
Kein Zweifel: Die älteste Weinstadt Frankens braucht einen ordentlichen Schub beim gastronomischen Angebot, um ihrem touristischen Anspruch gerecht zu werden. Dieses Problem ist auf vielen Ebenen erkannt. Jetzt tut sich was.
So haben die Wirtsleute Werner Zeisner (48) und Marco Affeldt (53) die sommerliche Betriebsruhe ihres Speiserestaurants "Zur Alten Wache" genutzt, um ein neues Projekt voranzubringen. Sie haben seit Anfang September in Eigenleistung die Vorarbeiten zur Modernisierung eines Häuschens, teils mit Fachwerk, im Hof der der sanierten Bahnhofstraße erbracht. Mit dem Vorhaben wollen sie den Charme eines der vielen Hammelburger Höfle nutzen.
Namensfindung noch nicht abeschlossen
"Hier soll etwas für Weinkenner entstehen", blickt Wirt Werner Zeisner bei einem Redaktionsbesuch auf die Fertigstellung der künftigen Schoppenstube voraus. Die endgültige Namensfindung sei noch nicht ganz abgeschlossen.
Dafür ging es gegen Ferienende auf der Baustelle ordentlich voran. Dankbar ist Zeisner für die kooperative Rathausverwaltung. Dadurch hätten zuvor bürokratische Hürden überwunden werden können.
Bruchsteinwände freigelegt
Motiviert ging es deshalb ans Werk. Die Befreiung der alten Bausubtanz von Rigipsplatten an den Innenwänden ist jetzt so gut wie abgeschlossen, und auf der Baustelle lässt sich schon jetzt das Potential der Räume mit alten Bruchsteinwänden im Erdgeschoss erkennen.

In Kürze werden laut Zeisner Fachfirmen mit dem Ausbau beginnen. Geplant ist unter anderem der Einbau einer zweiten Toilette. Zur Eröffnung des Lokals mit neuer und zeitloser Einrichtung ist, laut Zeisner, die Vorweihnachtszeit angepeilt.
Vorgesehen sind innen etwa 20 Plätze und 16 Plätze in Außenbereich. Im Obergeschoss des Häuschens will Zeisner Weine aus seiner Vinothek samt Verkostungen anbieten.
Wein von kleinen Familienbetrieben
Der Weinexperte denkt an eine Präsentation von 250 Weinen als Auswahl aus jenen 750, die er online schon länger über seinen Shop überregional an private Abnehmer und Gastronomen vertreibt.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf italienischen Weinen. Doch auch edle Tropfen aus dem Saaletal möchte er nach seinen Worten in der Bahnhofstraße ins Sortiment aufnehmen. Im Fokus hat er vor allem Weine von kleinen Familienbetrieben.
Außerdem sieht er einen Raum vor, wo das Team Geschenkkörbe rund um das Thema Wein anfertigen wird. Damit sei man bereits erfolgreich im Geschäft. So habe man in der vergangenen Weihnachtszeit rund 250 Präsente für ein Unternehmen in Fulda produziert, sagt Zeisner.
Antwort auf die Personalnot
Wenn auch das Häuschen in der Bahnhofstraße mit Hof und Weinreben an der Fassade auf den ersten Blick an viel Weinromantik denken lässt, so geht es den beiden Wirtsleute aber zunächst darum, den aktuell knallharten Zukunftssorgen der Gastronomie mit ihrem Projekt etwas entgegenzusetzen.
"Jammern hilft nichts", sagt Zeisner mit Blick auf die allgegenwärtigen Personalprobleme, von denen viele Wirtskollegen geplagt sind. Diese Sorgen machen auch vor der "Alten Wache" nicht Halt, wo bereits heute auch Weinverkostungen für Besuchergruppen angeboten werden. Das Traditionslokal in der Berliner Straße haben die beiden Betreiber 20o7 übernommen und 2012 auf eine Kapazität von 140 Plätzen ausgebaut.
Ohne großen Personaleinsatz
Inzwischen ist der Koch dort 66 Jahre und der Pizzabäcker 68 Jahre alt, beschreibt der Wirt die gegenwärtige Situation. Eigentlich könne man mit Blick auf den Nachwuchs in der Gastronomie nur auf die kommenden zwei Jahre vorausschauen, findet Zeisner.
"Es braucht Optimismus und Kreativität", nennt er als Herausforderung seines Berufsstandes für die Zukunft. Die künftige Schoppenstube in der Bahnhofstraße sei so konzipiert, dass sie auch von einer Person bewirtet werden kann.
Dies sei erstrebenswert, sagt Zeisner, weil infolge des Lockdowns in der Corona-Zeit viele Beschäftigte die Branche gewechselt hätten. Auch das Gästeaufkommen habe sich gewandelt. So gebe es kaum noch Vereinsstammtische.
Zwischen "Alter Wache" und Schoppenstube wollen sich die beiden Wirte nach ihren Planungen künftig ihre Arbeitsschwerpunkte zu je 80 Prozent aufteilen, wobei sich Zeisner hauptsächlich in der Schoppenstube sieht.
Kleine Speisen auf wechselnder Karte
Gedacht sei zur Bewirtung der Gäste an eine Karte mit kleinen Speisen, wie Schinken- oder Käseplatten sowie belegte Dätscher. Auch mit Blick auf ständig schwankende Kosten im Einkauf soll es wechselnde Spezialitäten geben.
In solch kleineren Gaststätten sieht Zeisner eine Chance, Einheimischen und Touristen mehr Abwechslung beim Einkehren zu verschaffen. "Hammelburg könnte bestimmt drei oder vier solcher Lokale vertragen", denkt der Wirt. Es brauche eben Mut, sich den Herausforderungen zu stellen.