
Nach 14 Jahren an der Spitze der Polizeiinspektion Bad Kissingen ist Stefan Haschke im Sommer in den Ruhestand gegangen. Zum 1. Juli hat der gebürtige Bad Kissinger Christian Pörtner den Posten übernommen. Damit ist er für die acht Städte und Gemeinden im Altlandkreis Bad Kissingen (Bad Kissingen, Münnerstadt, Burkardroth, Bad Bocklet, Maßbach, Rannungen, Nüdlingen) zuständig.
Warum die Dienststelle nicht neu für ihn ist, die Kurstadt Arbeit macht und auf was sich die Polizei in Zukunft einstellen muss, erklärt er im Interview.
Christian Pörtner: Ich konnte mir nach dem Abitur zwei Wege vorstellen. Entweder Medizin studieren oder direkt in die gehobene Laufbahn des Staates einsteigen. Ich habe dann bei der Landespolizei die Ausbildung und das Bachelorstudium absolviert. Die Star-Wars-Begeisterung bzw. die Jedi-Charaktere sind irgendwie Teil meiner Lebensphilosophie geworden. Beim Jedi-Meister stehen der Mensch und das Gute im Mittelpunkt, das ist eine Leitlinie.
Pörtner: Ich habe 1994 mein Abitur gemacht und im Rahmen meines Studiums an der Fachholschule hatte ich mein sechsmonatiges Praktikum 1995/1996 im alten Gebäude in der Landwehrstraße. Damals habe ich sogar den Umzug in die Kasernenstraße mitgemacht. Nach dem Studium war ich bei der Autobahnpolizei in Oberthulba, die es damals noch gab. Danach hatte ich Stationen in Schweinfurt, bevor ich 1999 als Dienstgruppenleiter zum zweiten Mal nach Bad Kissingen kam. Danach hatte ich wieder mehrere Stationen in Schweinfurt und Würzburg. 2015 bin ich dann für fünf Jahre als Stellvertretender Leiter zurückgekommen. Und jetzt zum vierten Mal. Ein fünftes Mal habe ich nicht vor.
Pörtner: Zwischen uns besteht nicht nur eine Freundschaft, sondern ein absolutes Urvertrauen. Er hat mir ein gutes Haus übergeben, das ich ja so auch kannte. Es war ein geschmeidiger Übergang. Der entscheidende Unterschied ist, dass ich hier wohne. Ich sehe das lokale Netzwerk auch am Wochenende und im Privaten. Da lässt sich dann vieles pragmatisch absprechen.
Pörtner: In Bad Kissingen gibt es nur sehr wenige Fälle von Schwerkriminalität. Die Bevölkerung ist hier sicher, das können wir objektiv nachweisen. Die Herausforderung ist die heterogene Gesellschaftsstruktur. Wir haben viele Seniorinnen und Senioren, viele Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen aus Wirtschaft und Politik, dazu eine gewachsene Stadtkultur und auch die junge Generation. Von allem etwas – und das ist eine Herausforderung.
Pörtner: Das ist keine Studentenstadt. Die Bedarfe der Senioren sind nicht deckungsgleich mit denen der Jugendlichen. Diese haben in der Stadt auch ein Recht auf ein bisschen Spaß und Party. Mit ihrem BMX-Rad mal über eine Bank zu fahren, wie in anderen Städten eben auch. Und diese Toleranz herzustellen ist eine große Herausforderung.
Pörtner: Ja, wir sind Weltkultur. Zu den vielen Veranstaltungen kommen sehr viele Besucher, darunter viele Politikerinnen und Politiker. Wir haben auch eine jüdische Kultur. Dazu wohnen mit Sandro Kirchner, Sabine Dittmar und noch Manuela Rottmann Regierungsmitglieder aus verschiedenen Ministerien hier im Landkreis. Da ist viel Kommunikation nötig.
Pörtner: Wir sind ein Kur- und Gesundheitsstandort – das ist eine riesige Herausforderung. Wir haben auf die knapp 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Dienstbereich meist 6000 Menschen, die hier zusätzlich übernachten. Handwerker auf Montage, Kurgäste, aber auch viele Psychosomatik-Patienten. Das macht Arbeit und wirft die Frage auf, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen.
Pörtner: Wen kann ich wo mit Außendienstkräften bedienen, ohne die Städte Bad Kissingen und Münnerstadt aus den Augen zu verlieren? Deswegen ist die Zusammenarbeit der Blaulichtfamilie, also von Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei, so wichtig. Oftmals schaffen wir es nicht zu einer Ölspur, einem Kleinbrand oder einem Pannenfahrzeug zu kommen, weil wir bei priorisierten Einsätzen gebunden sind.
