
Der Kissinger Sommer ist unter dem Festivalmotto "Ich hab noch einen Koffer in…" zurück - und das BBC Symphony Orchestra legte einen fulminanten Start hin. Wenn auch mit fast eingeplanter Verspätung, denn als "einheizende Vorgruppe" stand zuerst ein Redner-Quintett auf dem Programm.
Wie jedes Jahr eröffneten Oberbürgermeister Dirk Vogel, Kuratoriumsvorsitzende Dorothee Bär und Intendant Alexander Steinbeis das Musikfestival mit kurzen Ansprachen. Weil jedoch im Anschluss ein Empfang des bayerischen Staatsministeriums anstand, kamen auch Claudia Roth (Kultur-Staatsministerin) und Markus Blume (Bayerns Wissenschafts- und Kunstminister) mit Reden und teils launigen Lobeshymnen auf Bad Kissingen zu Wort.
Das britische Orchester faszinierte mit schwebendem Klang
Danach aber stand die Musik im Vordergrund: Mit der flirrenden Oberon-Ouvertüre von Carl Maria von Weber präsentierte sich das BBC Symphony Orchestra vom ersten Ton an wach, beweglich, einnehmend. Der ausdrucksstarke Dirigent Sakari Oramo und das britische Orchester faszinierten mit schlankem, schnörkellosem, schwebendem Klang.
Es folgte eine spannende Unterbrechung des märchenhaften Programms: Die selten aufgeführte Kantate "Der neue Orpheus" von Kurt Weill. Es ist ein düsteres, ein komplexes rund 15-minütiges Stück. Orpheus steigt hier nicht in Hades' Todesreich hinab, sondern reist von Athen gen Norden nach Berlin, in dessen halbseidene Unterwelt. Er will Eurydike, die eine Prostituierte ist, retten. Leider vergeblich!

Düstere monotone Bläser- und Schlagwerk-Rhythmen gaben den Takt vor, bevor die tiefen Streichinstrumente lautstark mit einstimmten. Apokalypsen-Duft lag in der Luft. Gut, wer vorher den Kantaten-Text von Yvan Goll gelesen hatte.
Martina Gedeck erobert die Herzen des Publikums
Obwohl Anu Komsi als Erzählerin-Sopranistin den anspruchsvollen Solopart bravourös meisterte, konnte man der vertrackten Geschichte kaum folgen. Berührend Sakari Oramos Sologeigenpart mit dem er Orpheus mimte. Toll, wie er es schaffte, Dirigent und Sologeiger in Personalunion zu vereinen.
Nach der Pause eroberte Martina Gedeck mit dem ersten Schritt auf die Bühne die Herzen aller im Konzertsaal: Die Schauspielerin kam in einem märchenhaften Feen-Kleid. Geduldig wartete sie, bis alle verstummten und sprach die einführenden Worte zu Shakespeares Verwechslungskomödie, die Mendelssohn zu seiner hinreißenden Schauspielmusik inspirierte.
Mit vier magischen Bläserklängen eröffnete das Orchester die zauberhafte Ouvertüre, die bereits fast alles aufblitzen ließ, das folgte: Flirrende Elfenreigen, schabernacktreibende Kobolde, die zürnende Titania, den auf Rache sinnenden Oberon, die tollpatschigen Handwerker und die verwirrten Liebespaare.
Die Elfengesänge von den "Damen der BBC Singers" fügten sich makellos ein. Schade aber, dass die beiden Solistinnen Sopran Anu Komsi und Mezzosopran Susan Zarrabi zu tief hinten auf der Bühne standen, man sie kaum sah und ihr Gesang etwas unterging.
Stehender Beifall und eine Zugabe
Wunderbare Dynamiken lockte Dirigent Sakari Oramo hervor: mal klang das Streicherregister geheimnisvoll leise, mal wetteiferte das Blech untereinander und dann ertönte in reinster Klanglust der klischeebehafte Hochzeitsmarsch, unerhört frisch und jubilierend.
Bannend die Passagen, wo Dirigent Oramo das Orchester und die Erzählerin ineinander verwob. Martina Gedeck brillierte als Puck, als Fee, als Handwerker – als alles umrahmende Erzählerin. Das Orchester begeisterte mit unglaublicher Spielfreude und Spiellust und einem magischen Klangkörper. Jubelnder, stehender Beifall und als Zugabe Brahms "Ave Maria" für vierstimmigen Frauenchor mit Orchesterbegleitung. Jetzt kamen die Sängerinnen voll zur Geltung – gerade noch rechtzeitig.