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MAINFRANKEN
Stätten der Erinnerung
Lena Berger
 und  Julia Back
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:35 Uhr
In memoriam Egal ob ein einzelnes Straßenkreuz, ein pompöses Mausoleum oder ein Baum im dichten Wald – wer Verstorbener gedenken will, kann das an verschiedenen Orten tun. Eine Auswahl aus der Region.



Auf dem höchsten Punkt des Hauptfriedhofs in Schweinfurt befindet sich das Mausoleum der Industriellenfamilie Sachs. 1935 errichtet, ist das neoklassizistische Bauwerk schon von Weitem durch die Baumreihen zu erkennen. Eine überdimensionale Christus-Statue beugt sich mit erhobenen Armen segnend über die Stätte. Kupferne Platten, die unterhalb der Statue angebracht sind, erinnern an die Verstorbenen Ernst Sachs, seine Frau Betty und ihren einzigen Sohn Willy Sachs.

Die Größe der Grabanlage zeugt von der Bedeutung der Familie – auch wenn die Zeit nicht spurlos an dem monumentalen Bau vorübergegangen ist. Zusammen mit Karl Fichtel gründete der gebürtige Konstanzer Sachs 1895 die „Schweinfurter Präcisions-Kugellagerwerke Fichtel und Sachs“. Ernst Sachs hatte die Freilaufnabe mit Rücktrittbremse erfunden und 1903 als Patent angemeldet. Damit schafften sie den wirtschaftlichen Durchbruch. Hatte die Fabrik zu Beginn 377 Arbeiter beschäftigt, waren es 15 Jahre später schon 7000.

Ernst Sachs starb am 2. Juli 1932 in Schweinfurt nach kurzer Krankheit im Alter von 64 Jahren an Leukämie. Auf dem Weg des Leichenzugs zum Friedhof säumten Tausende die Straßen. Der Sohn Willy Sachs heiratete Elinor, die Tochter des Autobauers Wilhelm von Opels. Die Ehe wurde jedoch geschieden. Die Nachfahren von Willy Sachs, wie sein Sohn, der Kunstsammler Gunter Sachs, haben ihre letzte Ruhe nicht mehr dort oben gefunden.





Tierfriedhöfe sind Rückzugsorte für trauernde Besitzer und ermöglichen ein ungestörtes Gedenken an Bello und Mieze. Viele Tierheime haben ihre eigenen Friedhöfe, wie auch das Tierheim Wannigsmühle bei Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen). Gut 80 Gräber umfasst das von einem Zaun umgebene Gelände am Waldrand oberhalb des Tierheims, in denen hauptsächlich Hunde und Katzen begraben sind. Anfragen nach einem Grab für den besten Freund des Menschen steigen.

Für viele ist das Tier Sozialpartner, und für diese Menschen ist es unvorstellbar, dass ihre toten Vierbeiner in einer Verwertungsanlage enden. Für fünf Jahre werden im Tierheim Wannigsmühle die Ruhestätten verpachtet, mit Option auf eine fünfjährige Verlängerung. Eine Einbettung für eine Katze kostet 95 Euro, 185 Euro muss der Tierfreund bezahlen, wenn er einen Hund beerdigen will. Manche Zeitgenossen pflegen die Gräber ihrer toten Lieblinge mit großem Aufwand, christliche Symbole, wie Kreuze, sind aber verboten.

In Unterfranken gibt es einige Tierfriedhöfe, wie den am Elferweg in Würzburg oder den Tierfriedhof Frankenland in Kitzingen. Bereits seit der Altsteinzeit sind Tierbestattungen bekannt. In den kaiserlichen Siedlungen Mitteleuropas fand man komplette Hundeskelette und auch in anderen Kulturen ließ man toten Tieren eine besondere Verehrung zukommen. In Ägypten beispielsweise wurden Katzen in Sarkophagen beigesetzt. In Paris befindet sich der älteste Tierfriedhof Europas der Neuzeit.





Auf der Strecke von Karlburg nach Wiesenfeld (Lkr. Main-Spessart) ist auf der rechten Seite hinter der Leitplanke in einem Waldstück ein Straßenkreuz an einem Baum angebracht. Der Baum selbst ist mit mehreren Kreuzen verziert und mit einem ewigen Licht liebevoll geschmückt. Auf dem großen Kreuz steht auf gelbem Grund: „Christina Andrea Nina“. Die drei Freundinnen verunglückten am 16. Januar 2004 dort am Riementaler Berg bei einem Autounfall.

Seitdem halten Freunde und Angehörige die Erinnerung an die drei lebenslustigen jungen Frauen auf vielfältige Weise aufrecht. Neben dem Kreuz an der Unglücksstelle, gibt es seit 2004 jedes Jahr ein Tennis- und Beachvolleyball-Turnier in Wiesenfeld. Bei dem CAN-Cup – der sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Verstorbenen zusammensetzt – treffen sich Verwandte, Freunde und Sportbegeisterte, um sich gemeinsam an sie zu erinnern. Obwohl Organisatoren und Helfer mittlerweile in ganz Deutschland leben, kommen sie jährlich am letzten Augustwochenende zu dem Sportereignis, um die Lebensfreude, die die drei Frauen auszeichnete, gemeinsam zu erleben.

Und sogar im Internet wird der drei gedacht. Auf der Webseite www.we-all-love-you.de wird unter dem Motto „Man stirbt erst wirklich, wenn man vergessen wird“ der drei Freundinnen auch virtuell gedacht. Neben Fotos und Gästebucheinträgen werden zudem weitere Verstorbene aus der Region aufgezählt, die ebenso nicht vergessen werden sollen. Durch diese vielfältigen Formen bleiben Christina, Andrea und Nina in Erinnerung.





