
Kann die nun eingeführte flexible Form von G8/G9 funktionieren?
Kraus: Die Parallelität beider Varianten wird es nur an sehr großen Schulen in einer dichten Gymnasiallandschaft geben. Es werden sich, das ist meine Prognose, nicht mehr als zehn bis 15 Prozent der Eltern für das G8 entscheiden. Was mir an der neuen Konzeption des G9 nicht gefällt: Es scheint ein G8 light zu werden. Ich hätte mir gewünscht, dass wieder mehr Stunden und Inhalte in den Lehrplan gepackt werden. Es kommt aber nicht viel mehr dazu.
Die Idee bei der Einführung des G8 war auch, Abiturienten früher der Wirtschaft zuzuführen. Sie selbst kritisieren eine utilitaristische Bildung, die vorrangig nach dem wirtschaftlichen Nutzen fragt…
Kraus: Ich meine, dass eine breite Allgemeinbildung für die Persönlichkeitsbildung wichtig ist. Und diese sollte möglichst bis in die Abiturklassen hinaufstattfinden. Schüler sollen auch konkretes Wissen mitnehmen. Ich beobachte zum Beispiel einen historischen Analphabetismus. Viele junge Leute können heute mit Daten wie dem 13. August 1961, dem Beginn des Mauerbaus, oder dem 17. Juni 1953, dem Aufstand in der DDR, nichts mehr anfangen.