
Wenn die Region in Richtung Rhön schaute, hatte sie bis 1974 ausschließlich das alpine Skifahren im Sinn. Warum man seitdem in Thulba weiter dachte, ist eigentlich eine verrückte Geschichte. Sie wertet das regionale Freizeitangebot bis heute auf und hat noch dazu Vereinsgeschichte geschrieben.
Denn der Wassersport-Hype, von dem hier die Rede ist, kam gewissermaßen aus dem Nichts. Bis heute beschert er einen besonderen Freizeit-Spaß, wenn auch unter geänderten Vorzeichen. Rainer Schipper, ein Mann der ersten Stunde, blickt im Gespräch mit dieser Redaktion auf bewegte Jahr zurück.
Die Entstehungsgeschichte klingt fast wie ein Märchen. Wo heute Wassersportler ihre Runden drehen, grasten einst Kühe. Die Idee dazu hatte der inzwischen verstorbene Cousin seines Vaters, berichtet Rainer Schipper. Albin Schipper war seinerzeit Eislöffelfabrikant und Chef der damals ortsansässigen Firma Rhönplastik. Er hatte eine Wasserski-Seilbahn in Kiefersfelden gesehen. "Er wollte so etwas auch in Thulba haben", schildert Rainer Schipper die Vorstellungen des Unternehmers
Für Rainer Schipper und zwei Klassenkameraden im Alter von 14 Jahren begann ein besonderes Abenteuer. Um die Anlage in Kiefersfelden zu inspirieren, sei man zu sechst im Mercedes mit dem Fabrikanten am Steuer nach Süddeutschland aufgebrochen. "Wir haben dafür sogar schulfrei bekommen", berichtet Schipper rückblickend.
Albin Schipper machte nach der Exkursion Nägel mit Köpfen. Er gewann Landwirte dafür, Grundstücke zu verkaufen und setzte ein kompliziertes Genehmigungsverfahren in Gang. Rasch rückten erste Bagger an, um den See auszuheben.
"Das war damals weltweit einmalig", so Schipper zum örtlichen Pioniergeist. Ein See zum Wasserskifahren sei bis dato noch nie ausgehoben worden. Dieses Projekt bescherte dem Projekt in Fachkreisen internationale Aufmerksamkeit. "Es gab sogar Anrufe aus Australien", so der heute 64-jährige, der wie einige andere aus dem Dorf hautnah bei dem Geniestreich dabei war. Schon während der Schulzeit und in den Ausbildungsjahren verschrieb er sich mit Gleichgesinnten dem Wassersport.
Insgesamt war die Anlage die elfte überhaupt. Das Besondere der Version in Thulba ist der relativ kleine See. Das beschert gestürzten Sportlern kurze Schwimmstrecken an Land und einen kurzen Fußweg zurück an den Start. Als vorteilhaft erweist sich auch die Insel in der Mitte der Wasserfläche und das Schilf am Ufer. Dieser Zuschnitt absorbiert Wellen, die die Wassersportler und -sportlerinnen bei ihren Runden gegenseitig auslösen. Seilbahn-Anlagen in großen Seen oder im Meer kämpfen dagegen mit einem ganz anderen Wellengang.
Schnell sprachen sich die Qualitäten herum und lösten vor Ort einen Wasserski-Hype aus. Bereits 1975 formierte sich ein Wasserskiclub, der es in Spitzenzeiten auf bis zu 100 Mitglieder brachte. In den 1980er uns 1990er Jahren fuhren Thulbaer Wasserskiläufer im In- und Ausland etliche Meistertitel ein. Rainer Schipper wurde gar Vize-Europameister.

Zur Finanzierung des Liftbetriebs investierten die Mitglieder viele ehrenamtlichen Stunden. Den Kauf von Ausrüstung und Fahrten zu den Wettbewerben konnten sich nicht alle Jugendlichen leisten. Rainer Schipper leitete die Anlage in Vereinsregie von 1989 bis 1996 und bot auch eine Wasserskischule an. Ein Höhepunkt war die Austragung deutscher Meisterschaften sowie eines Rhönpokals mit internationalem Teilnehmerfeld. Dazu kamen bis zu 3000 Zuschauer.
Nach immer neuen Superlativen gab es 1995 einen fetten Dämpfer. Weil die inzwischen betagte Anlage nicht mehr den Anforderungen entsprach und der See sieben Meter zu kurz war, ging Thulba bei seiner Bewerbung um die Europameisterschaft leer aus. Die Austragung ging nach London.
Mit der Erkenntnis, dass die erforderlichen Investitionen ehrenamtlich nicht aufzubringen waren, übernahm Tom Golla die Anlage 1997 und modernisierte sie gründlich. Das Vereinsleben entwickelte sich zurück, der Verein löste sich auf. "Zur Jahrtausendwende gab es einen Umbruch vom Wasserskifahren hin zum Wakeboard", erinnert sich Golla.
Auch in dieser Szene sorgten einige Lokalmatadoren für Furore. Mit die ersten Wakeboard-Filme deutschlandweit entstanden in Thulba. Steffen Vollert drehte sie damals gewissermaßen vor der eigenen Haustüre. Er ist inzwischen bekannter Produzent von Sportfilmen.
Der Wandel des Wassersports wirkte sich auch auf die Ausgestaltung des Parcours aus. Aus der einstigen "Skinautika" wurde bereits 1997 das Wasserskizentrum Franken und ab 2009 der WakePark Thulba. Für spektakuläre Auftritte wurden die ersten "Kicker" gebaut, an denen routiniertere Wakeboarder entlanggleiten und dabei ihre Kunststücke vorführen. Bis heute zieht die spezielle Kombination der "Features" in Thulba Seilanlagen-Touristen aus ganz Europa an, sagt Benjamin Weber, der die Anlage seit 2021 betreibt.
Dabei setzt er nicht nur auf Wasserakrobaten. "80 Prozent der Gäste sind Anfänger", schildert er die Zusammensetzung der Starter. Für Anfänger, die den Spaß ausprobieren wollen, bietet er spezielle Kurse in Kleingruppen und Ferientermine an.
Insgesamt zählt Weber zwischen 6.000 und 8.000 Kunden im Jahr. Bei schönem Wetter tummeln sich an den Wochenenden bis zu 150 Gäste auf dem Freigelände mit Kiosk. Vom Ansturm profitieren auch die benachbarte Gastronomie und der Campingplatz. Nachvollziehen kann Weber die Nostalgie rund um das einstige Wasserski-Vereinsleben. Aber heute sei der Aufwand zu erheblich, um solch eine Anlage auf dem aktuellen Stand zu halten.