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BISCHOFSHEIM
Ja-Wort im Schnee oder im Weinberg
Ja-Wort im Schnee oder Weinberg       -  Die Gäste kamen mit dem Sessellift. Das Brautpaar per Pistenraupe, auf die das alte Sofa der Oma montiert wurde. Schneeanzüge ersetzten Brautkleid und Smoking, Tannengrün den Blumenschmuck. Und für den Tausch der Ringe mussten erst die dicken Skihandschuhe abgestreift werden. Aber genau so hatten sie es sich gewünscht. „Wenn wir heiraten, musste es auf unserem Berg sein“, sagt Matthias Adrian. Am 1. Januar 2011 hat er seiner Frau Madeleine das Ja-Wort gegeben. Nicht in irgendeinem Rhöner Standesamt, sondern draußen, auf dem Arnsberg (Lkr. Rhön-Grabfeld). Dort waren die Liftbetreiber die ersten. Die einzigen aber, die sich einen ungewöhnlichen Trauort suchen, sind sie nicht. Im Gegenteil. Ob auf Berggipfeln oder unter Wasser, im Weinberg, Flugzeug oder auf einem Schiff – immer mehr Paare suchen heute etwas Besonderes für ihre Hochzeit. Und immer mehr Kommunen machen das möglich, auch in der Region. Nur: Darf man sich eigentlich überall trauen? „Rechtlich gilt der Grundsatz, dass eine Eheschließung in würdevollem Ambiente durchgeführt werden muss“, sagt Volker Hilpert, Studienleiter der Akademie für Personenstandswesen beim Bundesverband der Deutschen Standesbeamten. „Wenn man Angst haben muss, das Regen oder Wind die Unterlagen des Standesbeamten zerstören, ist das nach unserer Auffassung nicht würdevoll.“ Das wäre das Aus für alle Hochzeiten unter freiem Himmel. Ist es aber nicht: Was ein würdevoller Ort sei, könne jede Kommune selbst entscheiden, sagt Hilpert. Ein Stadtrats- oder Gemeinderatsbeschluss muss Orte außerhalb der Standesämter dann widmen. Vorgeschrieben ist laut dem Experten auch, dass „jedes Paar die Möglichkeit haben muss, sich an diesem Platz zu trauen“. Das große Fest im eigenen Garten wird so zwar schwierig. Bundesweit sind mittlerweile aber sogar Leuchttürme, Räume in Fußballstadien oder Zimmer auf der Zugspitze gewidmet. Und eben auch der Gipfel des Arnsbergs. „Wir sind beide Schnee- und Skifreunde, lieben die Rhön und die Natur“, sagt Matthias Adrian, der zusammen mit seiner Frau die Arnsberglifte betreibt. Da im Winter auf dem 843 Meter hohen Berg zu heiraten, klingt logisch. Aber kalt. Das war es auch, erinnert sich Adrian. Kalt und weiß, „der Schnee hat am Ende gut gereicht“. Die rund 50 Gäste standen auf Ski und Snowboards um das Paar, der Bürgermeister der Stadt Bischofsheim vollzog die Trauung, ebenfalls im Schneeanzug. Was reizt daran? „Aus unserer Sicht ist es der Drang zur Individualität“, sagt Volker Hilpert. Das Ja-Sagen soll außergewöhnlich sein und eben nicht mehr traditionell. So ist der Arnsberg längst nicht der einzige ungewöhnliche Trauort in Unterfranken. Im Norden der Region beliebt sind laut Gabriele Münch vom Standesamt Bad Neustadt zum Beispiel die Ruine der Osterburg bei Bischofsheim oder das Fürstenzimmer des Klosters Kreuzberg. Dort gäben sich pro Jahr gut 25 bis 30 Paare das Ja-Wort. Und natürlich kann man im Weinland Franken auch mit Blick auf Rebstöcke heiraten. So hat etwa die Gemeinde Strahlungen oberhalb eines Weinberges, der früher das Kloster Maria Bildhausen belieferte, einen Trauplatz geschaffen. Im Landkreis Kitzingen kann man die Ringe beispielsweise in der Schutzhütte auf der Herz-Jesu-Höhe in den Weinbergen über Dettelbach tauschen oder am Fuße des Schwanbergs bei Rödelsee.  