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Hammelburg
Schlechte Ausstattung, wenige Soldaten: Ängste und Sorgen bei der Truppe
Offizielle verweisen auf das Verteidigungsministerium, aber ein General a.D., ein Reservist und der Bezirksvorsitzende des Bundeswehrverbandes äußern sich zur Lage.
Was ändert sich bei der Bundeswehr? Aktuell gibt es viele Fragezeichen bei der Truppe.       -  Was ändert sich bei der Bundeswehr? Aktuell gibt es viele Fragezeichen bei der Truppe.
Foto: Bilderjet medi@, stock.adobe | Was ändert sich bei der Bundeswehr? Aktuell gibt es viele Fragezeichen bei der Truppe.
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 07.03.2022 02:21 Uhr

Das Zitat von Heeresinspekteur Alfons Mais kurz nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine erschreckte viele: "Die Bundeswehr , das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da." Und Wehrbeauftragte Eva Högl bezeichnete die Ausrüstung der Soldaten als "Skandal", es fehle sogar an dicken Jacken und Unterwäsche.

Die Bundesregierung hat am Sonntag Konsequenzen gezogen und ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und dauerhaft höhere Investitionen angekündigt. Von offizieller Seite gibt es zu dieser "Zeitenwende" (O-Ton Bundeskanzler Olaf Scholz ) in der Verteidigungspolitik keine Aussagen, die Dienststellen verweisen auf das Bundesverteidigungsministerium. Deshalb haben wir uns bei aktiven und ehemaligen Soldaten umgehört.

"Ich freue mich, dass sich die Politik endlich durchgerungen hat, mehr in die Landesverteidigung zu investieren, das war lange überfällig", sagt etwa General a. D. Wulf Wedde, der von 1993 bis 1998 die Infanterieschule Hammelburg leitete. "Wir wurden immer vorgeführt", verweist der 84-Jährige auf die Kritik anderer Nationen.

Als er 1998 in Ruhestand ging, hatte die Bundeswehr noch weit über 300 000 Soldaten, unter anderem seien viele Angehörige der Nationalen Volksarmee übernommen worden. Den Rückgang auf aktuell rund 185 000 und vor allem das Aussetzen der Wehrpflicht bezeichnet der General a. D. als "großen Fehler". Die Truppe habe früher einen großen Teil der Zeitsoldaten aus den Reihen der Wehrpflichtigen rekrutiert.

Entscheidungen nicht nachvollziehbar

Auch viele andere Entscheidungen habe er nicht verstanden, blickt Wedde zurück. Und: Vieles sei an den Soldaten vorbei entschieden worden. Beispiel: Die Umbenennung der Infanterieschule in Ausbildungszentrum des Heeres, die 2021 zum Glück wieder rückgängig gemacht worden sei. "Es hat ja sowieso jeder weiter Infanterieschule gesagt." Besonders wichtig ist laut Wedde nun eine gute Ausstattung der Soldaten: Fahrzeuge und Material müssten zu 100 Prozent einsatzbereit sein, fordert Wedde.

" Putin scheint sich nicht unter Kontrolle zu haben", kommentiert der ehemalige General der Infanterie die vergangenen Tage. Der russische Präsident scheint nicht mit dem großen Widerstand der Ukrainer und hohen Verlusten der eigenen Armee gerechnet zu haben. Gerüchte, dass die russischen Soldaten gar nicht über den Krieg informiert wurden, sondern dachten, der Einsatz sei eine Übung, hält Wedde durchaus für plausibel: "Das war schon bei der Kuba-Krise so", erinnert sich Wedde. Die positive Nachricht der vergangenen Tage sei der große Zusammenhalt der EU und der Nato , deshalb ist sich Wedde auch sicher, dass Putin keinen Nato-Staat angreife.

