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Bad Kissingen
Bad Kissingen: Warum der Film über die Ochsenkathedrale ein echter Kinohit ist
Der Kinosaal war am Donnerstag proppenvoll, als die Stadt Bad Kissingen einen Film zum Schlachthof zeigte. Welche Rolle dabei "handelnde" Personen spielen.
'Hinter' der Uhr der Ochsenkathedrale: Blick vom Dachboden des Gebäudes aus hinaus ins Freie.
Foto: Heiko Becker | "Hinter" der Uhr der Ochsenkathedrale: Blick vom Dachboden des Gebäudes aus hinaus ins Freie.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:38 Uhr

Christian Beyer hat’s drauf. Man merkt, dass der bereits preisgekrönte 39-Jährige Filmemacher, der aus Bamberg kommt und ein Faible für Bad Kissingen hat, mit Liebe ans Werk geht, wenn er eine neue Dokumentation vorbereitet. Dass es ihm eigen ist, bei seiner Arbeit offen zu sein, nicht nur für das große Thema im Mittelpunkt, sondern gerade für die Details seiner "Story", die er erzählen will.

Denn genau diese Feinheiten  sind es, die der Zuschauer und die Zuschauerin später mit nach Hause nehmen – und noch länger neugierig im Kopf hin- und herwenden. Der Film über den Bad Kissinger Schlachthof wurde 2021 gedreht und am 16. November 2023 im Kino der Kurstadt einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt.

Aussagekräftige Bilder, sehr gut ins Szene gesetzt

Beyer gelang es, die Kinobesucher mit wohl ausgesuchten und ineinander übergehenden Bildszenen des historischen Baus kurzfristig in eine andere Welt zu entführen. Man bestaunte die riesige Halle mit dem geschwungenen Treppenaufgang, sah die Galerie hoch oben, auf der einst Kurgäste spazierten, um dem Schlachttreiben unten zuzusehen.

Fotoserie

Dann jeweils ein Blick in die Werkstatt, in die einzelnen Kühlräume und in das Zimmer mit der historischen Kühlanlage der Firma Linde, die demnächst zum Industriedenkmal gekürt werden soll. Und dann gab’s da auch noch – zur rechten Zeit am rechten Fleck von Beyer in Szene gesetzt - "handelnde" Personen, die von früher erzählten. So dass die Bilder plötzlich laufen lernten und insgesamt eine anrührende Geschichte entstand.

Die Ochsenkathedrale gehört zu Bad Kissingen dazu

Der Kinosaal war proppenvoll. Offenbar können sich auch heute noch viele Kissinger mit dem alten Schlachthof identifizieren. Freilich weiß man zwar aus dem Geschichtsbuch, dass die Kissinger schon damals recht stolz auf ihren Schlachthof waren, nachdem das basilikale Gebäude 1923 bis 25 unter der Regie von Joseph Hennings, eines bedeutenden Architekten für Schlachthof-Bauten, errichtet worden war.

Die Kühlanlage der seinerzeit renommierten Firma Linde soll nun zum Industrie-Denkmal werden.
Foto: Heiko Becker | Die Kühlanlage der seinerzeit renommierten Firma Linde soll nun zum Industrie-Denkmal werden.

Schließlich war es ja der großartigen Wandelhalle nachempfunden worden. Aber wie ist das heute, 100 Jahre später? Der Andrang zu dem halbstündigen Film zeigte, dass die "Ochsenkathedrale", wie der Jugendstil-Bau an der Würzburger Straße seit eh und je liebevoll genannt wird, noch heute fest zu den Bad Kissingern dazu gehört. Genau wie die Menschen, die in diesem Gebäude bis 2002 arbeiteten - und in früheren Jahrzehnten sogar dort wohnten.

Kleine Geschichten wurden zu einem großen Ganzen

Ein paar dieser Zeitzeugen kamen nicht nur im Film zu Wort, sondern waren zur Premiere eingeladen worden und erzählten später launige Geschichten von anno dazumal, als die Zeiten noch etwas rauer, dafür aber umso herzlicher waren. Barbara Dennehy, Gisela Hahn, Georg Rottenberger, Hilla Schütze, Bernd Faber, Joseph Waldner, Georg Stein, Jürgen Kober, Hermann Schober – alle hatten Interessantes zu erzählen. Es waren kleine Geschichten zum Staunen und zum Schmunzeln.

Barbara Dennehy und Gisela Hahn zum Beispiel berichteten, dass sie im Hinterhaus des Schlachthofs zur Welt kamen. Beide haben "gute Erinnerungen" an ihre Kindheit unmittelbar neben dem Schlachthof. "Es war unser Spielplatz", sagt Hahn, als sie erzählt, wie sie mit ihrer Freundin dort herumtollte. Und am Sonntag pflegte der Großvater die kleine Gisela dann stets mit hinauf auf den riesigen Dachboden des Schlachthofs zu nehmen, um dort mal "hinter die Uhr" zu schauen.