Oder auf Fähren. Das geht nach Angaben des Landratsamtes Kitzingen derzeit in Fahr, Nordheim und Albertshofen/Mainstockheim. Und ganz neu auch auf der Ochsenfurter „Nixe“. An Bord der Altstadtfähre fand vergangenes Wochenende zum ersten Mal eine standesamtliche Trauung statt, seit Mai ist das laut einem Stadtratsbeschluss möglich. Auch wer lieber in historischen Gemäuern Ja sagt, findet in ganz Unterfranken passende Kulissen. Vom Lohrer „Schneewittchenschloss“ über die Scherenburgruine Gemünden (beide Lkr. Main-Spessart), Schloss Saaleck in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) oder die Burgruine Altenstein (Lkr. Haßberge) bis zum Wasserschloss Unsleben (Lkr. Rhön-Grabfeld). Zahlreiche Gemeinden machen den Trend mit. Ganz so einfach wie im Standesamt läuft die Eheschließung an manchen exklusiven Orten aber nicht. „Bei Flugzeugen oder Schiffen besteht die Gefahr, dass man beim Ja-Wort nicht mehr auf Gemeindegebiet ist und dann wird es schwierig“, sagt Volker Hilpert. Auf dem Main etwa gilt daher die Vorschrift, dass die Fähre während der Zeremonie nicht fahren darf. Schließlich soll in der Heiratsurkunde ein eindeutiger Ort stehen. Zudem werden die Wege für die Standesbeamten teilweise länger und die Zeremonie damit teurer: Bei Osterburg, Kreuzberg oder dem Arnsberg fallen laut Standesamt allein 76 Euro Anfahrtskosten an.  Auch logistisch könnte die Lust an außergewöhnlichen Hochzeitsorten Probleme schaffen. Bei mehreren Trauungen an einem Tag kämen Standesbeamte etwa in Würzburg leicht ins Schwitzen. In der Stadt gibt es bisher allerdings nur zwei gewidmete Säle, in denen Paare die Ehe standesamtlich schließen können: den Trausaal und den Wenzelsaal. „Alles andere, ob draußen, auf der Festung oder in der Residenz, ist nach derzeitigem Stand hier nicht möglich“, sagt Stadtsprecher Georg Wagenbrenner. Grundsätzlich aber wird die standesamtliche Hochzeit immer wichtiger, auch in Würzburg. „Deshalb gibt es Überlegungen, den Efeuhof des Rathauses zu überdachen und in dem neuen Raum entweder Hochzeitsfeiern abzuhalten oder ihn für Trauungen zu widmen.“ Über die Rathausgrenze hinaus wolle man jedoch nicht gehen, denn „nicht alles was im Fernsehen suggeriert wird, ist in der Realität auch möglich“. Trotzdem sind Trauungen außerhalb der Standesämter beliebter denn je. Statt biederen Behördencharme wünschen sich viele Paare Romantik, ein bisschen Exotik, ein bisschen Abenteuer. Eben ein bisschen so wie Madeleine und Matthias Adrian. Nach deren Zeremonie auf dem Arnsberg fuhren damals Freunde und Bekannte gemeinsam auf Skiern und Snowboards ins Tal. Durch den Schnee mit brennenden Fackeln. Und mit einem strahlenden Hochzeitspaar. „Wir würden es immer wieder so machen.“
Foto: B. Kohlhepp | Die Gäste kamen mit dem Sessellift. Das Brautpaar per Pistenraupe, auf die das alte Sofa der Oma montiert wurde. Schneeanzüge ersetzten Brautkleid und Smoking, Tannengrün den Blumenschmuck.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 11.11.2021 14:38 Uhr

Was würdevoll ist, muss jede Kommune selbst entscheiden.

„Rechtlich gilt der Grundsatz, dass eine Eheschließung in würdevollem Ambiente durchgeführt werden muss“, sagt Volker Hilpert, Studienleiter der Akademie für Personenstandswesen beim Bundesverband der Deutschen Standesbeamten. „Wenn man Angst haben muss, das Regen oder Wind die Unterlagen des Standesbeamten zerstören, ist das nach unserer Auffassung nicht würdevoll.“ Das wäre das Aus für alle Hochzeiten unter freiem Himmel. Ist es aber nicht: Was ein würdevoller Ort sei, könne jede Kommune selbst entscheiden, sagt Hilpert. Ein Stadtrats- oder Gemeinderatsbeschluss muss Orte außerhalb der Standesämter dann widmen. Vorgeschrieben ist laut dem Experten auch, dass „jedes Paar die Möglichkeit haben muss, sich an diesem Platz zu trauen“. Das große Fest im eigenen Garten wird so zwar schwierig. Bundesweit sind mittlerweile aber sogar Leuchttürme, Räume in Fußballstadien oder Zimmer auf der Zugspitze gewidmet. Und eben auch der Gipfel des Arnsbergs.

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