Diesen Schritt überlegt sich die Stadt Bad Kissingen wirklich ganz genau. Nach ersten Erläuterungen durch den geschäftsleitenden Beamten Gerhard Schneider und Kämmerer Stefan Lang bei der Vorberatung des Haushalts, erhielt der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats jetzt noch einmal Entscheidungshilfen für die Frage, ob die Stadt ihren Hebesatz für die Gewerbesteuer anheben soll. Das Ergebnis war recht eindeutig: Sie sollte.
Informationen bekamen die Stadträte in der Ausschusssitzung von einem Steuerberater , einem Unternehmerehepaar aus Schweinfurt und Bad Kissingen sowie von der Wirtschaftsförderung der Stadt . Den vor allem von der CSU als Referenten gewünschten Vertreter der Industrie- und Handelskammer hatte die Stadt nicht gewinnen können.
Was ein Steuerberater empfiehlt
Die fachlich entscheidenden Aussagen traf bereits Matthias Kaiser von der Bad Kissinger Steuerberatungsgesellschaft Ossig. Er bestätigte aus der unabhängigen Sicht eines Steuerberaters , der normalerweise nicht dazu neigt, Steuererhöhungen zu befürworten, jene Empfehlung, die Schneider und Lang bei der Etatdebatte schon gegeben hatten.
Der Gesetzgeber habe "infolge der Corona-Pandemie eine finanzielle Schieflage der Kommunen" befürchtet und deshalb den Paragrafen 35 des Einkommensteuergesetzes novelliert, berichtete Kaiser. Dadurch seien "Hebesätze von nunmehr bis zu 400 Prozent" für einen Großteil der Gewerbesteuerzahler " steuerlich unschädlich". Vor diesem Hintergrund sei es "ratsam und aus wachstums- und standortpolitischen Erwägungen im Regelfall unschädlich, den Gewerbesteuerhebesatz von aktuell 380 auf 400 Prozent anzupassen", erklärte der Steuerberater .
Wie zuvor bereits Lang und Schneider erläuterte er die Unterschiede, die es dabei zwischen Personenunternehmen - dazu gehören die GbR, die OHG, die KG, und die GmbH & Co. KG - auf der einen Seite und Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG auf der anderen gibt. "Aufwandsneutral" bleibe die Erhöhung der Gewerbesteuer auf 400 Prozent nur bei den Personenunternehmen. Da werde, hatten Schneider und Lang erklärt, in der Summe aller Steuern , um die es dabei geht, derselbe Betrag fällig, "nur aufgeteilt an Stadtkasse und Staatskasse ".
Auswirkung auf Standortentscheidungen?
Bei den Kapitalgesellschaften sei aber eine zusätzliche Belastung nicht zu vermeiden, ergänzte Kaiser. Da ergebe sich bei einer Erhöhung des Hebesatzes auf 400 vom Hundert eine Mehrbelastung von 700 Euro je 100 000 Euro Gewinn. Von den 259 GmbHs, die laut Stadtverwaltung aktuell in Bad Kissingen zur Gewerbesteuer veranlagt werden, seien 122 davon gar nicht und 75 nur sehr gering betroffen. Die verbleibenden 62 müssten zusammen gut 183 000 Euro mehr Gewerbesteuer im Jahr bezahlen.
Oberbürgermeister Dirk Vogel waren auch die möglichen Auswirkungen des Gewerbesteuerhebesatzes auf Standortentscheidungen von Unternehmen wichtig. Seine Sorge ist, dass eine Erhöhung auf 400 eine abschreckende Signalwirkung haben könnte. Ein Satz von 395 sei vielleicht für die Kommunikation günstiger. Stefanie Maessen und Sebastian Bünner erläuterten daher für die Wirtschaftsförderung der Stadt , welche Faktoren bei der Ansiedlung von Betrieben welche Rolle spielen. Ihr Ergebnis unterm Strich: "Das Gesamtpaket des Standorts muss stimmen."
Entscheidung am Mittwoch im Stadtrat
Grundsätzlich stelle jeder Betrieb und jede Branche unterschiedliche Anforderungen. Wirtschaftlich seien laut einer Studie von 2017 die Verfügbarkeit von Fachkräften , die Attraktivität und das Image des Betriebsstandortes sowie Lohnkosten die wichtigsten Faktoren. Steuern , Abgaben und Gebühren stünden erst an vierter Stelle. Weiche Standortfaktoren wie Freizeitwert, bezahlbarer Wohnraum, Umweltqualität, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten spielten ebenfalls eine große Rolle.
Entschieden hat der Wirtschaftsausschuss über die Erhöhung nicht. Das ist Aufgabe des Stadtrats in der Haushaltsdebatte nächste Woche. Zur Erhöhung bekannt hat sich Zweiter Bürgermeister Anton Schick für die DBK. Ihn hatte die CSU gefragt, warum die DBK ihre noch im Haushaltsantrag anders lautende Position in dieser Sache geändert habe. Und Schick hatte geantwortet, dass er und die DBK ohne die Gesetzesänderung wegen Corona nicht zustimmen würden.
Oberbürgermeister Dirk Vogel ließ eine vorsichtige Tendenz erkennen. Bei der Güterabwägung zwischen den Risiken und der Aussicht auf die dringend notwendigen insgesamt zwei Millionen Euro Mehreinnahmen in den nächsten vier Jahren, neigt er Richtung Erhöhung, wenn auch vielleicht nur auf 395 vom Hundert. Die CSU stellte im Wirtschaftsausschuss die reserviertesten Fragen. Wie sie sich nächste Woche verhalten wollen, erklärten die Christsozialen noch nicht. Vogel ist jedenfalls erkennbar gespannt, wie groß die Zustimmung des Stadtrats in der Frage und dann auch bei seinem ersten Haushalt ist. Bereits Anfang nächster Woche will er sondieren, "wie die Stimmungslage ist". Siegfried Farkas