Beim Betreten des Alten Friedhofs in Kitzingen befindet sich gleich auf der linken Seite eines der schönsten Gräber der Stadt: das Heroldsgrab. Dort ist die Familie des Weinhändlers Heinrich Karl Herold, der auch Ratsherr der Stadt war, bestattet. Ein schmiedeeisernes Tor schützt das kapellenartig angelegte Grab aus dem 18. Jahrhundert vor allzu neugierigen Besuchern. An der Decke zeigt ein mit vielen abgebildeten Skeletten prächtiges Holzrelief die Auferweckungsvision Ezechiels.

Dazu passt die Inschrift an der Rückseite des Grabes: „Wann einst der Himmelsherold ruft, und seine Stimme wird erschallen, zu sein und unsern Wohlgefallen, wir folgen ihm in den Freudensaal und halten mit das Abendmahl.“ Sowohl im Innern als auch an der Außenseite prangen Totenköpfe – die wohl auch zu seinem kuriosen Ruhm mitbeigetragen haben. Denn das Grab ist eine wahre „Pilgerstätte“ für Amerikaner geworden.

In den 70er Jahren hat Main-Post-Redakteur Winfried Windischmann das Grab in einem eher als Witz gemeinten Beitrag als die letzte Ruhestätte Graf Draculas bezeichnet – was ihm die in Kitzingen stationierten Soldaten glaubten. Für sie war ein nächtlicher Besuch am Grab die größte Mutprobe – sie kletterten sogar über die Friedhofsmauer. Bis heute zählen amerikanische Touristen zu den treuesten Besuchern der Stätte gegenüber dem Falterturm. Ob sie mittlerweile erahnen, dass der berühmteste aller Blutsauger nicht dort ruht? Das können wir nur hoffen.





Hoch über Gemünden (Lkr. Main-Spessart), auf dem Einmalberg, einem Bergrücken zwischen Rhön und Spessart, finden in der Kriegsgräberstätte Opfer beider Weltkriege ihre letzte Ruhe. Acht Opfer des Ersten sowie 1190 des Zweiten Weltkriegs wurden in der als Waldfriedhof angelegten Anlage bestattet. 1075 waren Soldaten, die teils in unterfränkischen Lazaretten vergeblich auf Heilung gehofft haben. In der Kriegsgräberstätte fanden zudem 123 Zivilpersonen – 48 Männer, 49 Frauen und 26 Kinder – ihre letzte Ruhe.

Das älteste Kriegsopfer war eine 90-jährige Mutter, das jüngste ein fünf Monate altes Kind. Auch Hans Lafontaine, der Vater von Oskar Lafontaine, wurde am Einmalberg begraben. Er fiel im Alter von 29 Jahren im April 1945. Zurückhaltend ist die dem Waldcharakter angepasste Bepflanzung. Auf schlichten Tafeln stehen die Namen der Gefallenen sowie deren Geburts- und Sterbetage. Jeder Tote, darunter auch 91 Opfer mit unbekanntem Namen, liegt in einem Einzelgrab.

Zentrum der Anlage ist die Gedächtniskapelle, die zwischen den hohen Bäumen steht. In ihrem Innern sind an den Wänden die Namen aller Toten aufgelistet. Dort steht auch die aus Eichenholz gefertigte Skulptur des am Marterpfahl knieenden heiligen Sebastian, dem Schutzpatron der Soldaten. Im September 1957 wurde der Friedhof im Beisein von 5000 Trauergästen – unter ihnen viele Hinterbliebene – eingeweiht. Nach der Fertigstellung wurden noch 198 Kriegstote aus 74 Gemeinden zugebettet. Heute verläuft unter der Stätte die ICE-Strecke von Würzburg nach Fulda.





Große Eichen prägen neben dem Buchenmischwald das Waldbild des „RuheForst Rhön“ am Fondsberg, unweit von Eckarts (Lkr. Bad Kissingen). Unter vielen Bäumen in dem 16 Hektar großen Waldstück sind Urnen begraben. Ein unscheinbares Schildchen mit Namen und Daten an einem Baumstamm deutet auf eine Begräbnisstätte hin. In dem Waldstück wurden 415 mit Nummern markierte „RuheBiotope“ ausgewiesen, in denen sich bis zu zwölf Urnenplätze befinden, deren Nutzungsrecht für 99 Jahre erworben wird. Ihr Mittelpunkt ist jeweils ein Baum.

Die Asche der Verstorbenen wird im „RuheForst“ in einer biologisch abbaubaren Urne aus Holz, Maisstärke oder Zellulosemischung beigesetzt. Durch die lange Laufzeit entscheiden sich schon viele Leute zu Lebzeiten für eine Grabstätte. Sie können zwischen einem Gemeinschafts- oder Familienbiotop wählen. Bei einem gemeinschaftlichen Biotop werden die Grabplätze einzeln vergeben, bei einem „FamilienBiotop“ erwirbt ein Vertragsnehmer das Nutzungsrecht für alle zwölf Plätze.

Immer mehr Menschen suchen als letzte Ruhestätte eine Alternative zu klassischen Friedhöfen. Manche sind Naturliebhaber, andere wollen ihren Hinterbliebenen die Grabpflege ersparen oder sind aus der Kirche ausgetreten. Im „RuheForst“ gibt es Beerdigungen mit und ohne Pfarrer, denn der Wald ist als Friedhof geweiht. Die Grabpflege wird der Natur überlassen. Es werden dort bis auf notwendige Sicherungsmaßnahmen auch keine Bäume mehr gefällt.

Weitere Informationen: (Fotos: Ivana Biscan)

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