
Kraus: Hier ist die Schulpolitik verantwortlich, weil sie gefällig sein will. Denken Sie an all das Gerede: Schule darf nicht anstrengend sein, nicht stressig, muss Spaß machen, soll Lebensraum sein… Beispiel phonetische Schreibweise, das Schreiben nach Gehör: Das war eine Marotte von ein paar Ober-Pädagogen, weil es angeblich kindgemäß sei. Aber vom Falschen später umzulernen auf das Richtige, ist deutlich schwerer, als gleich von Anfang an das Richtige zu lernen. Die Politik trifft eine Mitschuld. Sie will auch gerne modern sein, statt zu sagen: Schule darf und muss auch anstrengend sein.
Nun sagen viele, das Gymnasium sei durch die Verkürzung auf acht Jahre anstrengender geworden. Sie selbst waren damals ein Gegner der Einführung. Sie müssten sich doch jetzt über die Rückkehr zum G9 freuen, oder?
Kraus: Das Schimpfen auf das G8 wegen einer Überforderung war in den ersten Jahren berechtigt. Die Stundentafel war voluminöser, es gab viel mehr Nachmittagsunterricht. Im Lauf der Nuller-Jahre wurde hier bis 2009 aber dramatisch abgebaut und inhaltlich abgespeckt. Die Anforderungen wurden gesenkt, das Gejammer aber ist geblieben. Und G8-Abiturienten sind ein Jahr weniger reif.