"Ich erinnere mich auch noch, dass mal ein Bulle ausgebüxt ist."
Jürgen Kober, wohnte gegenüber vom Schlachthof

Jürgen Kober wohnte als Kind mit seiner Familie gegenüber des Schlachthofs in der Oskar-von-Miller-Straße. Er weiß noch, wie die Metzger am Schlachttag, dem Montag, oft laut schrien, um sich zu verständigen. "Ich erinnere mich auch noch, dass mal ein Bulle ausgebüxt ist." Da sei die Aufregung drüben groß gewesen.

Mächtiges Gewölbe: Die hölzerne Dachkonstruktion des Schlachthofs ist, nach Angaben von Fachleuten, sehr gut erhalten.
Foto: Heiko Becker | Mächtiges Gewölbe: Die hölzerne Dachkonstruktion des Schlachthofs ist, nach Angaben von Fachleuten, sehr gut erhalten.

Ab und an sei es dann auch vorgekommen, erinnert sich Kober, dass der Hund seiner Familie mit feuchtem Fell und stark müffelnd aus der Nachbarschaft zurückkam, weil er sich offensichtlich dort in irgendeiner Schlachtbrühe gewälzt hatte.

Georg Stein schildert, dass er mal ein Schwein zum Schlachten gebracht und vorschriftsmäßig mit Farbe auf dem Fell gekennzeichnet hatte. Als er am nächsten Tag die Schlachthälften abholen wollte, "da war die Sau weg".

Der Aufseher des Schlachthofs prüfte seine Liste und sah, dass darauf tatsächlich "eine Sau zu viel" verzeichnet war. Der Mann zeigte Herz. Auf diesen Schrecken hin durfte Stein sich dann die größte geschlachtete Sau von allen heraussuchen und mitnehmen. Er hatte sozusagen ein Geschäft gemacht.

Die Wirtschaft als Ort der Begegnung

Günter Frank und Georg Rottenberger wussten Interessantes von der Schlachthof-Wirtschaft zu berichten, in der es auch recht preiswerte Mahlzeiten gab. Es wurde dort aber nicht nur über die aktuellen Preise für Schweine und Rinder debattiert, sagte Rottenberger. "Da wurde alles Mögliche verhandelt", deutet er bedeutungsschwer an. Er, der im Großhandel tätig war, sei täglich dort gewesen, weil sich da alle möglichen Leute aus dem ganzen Landkreis trafen. "Es war ein Ort der Begegnung", resümiert er etwas wehmütig.

Fast mondän zu nennen: Der schmucke Treppenaufgang von der großen Halle nach oben zur Galerie.
Foto: Heiko Becker | Fast mondän zu nennen: Der schmucke Treppenaufgang von der großen Halle nach oben zur Galerie.

Bernd Faber fand es dort immer kalt, die Arbeit sei schwer gewesen. Damals sei der Schlachtbetrieb aber noch akzeptabel gewesen, weil am Schlachttag nur 30 bis 40 Tiere geschlachtet wurden und das Vieh aus der Region kam. Heutzutage hingegen würden in einem modernen Schlachthof pro Tag 20.000 Tiere geschlachtet und diese Ware anschließend in die EU-Länder abtransportiert.

Da hat der Bauer wieder geweint, aber diesmal vor Freude.“
Joseph Waldner, Metzger aus Oberthulba

Auch der frühere Baudirektor Hermann Schober gestand, dass ihn das Schlachtgeschehen dort früher irgendwie fesselte. Hilla Schütze weiß noch genau, dass so um das Jahr 1948 einmal pro Woche ein Lkw aus dem Allgäu Käse nach Bad Kissingen zum Schlachthof brachte – und anschließend Passagiere mit nach München nahm. Wie die dann allerdings wieder zurückkamen, frage sie sich heute noch. Denn der Lkw sei ja stets voller Käse gewesen, wenn er nach Bad Kissingen fuhr.

Und dann war da noch Joseph Waldner, der einige Anekdoten zum Besten gab und zum Beispiel erzählte, dass er, der Metzger, sogar einmal Geburtshelfer war, als ein Bauer mit seiner trächtigen Kuh zu ihm kam und "bitterlich weinte". Die Geburt des Kälbchens hatte nämlich nicht geklappt, der Tierarzt hatte eine Notschlachtung der Kuh angeraten, erzählte Waldner. Daraufhin habe er dann versucht, wenigstens das Kalb noch zu retten. "Das ist auch gelungen. Da hat der Bauer wieder geweint, aber diesmal vor Freude."

 
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Kommentare
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  • Roland Albert
    Wo bleibt die Erwähnung von Emil Trautenbach, er war der letzte "Mohikaner", er schloss das Gebäude damals ab, als es für tot erklärt wurde.
    Irgendwie ist das unvollständig...
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