zurück
Bad Kissingen
Bad Kissingens neuer Polizeichef Christian Pörtner im Interview: Warum der Kurstandort der Polizei auch Arbeit macht
Unfälle, Generationenkonflikte und Cyberkriminalität: Im Interview erklärt der neue Polizeichef in Bad Kissingen, vor welchen Herausforderungen die Polizei steht.
Christian Pörtner ist seit dem 1. Juni 2022 der neue Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Bad Kissingen.
Foto: Julia Back | Christian Pörtner ist seit dem 1. Juni 2022 der neue Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Bad Kissingen.
Julia Back
 und  Simon Snaschel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:35 Uhr

Nach 14 Jahren an der Spitze der Polizeiinspektion Bad Kissingen ist Stefan Haschke im Sommer in den Ruhestand gegangen. Zum 1. Juli hat der gebürtige Bad Kissinger Christian Pörtner den Posten übernommen. Damit ist er für die acht Städte und Gemeinden im Altlandkreis Bad Kissingen (Bad Kissingen, Münnerstadt, Burkardroth, Bad Bocklet, Maßbach, Rannungen, Nüdlingen) zuständig.

Warum die Dienststelle nicht neu für ihn ist, die Kurstadt Arbeit macht und auf was sich die Polizei in Zukunft einstellen muss, erklärt er im Interview.

Frage: Sie sind ein riesengroßer Star-Wars-Fan. Jedi-Ritter konnten Sie nicht werden, also gingen Sie zur Polizei?

Christian Pörtner: Ich konnte mir nach dem Abitur zwei Wege vorstellen. Entweder Medizin studieren oder direkt in die gehobene Laufbahn des Staates einsteigen. Ich habe dann bei der Landespolizei die Ausbildung und das Bachelorstudium absolviert. Die Star-Wars-Begeisterung bzw. die Jedi-Charaktere sind irgendwie Teil meiner Lebensphilosophie geworden. Beim Jedi-Meister stehen der Mensch und das Gute im Mittelpunkt, das ist eine Leitlinie.

Seit Juli leiten Sie nun die Dienststelle in Bad Kissingen. Aber Sie sind nicht zum ersten Mal hier tätig.

Pörtner: Ich habe 1994 mein Abitur gemacht und im Rahmen meines Studiums an der Fachholschule hatte ich mein sechsmonatiges Praktikum 1995/1996 im alten Gebäude in der Landwehrstraße. Damals habe ich sogar den Umzug in die Kasernenstraße mitgemacht. Nach dem Studium war ich bei der Autobahnpolizei in Oberthulba, die es damals noch gab. Danach hatte ich Stationen in Schweinfurt, bevor ich 1999 als Dienstgruppenleiter zum zweiten Mal nach Bad Kissingen kam. Danach hatte ich wieder mehrere Stationen in Schweinfurt und Würzburg. 2015 bin ich dann für fünf Jahre als Stellvertretender Leiter zurückgekommen. Und jetzt zum vierten Mal. Ein fünftes Mal habe ich nicht vor.

Ihr Vorgänger, Stefan Haschke, hat die Dienststelle 14 Jahre geleitet. Sie haben mit ihm auch einige Jahre eng zusammengearbeitet. Wie lief der Übergang für Sie?

Pörtner: Zwischen uns besteht nicht nur eine Freundschaft, sondern ein absolutes Urvertrauen. Er hat mir ein gutes Haus übergeben, das ich ja so auch kannte. Es war ein geschmeidiger Übergang. Der entscheidende Unterschied ist, dass ich hier wohne. Ich sehe das lokale Netzwerk auch am Wochenende und im Privaten. Da lässt sich dann vieles pragmatisch absprechen.

Was sind für Sie die Herausforderungen beim Thema Kriminalität in Bad Kissingen?

Pörtner: In Bad Kissingen gibt es nur sehr wenige Fälle von Schwerkriminalität. Die Bevölkerung ist hier sicher, das können wir objektiv nachweisen. Die Herausforderung ist die heterogene Gesellschaftsstruktur. Wir haben viele Seniorinnen und Senioren, viele Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen aus Wirtschaft und Politik, dazu eine gewachsene Stadtkultur und auch die junge Generation. Von allem etwas – und das ist eine Herausforderung.

Inwiefern?