"Viele Soldaten machen sich natürlich Sorgen und sind geschockt", berichtet Hauptmann Oliver Hartmann, Bezirksvorsitzender Franken im Deutschen Bundeswehrverband, der Interessenvertretung aller Bundeswehr-Angehörigen. Hartmann ist seit 1985 Soldat, kennt noch Nato-Alarme von früher. "Jeder, der Uniform trägt, muss damit rechnen", kommentiert er mögliche Auslandseinsätze. Aber mit 56 Jahren sei er sicher keiner der ersten.

Deutscher Bundeswehrverband fordert bessere finanzielle Ausstattung der Truppe

Zudem stehe an den Standorten Hammelburg und Wildflecken die Ausbildung der Soldaten im Vordergrund. Deshalb seien höchstens Einzel-Abbestellungen möglich oder die Lieferung von Material. "Die Ausbildung muss sichergestellt sein." Unterstützung für die Nato-Response-Force komme in Franken unter anderem aus Volkach und Veitshöchheim.

Eine bessere finanzielle Ausstattung der Bundeswehr fordere der Verband schon seit Jahren. Er selbst verwende Ausrüstungen aus den 1990er Jahren, seine Unterziehjacke stamme aus dem Jahr 2000. Das sei bei regelmäßigem Einsatz zu lang. Hartmann berichtet, dass Soldaten zum Teil einen eigenen Helm kaufen, damit Hörschutz und Funkgerät besser halten. Schutz-Westen gebe es oft nicht in kleinen Größen oder für Frauen angepasst. Zudem seien die Westen oft zu alt, das Material ermüde und die Sicherheit sei nicht mehr gewährleistet.

Ausbildung für Friedenseinsätze, nicht für die Verteidigung

"Es fehlt an Vielem", sagt Hartmann, und: "Die Bundeswehr ist aktuell auf Friedenseinsätze ausgerichtet." Es gebe zum Beispiel beim Heer keine Flugabwehr mehr, zudem habe der Verbund zwischen Heer, Luftwaffe und Marine, aber auch innerhalb des Heeres zwischen Infanterie, Artillerie und gepanzerten Truppen in den Reformen stark gelitten. Wichtig sei auch eine bessere Bezahlung insbesondere für Führungskräfte der Bundeswehr . Eine Rückkehr zur Wehrpflicht erachtet Hartmann als unrealistisch, schon alleine weil die Infrastruktur für Musterung und Ausbildung abgebaut sei. Er plädiert aber für ein verpflichtendes Jahr für Frauen und Männer, das dann in einer sozialen Einrichtung, beim Katastrophenschutz oder eben bei der Bundeswehr geleistet werden könnte.

Andreas Kukuk       -  Andreas Kukuk, Reservist aus Eltinghausen.
| Andreas Kukuk, Reservist aus Eltinghausen.

Positiv überrascht war Reservist Andreas Kukuk aus Eltingshausen von der Entscheidung der Bundesregierung am Sonntag: "Politiker haben erkannt, dass das Schwert wieder geschärft werden muss", sagt er zur Verteidigungspolitik. Kukuk absolviert seit seinem Abschied von der Bundeswehr 2012 jedes Jahr sechs Monate Reserve-Dienstleistung bei der Infanterieschule Hammelburg . "Früher hieß das mal Wehrübung." Die Hälfte des Jahres helfe er in der Ausbildung mit. Aus dieser Erfahrung kann er dem Heeresinspekteur nur zustimmen: "Die Bundeswehr steht blank da."

Technisch sei das meiste Material zwar auf einem guten Stand, aber es gebe oft zu wenig. Der Duell-Simulator, bei dem statt scharfer Munition Laser-Strahlen zum Einsatz kommen, sei veraltet. Zudem müsse die Ausbildung schneller und effektiver werden: "Wir bilden für Friedensmissionen aus, aber nicht für die Landes- und Bündnisverteidigung", sagt Kukuk. Er selbst komme als 62-jähriger Reservist garantiert nicht mehr für Auslandseinsätze in Frage.

