Sichtbar als leuchtender Streifen wird sie an diesem Donnerstag an der russischen Südgrenze zu China in den Himmel steigen: eine Sojuz-Fregat-Trägerrakete, die sich vom Kosmodrom Wostotschny auf den Weg macht. Mit an Bord hat sie UWE-4, den vierten „Universität Würzburg Experimentalsatelliten“. Es ist ein weiterer großer Schritt in der erfolgreichen Entwicklung der Würzburger Luft- und Raumfahrtforschung. Die Beteiligten hoffen, dass alles klappt.
Erst im Oktober hatte das Zentrum für Telematik um Raumfahrt-Professor Klaus Schilling für ein Projekt einen mit 14 Millionen Euro dotierten europäischen Forschungspreis erhalten. Bei der Entwicklung von Kleinstsatelliten zählt die Würzburger Uni zur Forschungsspitze. Hier wurde 2005 deutschlandweit der erste Mini-Satellit mit dem Namen „UWE-1“gebaut und ins All befördert. Er hat mittlerweile einen Platz im Deutschen Museum gefunden.
Vorgänger-Satellit wird nach fünf Jahren abgelöst
Seit 2013 kreist bereits „UWE-3“ im Orbit– ein Würfel mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, ein Kilogramm leicht. Die Grundlagenforschung dazu erfolgte am Lehrstuhl für Informatik VII (Robotik und Telematik), am Zentrum für Telematik wurden die Anwendungen entwickelt.
UWE-4 entwickelt innovative Technologien weiter, um die Raumfahrt kleiner, kostengünstiger und effizienter zu machen, heißt es von der Uni-Pressestelle. Dabei würden die Defizite der Miniaturisierung durch fortgeschrittene Software ausgeglichen, um robust in den widrigen Umgebungsbedingungen des Weltraums zu überleben.
Erstmals Elektro-Antrieb in kleinster Satellitenklasse
In etwa 585 Kilometern Höhe soll UWE-4 ausgesetzt werden. Mit an Bord der Sojuz-Rakete sind russische und israelische Erdbeobachtungssatelliten sowie zwölf Nano-Satelliten der US-Firma Planet. Aufgrund der recht niedrigen Umlaufbahn umkreist UWE-4 etwa 16-mal am Tag die Erde. Wenn er über die Bodenstation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) fliegt, kann er für maximal zwölf Minuten Kontakt aufnehmen und seine angesammelten Daten übertragen. In der Zwischenzeit führt er seine Aufgaben selbständig aus.
Eine Premiere: UWE-4 nutzt Elektroantriebe, um damit die eigene Umlaufbahn zu kontrollieren. Bisher konnte nur die Ausrichtung gezielt verändert werden. „Insofern ist dies ein neuer Meilenstein für die Welt der Kleinstsatelliten, der hier gemeinsam mit den Partnern von der Technischen Universität Dresden realisiert wurde“, sagt Professor Klaus Schilling, Ordinarius am Informatik-Lehrstuhl „Robotik und Telematik“ an der JMU.
UWE-4 maßgeblich von Studenten entwickelt
UWE-4 wurde unter Federführung von Dr. Philip Bangert und Alexander Kramer, die als Doktoranden in der Informatik tätig waren, und zahlreicher Studenten realisiert. Sie konnten so mit ihren Beiträgen während des Studiums praktische Erfahrung in einem Weltraumprojekt sammeln, was von späteren Arbeitgebern in der Raumfahrtindustrie und an Forschungsinstituten geschätzt wird.
Der neue Satellit ist mit vier Triebwerken ausgestattet, die jeweils nur 0,25 Gramm Treibstoff zur Verfügung haben. Durch diesen effizienten Elektroantrieb kann er über ein Jahr Störungen seiner Umlaufbahn korrigieren. Nach Ende seiner Mission wird er gezielt auf einen Absturzorbit gebracht und kann damit seine Verweildauer im All um mehrere Jahre verringern. Finanziell gefördert wurde UWE-4 vom Bundeswirtschaftsministerium und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Steuerung von Würzburg aus
Das neue Modell wurde um eine Hochgeschwindigkeits-Kommunikationsleitung erweitert, um große Datenmengen schnell übertragen zu können. Die Datenspeicherkapazität wurde gegenüber UWE-3 mehr als verzehnfacht. Es wurden dafür ausschließlich Teile genutzt, die frei zugänglich in Elektronik- und Technikfachgeschäften gekauft werden können.
Bangert und Kramer sind selbst ins Kosmodrom nach Wostotschny gereist, um dort die letzten Vorbereitungen vor dem Start durchzuführen. Mit einer in Würzburg ebenfalls neu entwickelten Kommunikationstechnologie sind alle in der Mission beteiligten Hardware-Komponenten in einem globalen Netzwerk verbunden. So haben die Mitarbeiter selbst im tausende Kilometer entfernten Wostotschny Zugriff auf die Infrastruktur in Würzburg, insbesondere auch auf das Satelliten-Testmodell, an dem weiter Updates und andere Eingriffe simuliert werden können.
An weiteren Satelliten wird bereits gearbeitet
Die Nachfolgemissionen werden bereits intensiv vorbereitet: Während die JMU sich auf die Grundlagenforschung bei einzelnen Pico-Satelliten konzentriert, setzt das „Zentrum für Telematik“ Schwerpunkte bei kooperierenden Satelliten und wissenschaftlichen Anwendungen. Es wird hier aktuell an Satellitenformationen für die Verbesserung von Klimavorhersagen gearbeitet.