Pörtner: Das ist keine Studentenstadt. Die Bedarfe der Senioren sind nicht deckungsgleich mit denen der Jugendlichen. Diese haben in der Stadt auch ein Recht auf ein bisschen Spaß und Party. Mit ihrem BMX-Rad mal über eine Bank zu fahren, wie in anderen Städten eben auch. Und diese Toleranz herzustellen ist eine große Herausforderung.

Der Status als Kurstadt spielt für Ihre Arbeit eine Rolle?

Pörtner: Ja, wir sind Weltkultur. Zu den vielen Veranstaltungen kommen sehr viele Besucher, darunter viele Politikerinnen und Politiker. Wir haben auch eine jüdische Kultur. Dazu wohnen mit Sandro Kirchner, Sabine Dittmar und noch Manuela Rottmann Regierungsmitglieder aus verschiedenen Ministerien hier im Landkreis. Da ist viel Kommunikation nötig.

Daneben gibt es eine große Anzahl an Gästen.

Pörtner: Wir sind ein Kur- und Gesundheitsstandort – das ist eine riesige Herausforderung. Wir haben auf die knapp 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Dienstbereich meist 6000 Menschen, die hier zusätzlich übernachten. Handwerker auf Montage, Kurgäste, aber auch viele Psychosomatik-Patienten. Das macht Arbeit und wirft die Frage auf, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen.

Zum Beispiel?

Pörtner: Wen kann ich wo mit Außendienstkräften bedienen, ohne die Städte Bad Kissingen und Münnerstadt aus den Augen zu verlieren? Deswegen ist die Zusammenarbeit der Blaulichtfamilie, also von Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei, so wichtig. Oftmals schaffen wir es nicht zu einer Ölspur, einem Kleinbrand oder einem Pannenfahrzeug zu kommen, weil wir bei priorisierten Einsätzen gebunden sind. 

Welche Ressourcen bindet denn der Gesundheitsstandort?

Pörtner: Hier gibt es viele Menschen, die nur temporär in Bad Kissingen sind, vor Ort niemanden haben und nicht selten in einer psychischen Ausnahmesituation sind. Dann werden wir von der Klinik gerufen und müssen uns um Einweisung und Transportbegleitung in ein Fachkrankenhaus kümmern.

Wie oft gibt es solche Fälle hier?

Pörtner: Wir haben in hier jeden Tag mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen zu tun, die Einsätze enden dann der Regel in irgendeiner Form in einem Bezirkskrankenhaus oder in anderer geeigneter Obhut. Ob nun in Amtshilfe, durch uns selbst oder in Begleitung – das ist ein Tagesgeschäft und hält uns auf Trab.

Was ist für Sie noch Tagesgeschäft?

Pörtner: Verkehrsunfälle, Streitereien, Ladendiebstähle und vieles mehr! Es ist spitze, dass wir hier fast keine Schwerkriminalität im öffentlichen Raum haben. Es gibt keine schweren Sexualdelikte, bei uns sterben keine Heroinsüchtigen auf den Toiletten und wir haben so gut wie keine Raubüberfälle, die Angstraum erzeugen würden. Aber die anderen Fälle binden eben Ressourcen. Wir haben auch überdurchschnittlich viele Seniorinnen und Senioren in Alten- und Pflegeheimen. Auch hier müssen wir ab und an helfen, eingreifen, suchen und wieder zurückbringen. Manchmal auch nur beim Tragen helfen.

Die Polizei als Freund und Helfer?

Pörtner: Die Welt dreht sich nach Geschäftsschluss weiter und am Ende kümmern sich einige wenige Ärzte, Krankenschwestern, Pflegekräfte, ehrenamtliche Feuerwehrkräfte, der Rettungsdienst und eben die Polizei. Wir sind immer da.

Christian Pörtner in seinem Büro in der PI in Bad Kissingen.
Foto: Julia Back | Christian Pörtner in seinem Büro in der PI in Bad Kissingen.
Das bedeutet aber auch, dass Sie sehr viel Arbeit haben, von der die Bürgerinnen und Bürger gar nichts mitbekommen. Sehen Sie sich für Ihre Aufgaben hier gut genug aufgestellt?

