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WÜRZBURG
Warum hinter der Partymeile die Armut anfing
Alice Natter
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:47 Uhr

Von Dirnen und Abortfegern

Und Wolfgang Jung erzählt – mit Manuskript unterm Arm und zwei Klappstühlen für die Fuß- und Lendenlahmen über der Schulter – von der Kaserne, die sich hier parallel des Mains entlang streckte. Er erinnert an namenlose arme Sünder, die im Stockhaus auf ihre Hinrichtungen warteten. Er berichtet von unehelichen Kindern und von Frauen, die von ihren Männern verprügelt wurden. Von Leuten, die sich in der Badestube die Haare scheren und Aderlässe verpassen ließen, von Dirnen und Klosterschwestern, Leprakranken und Abortfegern. „Ich würde so gerne eine romantische Geschichte erzählen“, sagt Jung in einem Hof der Rosengasse und inszeniert die Verzweiflung: „Aber es gibt keine!“

Die erste Tour war ein Geburtstagsgeschenk

Seit fünf Jahren macht der 55-Jährige nun Führungen nicht für Gäste, sondern für Würzburger. Er hatte seiner Liebsten zum Geburtstag eine Stadtführung versprochen, und sie wollte sie tatsächlich haben. Also entwarf der Journalist eine Tour, die der Liebsten gefallen würde – und anderen auch. „Vom schönen Schein und bösen Sein einer alten Stadt“ nannte er die Führung, in der er den Sommer lang von schmutzigen Geschichten hinter den schmucken Fassaden von Residenz, Bischofspalais, Neumünster und Rathaus erzählte.

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