Ein halbes Jahr lang traf sich Anna Goesmann regelmäßig mit Götz H., ohne dass sich bei ihm irgendetwas verändert hätte. Das schreckte die Psychologin nicht ab. So, sagt sie, ist es fast immer. „Wir fangen nach drei Jahren etwa dort an, wo niedergelassene Therapeuten normalerweise mit ihrer Psychotherapie beginnen.“
Den meisten Sexualstraftätern mangele es grundlegend an sozialen Kompetenzen. Mehr noch: Sie kennen sich selbst nicht und sind weit davon entfernt, ihr eigenes Leben zu leben. „Wir resozialisieren nicht“, sagt Goesmann. „Wir sozialisieren.“ Die Therapeuten holten im Grunde das nach, was die Eltern der Klienten bei der Erziehung versäumt haben.
Die Betroffenen „in die Lebendigkeit zu bringen“, sie zu einem „Menschen“ zu machen, gehört zu Goesmanns wichtigsten Therapiezielen. Dieses Ziel verfolgt die Ambulanzleiterin beharrlich – und mit Methoden, die ungewöhnlich erscheinen: „Einmal sprach ich mit einem jungen Landwirt 20 Sitzungen lang über Schlepper, Ernten und darüber, wie der Weizen gerade steht.“ Sie besuchte ihn sogar und ließ sich seinen Hof zeigen.