Pörtner: Wir sind dazu in der Lage. Was uns beschäftigt sind die Umstände, die in den vergangenen Jahren dazugekommen sind. Ob das die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Klimakrise oder die Vorbereitung auf den Black-Out ist – das bindet alles Ressourcen und das macht es sportlich. 

Was ist für die Polizei die größte Herausforderung in der Zukunft?

Pörtner: Eine Herausforderung, nicht nur für uns, sondern für die ganze Welt, ist der Umgang mit Cyberkriminalität. Wie wollen Sie durch IT erzeugte Massendelikte mit Beamten nach bisherigem Muster bearbeiten? Das geht auf Dauer so nicht.

Beschäftigt Sie die Kriminalität über Medien, wie Internet und Telefon, hier sehr?

Pörtner: Bad Kissingen ist ein Seniorenstandort und damit ein Eldorado für diese Art von Kriminalität, wie Callcenterbetrug oder Enkeltrick. Da geht es auch darum präventiv tätig zu sein und in den entsprechenden Einrichtungen beispielsweise mit Vorträgen präsent zu sein.

Wie viele Leute kommen zur Bad Kissinger Polizei, die Opfer solcher Betrugsmaschen im Internet geworden sind?

Pörtner: Wenn wir die Verkehrsunfälle weglassen, haben fast 50 Prozent unserer Tätigkeiten mit solchen IT-Betrugsfällen zu tun. Ob nun Ware gekauft wurde und nichts gekommen ist oder es um Ausspähung von Bankdaten geht. Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen, darauf aufmerksam zu machen. Wir brauchen Kompetenz im digitalen Verbraucherschutz. Auf Dauer muss sich der Staat hier anders aufstellen. Wie sollen diese Mengen Cyberkriminalität auf Dauer bearbeitbar bleiben?

Das macht Ihnen mittlerweile auf lokaler Ebene also viel Arbeit.

Pörtner: Ja. Unsere bisherigen staatlichen Strukturen kommen da an die Grenzen, wenn es zum Beispiel um bisherige Zuständigkeitsregelungen geht. Sehen Sie: Beispielsweise wird in einem Fakeshop eine günstige Motorsäge verkauft, die dann nie ausgeliefert wird. Dann haben wir vielleicht mehr als 1000 Geschädigte im deutschsprachigen Raum, die innerhalb einer Woche bei hunderten verschiedenen Dienststellen – gerne auch außerhalb üblicher Geschäftszeiten wie an einem Samstagabend – Anzeige erstatten. Da müssen wir Polizei und Justiz neu denken und beispielsweise die Online-Anzeigenerstattung neu aufbauen, dass diese Fälle gebündelt aufschlagen, damit solche Verfahren zentral bearbeitet werden.

Im Moment ist die Polizei am Ort, also zum Beispiel Sie hier in Bad Kissingen, immer für die Menschen da.

Pörtner: Ja. Dass die Polizei immer da ist und wir uns auf fränkisch ausgedrückt nicht selten 'einen Kipparsch rennen', das sollte auch vom Bürger gesehen werden. Die Polizei muss im Schichtdienst rund um die Uhr da sein. Meine große Bitte ist es deshalb, dass die Bevölkerung sieht, dass hinter jedem Polizisten und jeder Polizistin ein Mensch steckt, der vielleicht genauso kranke Kinder zu Hause hat oder Home-Schooling bewältigen muss. An uns denkt man oft nicht, dabei steht bei unserer Arbeit immer der Mensch im Mittelpunkt.

Zur Person

Christian Pörtner ist verheiratet und hat zwei Söhne, die 19 und 16 Jahre alt sind. Er stammt aus Bad Kissingen und lebt in Kleinbrach. Der 47-Jährige ist Erster Polizeihauptkommissar und seit Juli 2022 Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Bad Kissingen.
jsc
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Kleinbrach
Münnerstadt
Thundorf
Maßbach
Burkardroth
Bad Bocklet
Rannungen
Nüdlingen
Julia Back
Simon Snaschel
Autobahnpolizei
Feuerwehr Euerbach
Internetkriminalität
Manuela Rottmann
Polizei
Polizeichefs
Polizeihauptkommissare
Polizeiinspektion Bad Kissingen
Ruhestand
Sabine Dittmar
Sandro Kirchner
Stadt Bad Kissingen
Stefan Haschke
Verkehrsunfälle
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top