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WÜRZBURG
Meinungsfreiheit: Die Angst vor der rechten Ecke
Stop Political Correctness       -  Stopschild 'Political Correctness'
Foto: (89281417) | Stopschild "Political Correctness"
Michael Reinhard
Michael Reinhard
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:15 Uhr

Hat Jörg Baberowski, Professor für Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität, etwa recht, wenn er behauptet: „In Deutschland werden abweichende Meinungen nicht mehr toleriert. Wir leben in einer Meinungsdiktatur.“ Schuld an dieser Entwicklung soll nach Ansicht der Kritiker vor allem die sogenannte politische Korrektheit (auch Political Correctness genannt) sein.

Laut „Neue Züricher Zeitung“ lähme sie die liberale Gesellschaft. Der Duden beschreibt die erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts aus den USA nach Deutschland geschwappte Bewegung wie folgt: „Einstellung, die alle Ausdrucksweisen und Handlungen ablehnt, durch die jemand aufgrund seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, seiner körperlichen oder geistigen Behinderung oder sexuellen Neigung diskriminiert wird.“ In der Annahme, dass Sprache, Denken und Handeln in enger Verbindung zueinander stehen, landeten zahlreiche Wörter auf dem Sprachmüll. Alternativ wurden Ausdrücke vorgeschlagen, die feinfühliger und nicht verletzend seien. Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden. Doch es gibt viele Unsicherheiten und Fallstricke – und reichlich Unsinn.

Vom Toilettenmann zum Facilitymanager

Dass „Nigger“ beleidigend ist, wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln. Ebenso „Neger“. Deshalb galt lange Zeit „Schwarzer“ als korrekte Bezeichnung. Darauf folgte „Farbiger“. Mittlerweile sollte in den Vereinigten Staaten jemand mit dunkler Hautfarbe als Afro-Amerikaner bezeichnet werden, um ihn nicht zu diskriminieren. Warum allerdings Afro-Amerikaner politisch unproblematischer sein soll als Schwarzer oder Farbiger, erschließt sich nicht auf Anhieb. Fraglich ist auch, ob einer Putzfrau wirklich damit gedient ist, sie als Raumpflegerin schönzureden – oder einem Toilettenmann, wenn man ihn verbal zum Facilitymanager aufwertet.

Bizarr mutet auch der aktuelle „Bathroom-Krieg“ in den USA an. Er dreht sich vor allem um die Frage: Auf welche Toilette dürfen Transgender gehen? Der Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit fragt verwundert: „Wie soll man die Türen kennzeichnen, ohne Gruppen oder Einzelne zu diskriminieren, wenn Plattformen wie Facebook mehr als 50 Möglichkeiten anbieten, das eigene Geschlecht zu bezeichnen?“ Um dem wirklich gerecht zu werden, müsse jede Gemeinde in allen öffentlichen Gebäuden mehr als 50 Toiletten bauen. „Gebäude, in denen Geschlechtergerechtigkeit herrscht, bestünden demnächst künftig nur aus Klos. Soll das eine Lösung sein?“

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