25 Flüchtlinge in der Woche aufzunehmen. Bis Ende April seien folglich bis zu 500 Personen zusätzlich unterzubringen. Noch nicht dabei seien die unbegleiteten Minderjährigen.
Der Landkreis Bad Kissingen will die Unterbringung in Turnhallen vermeiden
Aktuell sei absehbar, dass gerade mal ein Drittel dieser in dem Zeitraum voraussichtlich benötigten Unterkünfte gefunden sei. Mit Nachdruck arbeite man an der Gewinnung weiterer dezentraler Quartiere. Die Notunterkunft in Hausen werde gebraucht, um die drohende Unterbringung in den Turnhallen des Landkreises zu vermeiden. "Wir müssen adressieren, dass es so nicht weitergeht", sagte Bold mit Blick auf die Bundespolitik.
Bad Kissingens Oberbürgermeister Dirk Vogel sieht die Grenze der Belastbarkeit erreicht
"Wir sind an eine Grenze gestoßen", machte Oberbürgermeister Dirk Vogel (SPD) mit dem Zuzug von 1200 Migrantinnen und Migranten in den vergangenen drei Jahren deutlich. Ein Migrantenanteil von bis zu 50 Prozent in Schulen und Kindergärten spreche eine klare Sprache.
Aus den Reihen des Stadtrates keimte der Vorwurf auf, dass Bad Kissingen im Vergleich zu anderen Gemeinden überproportional viele Flüchtlinge aufnehmen müsse. Landrat Bold räumte ein, dass es erst längerfristig gelingen werde, die Verteilung gerecht auszutarieren. Dazu müsse es gelingen, Gemeinden, die bisher ohne Flüchtlinge sind, für die Bereitstellung von Quartieren zu gewinnen. Die Bürgermeister hätten den Ernst der Lage erkannt, informierte Bold.
Notunterkunft Hausen eher ein kleines Format, sagt Landrat Thomas Bold
Bei diesen Appellen könne sich der Landkreis mit eigenen Immobilien kaum verweigern, so Bold. Grundsätzlich handle es sich bei der Notunterkunft in Hausen um ein kleines Quartier, fast im Format der dezentralen Unterkünfte, "so wie sie in der Regel sehr gut funktionieren", ergänzte er.
In der Fragerunde kamen Bedenken der Stadtratsmitglieder auf. "Woher nehmen sie den Optimismus, dass es nicht zu einer Dauerlösung wird?", wandte Zweiter Bürgermeister Anton Schick (DBK) ein. Er könne sich nur auf Prognosen verlassen, erwiderte Bold. Schick schlug vor, doch die Unterbringung in Turnhallen anzupeilen, um einen Lösungsdruck zu erzeugen.
Wolfgang Lutz (CSU) appellierte an Bold, "doch der erste Landrat zu sein, der keine Flüchtlinge mehr aufnimmt". Zu dieser Forderung stellte sich Altoberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD) hinter den Landrat. Diese Option habe Bold als Wahlbeamter nicht.
CSU: Kloster in Hausen ist als Notunterkunft ungeeignet
"Das Ende ist erreicht", fasste Steffen Hörtler (CSU) die Aufnahmefähigkeit für Flüchtlinge mit heftigen Vorwürfen gegen die Bundesregierung zusammen. Das Kloster Hausen halte seine CSU-Fraktion als Notunterkunft für ungeeignet.
Bei diesem Rundumschlag hakte Blankenburg ein: Die Situation sei nicht allein der Bundesregierung anzulasten, zumal Angela Merkel 2015 für Deutschland als Einwanderungsland geworben habe. Als die Parteipolitik auszuufern drohte und Hörtler gegen Blankenburg sehr ins Private ging, stellte Thomas Schlembach (DBK) seinen Geschäftsordnungsantrag zum Abbruch der Debatte. Dieser setzte sich mit großer Mehrheit durch.
Landrat Bold wählte ein versöhnliches Schlusswort. Angesichts der Geschichte von der Herbergssuche, die in der kommenden Weihnachtszeit im Mittelpunkt stehe, müsse sich jeder bewusst werden, dass es sich bei Flüchtlingen um Menschen handle, die Wertschätzung verdienten.
Am Ende gab es für Bold Applaus, dass er er sich der Aussprache gestellt habe. "Sie halten hier ihren Kopf für eine Sache hin, die sie nicht zu vertreten haben", lobte Blankenburg. Der Landrat schränkte ein: Nur ausnahmsweise könne er zu der vergleichsweise kleinen Unterkunft in Hausen so ausführlich Stellung beziehen. Immer gehe das nicht: "Sonst brauche ich zusätzlich jemanden anders, der meine übrige Arbeit macht", gab er zu bedenken.
In der ersten Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass Thomas Schlereth den Antrag auf Schluss der Debatte gestellt hatte. Das war ein Versehen. Tatsächlich hatte Thomas Schlembach den Antrag gestellt. Wir bitten um Verzeihung für den Fehler.
Die Redakteure der MP sollten das endlich mal verinnerlichen, dass der Titel eines Altbürgermeisters verliehen wird, aber nicht von der Mainpost!