Dieses Verstehen ist laut der Ambulanzleiterin auch die Voraussetzung dafür, um den Betroffenen helfen zu können. Was, oft nach jahrelanger Therapie, tatsächlich in den allermeisten Fällen gelingt. „Wir hatten bisher nur einen einzigen einschlägigen Rückfall“, sagt Goesmann.
120 Sexualstraftäter, einige davon noch aus der Gründungzeit der Ambulanz, werden aktuell von vier Therapeutinnen und vier Therapeuten behandelt. Götz H. (Name geändert) ist einer von ihnen. Vor zehn Jahren missbrauchte er seine damals sieben Jahre alte Tochter. Zwei weitere Übergriffe folgten. Die Sache kam zur Anzeige. Fünf Jahre büßte Götz H. das, was er seinem Kind angetan hatte, hinter Gittern. Anfang 2015 kam er im Rahmen der Führungsaufsicht zu Anna Goesmann.
„Damals hatte er noch kaum eine Sprache, um sich auszudrücken“, erinnert sich die Psychologin. Götz H. hatte nie gelernt, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen. Gefühle auszudrücken. Wünsche zu äußern. Das, fand Goesmann heraus, lag in seiner Kindheit begründet. Sein Vater war extrem herrschsüchtig. Ständig musste das Kind auf der Hut sein, damit es bloß keinen Fehler machte.