Noch vor wenigen Wochen hätte man das, was die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr derzeit in Wildflecken (Lkr. Bad Kissingen) simulieren, wohl schlicht als das gesehen, was es ist: als eine Übung. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen an den Grenzen der Europäischen Union freilich rückt die Gefechtsstandübung "Stolzer Wettiner" in ein besonderes Licht.
An diesem Montag stellte Presseoffizier Renzo Di Leo die Übungssimulation in der Rhön-Kaserne vor: In der mehrtägigen Übung wappnen die Soldatinnen und Soldaten der Panzergrenadier-Brigade 37 sich für den Angriff des fiktiven, autoritär geführten Staatenverbundes "Occasus" auf Nato-Staat Norwegen.
Ungewöhnlich großes Interesse der Medien bei der Präsentation in der Rhön-Kaserne
Das Szenario: "Occasus" hat bereits Finnland und Schweden besetzt und verfolgt die Ziele, die Nato zu schwächen und Rohstoffzugänge sowie die militärische und wirtschaftliche Kontrolle über die Ostsee zu erlangen. In Norwegen gibt es nun dem Szenario nach Anzeichen für eine Invasion.
Di Leo betont, dass Parallelen zur Realität in der Simulation purer Zufall seien. Die Übung sei bereits vor Jahren konzipiert worden, sagt der Presseoffizier. Nichtsdestotrotz war der Krieg in der Ukraine gewissermaßen ständiger Begleiter bei der Präsentation. Dass die Bundeswehr solche Übungen öffentlich vorstellt, ist nicht außergewöhnlich. Das große, auch überregionale Medieninteresse an diesem Montag dagegen schon.
Die Panzergrenadier-Brigade 37 aus dem sächsischen Frankenberg ist Teil der schnellen Eingreiftruppen der Nato, der "NATO Response Force" (NRF). Diese Einheiten werden daraufhin geschult, im Ernstfall binnen maximal 30 Tagen einsatzbereit zu sein. In Wildflecken trainieren nun Führungskräfte aus Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Tschechien, Litauen, Lettland und Belgien ihre Zusammenarbeit. "Wir üben Multinationalität", sagt Kommandeur Ruprecht von Butler aus Veitshöchheim (Lkr. Würzburg).
Übungsinhalte seien unter anderem die Planung und Durchführung defensiver taktischer Aktivitäten, die Verbesserung des gemeinsamen taktischen Verständnisses oder die Vernetzung der jeweiligen Führungseinrichtungen. Im Laufe des Jahres werden weitere Soldatinnen und Soldaten der 1500-köpfigen Brigade dann auch im Gelände üben.
"Ein militärischer Grundsatz lautet: Was nicht geübt wird, kann ich nicht", so von Butler. "Es kommt darauf an, alle Elemente so zusammenzusetzen, dass aus den einzelnen Fähigkeiten das große Ganze wird", sagt Alexander Krone, Kommandeur der Brigade aus Sachsen.
Die dramatische Situation in der Ukraine immer im Kopf
Weder von Butler noch Krone machen einen Hehl daraus, dass die Simulation derzeit erschreckend realistisch erscheint. "Es hat eine unglaubliche Aktualität bekommen", sagt von Butler, "aber es ist eine ganz normale Übung. Sie findet statt, weil sie für diesen Zeitpunkt geplant war", so der Generalmajor.
Aus dem Kopf gehe die Situation in der Ukraine dennoch nicht: "Als Soldatinnen und Soldaten haben wir vielleicht einen noch intensiveren Blick auf die Geschehnisse. Wir wissen, welche schrecklichen Waffen dort eingesetzt werden. Wir stehen dafür, Demokratie und Freiheit zu verteidigen, das wird einem in diesen Tagen wieder sehr bewusst."
Auf ihre tägliche Arbeit habe das Geschehen in der Ukraine keinen Einfluss, sagen die Bundeswehr-Verantwortlichen. Schließlich müsse man ohnehin stets auf den Ernstfall ausgerichtet sein. Und das seien die Truppen, sagt Kommandeur Krone: "Wir sind darauf vorbereitet, dieses Szenario auch in die Realität zu bringen. Die Nato zählt darauf."
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