 
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  • H. S.
    Täglich kann man lesen, die Bundeswehr wurde kaputtgespart.
    Dabei ist der Etat von 33,3 Mrd Dollar 2005 auf 52,8 Mrd Dollar 2020 gestiegen.
    Bei der 2% Kritik kam immer die Aussage, das wir ja auch Milliarden für friedensfördernde Maßnahmen ausgeben, die man dem Verteidigungsetat zurechnen könnte.
    Wo ist dieses ganze Geld geblieben, wenn man den derzeitigen Zustand sieht.
    Die Gorch Fock ist ein Paradebeispiel.
    Bevor man jetzt erst mal überlegt was man braucht, was man will und was das kostet, schmeißt man 100Mrd in einem Topf aus dem sich jeder mal bedient.
    Die Schnellsten bekommen am meisten, die ersten Angebote über 40 Mrd sind ja schon da.
    Da sind noch keine Stiefel und Unterhosen dabei.
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  • A. K.
    Was wurde mit jährlich ca. 50 milliarden gemacht.
    Es gibt doch nur eine Gorch Fock.
    Wer steckt das ganze Geld ein und wofür.
    Und jetzt werden für 100 Milliarden Unterhosen gekauft?
    Ich glaub ich spinn
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    mal die Gorch Fock außen vorgelassen, frag ich mich auch was die CSU/CSU, angefangen mit dem Lügengrafen aus der CSU als Verteidigungsminister über 16 Jahre mit 50mrd €/jährlichd gemacht hat. CSU/Csu haben laut gejubelt , als es um eine 100mrd Spritze und einer signifikanten Erhöhung des jährlichen Verteidigungshaushaltes für die BW ging. Hoffentlich schreien sie genauso laut, wenn es darum geht alle an den Kosten zu beteiligen. Oder sollen das dann auch die sozial Schwachen zahlen, weil Hilfen gestrichen werden?
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  • R. A.
    Die politischen Geisterfahrer haben die Bundeswehr zu einem Haufen verkommen lassen, bei denen das Tragen der Uniform schon als verwerflich bezeichnet wurde. Die haben geglaubt, dass das schmeissen von Wattebäuschen salonfähig bleibt. Das schwenken von Sonnenblumen und Friedenstäubchen mag für manche ausreichend sein, für die Mehrheit ist und war es das nicht, aber die sind niederdemonstriert worden.
    Zu meiner Zeit des Grundwehrdienstes wurden wir von Birkenstockträgern als potentielle Mörder beschimpft, wir haben den Kopf bei den Attentaten der RAF mit hingehalten und die Standorte beschützt. Das ist gerade mal knapp 40 Jahre her und seitdem sind alle mir bekannten Standorte aufgelöst worden, wo ich diente. Selbst eingemottetes Material ist nicht mehr einsatzfähig, weil die Bediener fehlen.
    Danke ihr Friedensretter, ich liebe euch alle. Auf meine Weise! Hoffen wir das Beste, dass wir verschont bleiben, von weiteren grünen Fantasten und Weltverbesserern.
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  • G. L.
    Wenn der oberste Heeresinspekteur in einer derartigen Bedrohungslage im TV freimütig bekennen muss, dass die Armee außerstande ist zur Verteidigung des Landes, hätte das in jedem normalen Land den sofortigen Rücktritt der gesamten Regierung zur Folge. Unsere gesamte politische Klasse hat die Wehrfähigkeit Deutschlands über Jahrzehnte zuschanden geritten. Die Linken und Grünen haben ganz gezielt und perfide das Fundament untergraben („Soldaten sind Mörder“), die Union gibt seit 10 Jahren aus Feigheit und Dummheit den Vollstrecker. Und jetzt machen sich alle einen schlanken Fuß mit 100 Mrd auf Steuerzahlers Kosten. Und das Schlimme ist, dass sie damit fürs erste davonkommen.
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