Pörtner: Hier gibt es viele Menschen, die nur temporär in Bad Kissingen sind, vor Ort niemanden haben und nicht selten in einer psychischen Ausnahmesituation sind. Dann werden wir von der Klinik gerufen und müssen uns um Einweisung und Transportbegleitung in ein Fachkrankenhaus kümmern.
Pörtner: Wir haben in hier jeden Tag mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu tun, die Einsätze enden dann der Regel in irgendeiner Form in einem Bezirkskrankenhaus oder in anderer geeigneter Obhut. Ob nun in Amtshilfe, durch uns selbst oder in Begleitung – das ist ein Tagesgeschäft und hält uns auf Trab.
Pörtner: Verkehrsunfälle, Streitereien, Ladendiebstähle und vieles mehr! Es ist spitze, dass wir hier fast keine Schwerkriminalität im öffentlichen Raum haben. Es gibt keine schweren Sexualdelikte, bei uns sterben keine Heroinsüchtigen auf den Toiletten und wir haben so gut wie keine Raubüberfälle, die Angstraum erzeugen würden. Aber die anderen Fälle binden eben Ressourcen. Wir haben auch überdurchschnittlich viele Seniorinnen und Senioren in Alten- und Pflegeheimen. Auch hier müssen wir ab und an helfen, eingreifen, suchen und wieder zurückbringen. Manchmal auch nur beim Tragen helfen.
Pörtner: Die Welt dreht sich nach Geschäftsschluss weiter und am Ende kümmern sich einige wenige Ärzte, Krankenschwestern, Pflegekräfte, ehrenamtliche Feuerwehrkräfte, der Rettungsdienst und eben die Polizei. Wir sind immer da.

Pörtner: Wir sind dazu in der Lage. Was uns beschäftigt sind die Umstände, die in den vergangenen Jahren dazugekommen sind. Ob das die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Klimakrise oder die Vorbereitung auf den Black-Out ist – das bindet alles Ressourcen und das macht es sportlich.
Pörtner: Eine Herausforderung, nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt, ist der Umgang mit Cyberkriminalität. Wie wollen Sie durch IT erzeugte Massendelikte mit Beamten nach bisherigem Muster bearbeiten? Das geht auf Dauer so nicht.
Pörtner: Bad Kissingen ist ein Seniorenstandort und damit ein Eldorado für diese Art von Kriminalität, wie Callcenterbetrug oder Enkeltrick. Da geht es auch darum präventiv tätig zu sein und in den entsprechenden Einrichtungen beispielsweise mit Vorträgen präsent zu sein.
Pörtner: Wenn wir die Verkehrsunfälle weglassen, haben fast 50 Prozent unserer Tätigkeiten mit solchen IT-Betrugsfällen zu tun. Ob nun Ware gekauft wurde und nichts gekommen ist oder es um Ausspähung von Bankdaten geht. Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen, darauf aufmerksam zu machen. Wir brauchen Kompetenz im digitalen Verbraucherschutz. Auf Dauer muss sich der Staat hier anders aufstellen. Wie sollen diese Mengen Cyberkriminalität auf Dauer bearbeitbar bleiben?
Pörtner: Ja. Unsere bisherigen staatlichen Strukturen kommen da an die Grenzen, wenn es zum Beispiel um bisherige Zuständigkeitsregelungen geht. Sehen Sie: Beispielsweise wird in einem Fakeshop eine günstige Motorsäge verkauft, die dann nie ausgeliefert wird. Dann haben wir vielleicht mehr als 1000 Geschädigte im deutschsprachigen Raum, die innerhalb einer Woche bei hunderten verschiedenen Dienststellen – gerne auch außerhalb üblicher Geschäftszeiten wie an einem Samstagabend – Anzeige erstatten. Da müssen wir Polizei und Justiz neu denken und beispielsweise die Online-Anzeigenerstattung neu aufbauen, dass diese Fälle gebündelt aufschlagen, damit solche Verfahren zentral bearbeitet werden.
Pörtner: Ja. Dass die Polizei immer da ist und wir uns auf fränkisch ausgedrückt nicht selten 'einen Kipparsch rennen', das sollte auch vom Bürger gesehen werden. Die Polizei muss im Schichtdienst rund um die Uhr da sein. Meine große Bitte ist es deshalb, dass die Bevölkerung sieht, dass hinter jedem Polizisten und jeder Polizistin ein Mensch steckt, der vielleicht genauso kranke Kinder zu Hause hat oder Home-Schooling bewältigen muss. An uns denkt man oft nicht, dabei steht bei unserer Arbeit immer der Mensch im Mittelpunkt.