
Gut die Hälfte der Mandanten der Würzburger Kanzlei Rosengarth sind von der Corona-Pandemie betroffen. Sie kommen aus den Bereichen Fertigung, Handel, Handwerk, Logistik, Dienstleistung und Gastronomie. Außerdem sind darunter viele Künstler, Musiker und Solo-Selbständige. Madlen Rosengarth (43) ist Rechtsanwältin und Steuerberaterin. Sie betreut die Mandanten beim Thema Kurzarbeit und bei den diversen Corona-Hilfeprogrammen. Und kämpft dabei mit vielen Unwägbarkeiten.
Madlen Rosengarth: Gut gemeint, aber unübersichtlich, kompliziert und zu spät. Es dauert bei jedem neuen Förderprogramm immer sehr lange, bis das Antragsverfahren feststeht. Die Mandanten haben den Bedarf schon seit Wochen, konnten aber noch keinen Antrag stellen. Die Überbrückungshilfe III zum Beispiel betrifft alle Unternehmen, die zum 16. Dezember 2020 schließen mussten, also vor allem den Einzelhandel und den Dienstleistungsbereich. Die können im Moment noch keine Anträge stellen, auch nicht um die angekündigten Abschlagszahlungen zu erhalten. Diese Situation finde ich sehr unbefriedigend: Dass man die Mandanten immer wieder vertrösten muss.

Rosengarth: Die Politik kündigt Milliardenhilfen an, die zügig fließen sollen und wirbt mit vereinfachten Antragsverfahren. Was die Betroffenen aber erleben und fühlen ist, dass es mitnichten einfach ist. Ein Problem ist, dass bei der November- und der Dezemberhilfe und noch schlimmer bei der Überbrückungshilfe bestimmte Umsatzangaben in den Anträgen erfragt werden, die aber zum Zeitpunkt der Antragstellung teilweise noch nicht bekannt sind. Also gibt man Prognosen ab, die man dann aber später im Antragsverfahren meist nicht mehr korrigieren kann. Zum beantragten Kurzarbeitergeld mussten bei der November- und Dezemberhilfe für den laufenden Monat Angaben gemacht werden, aber auch das sind Größen, die Sie in der Regel erst nach Ablauf des Monats kennen.
Rosengarth: Bei der Überbrückungshilfe wurden und werden Fixkosten anteilig erstattet. In der Vergangenheit eher ein Tropfen auf den heißen Stein, denn viele Solo-Selbständige, Grafiker und Künstler etwa, haben kaum Fixkosten. Die müssen aber trotzdem Versicherungen und Krankenkasse zahlen. Dann kam ein großer Umbruch mit der November- und Dezemberhilfe: Auf einmal hieß es, wir erstatten 75 Prozent der Umsätze des Vorjahresmonats. Dadurch haben Sie einen völlig anderen Anknüpfungspunkt und in meinem Augen auch einen Systembruch in den Corona-Hilfen. Denn natürlich ist ein Ausgleich für entgangenen Umsatz, wenn man ihn denn bekommen kann, etwas ganz anderes, als lediglich Anteile an Fixkosten zu erhalten. Wie wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht, wenn man so will.
Rosengarth: Das System müsste drastisch vereinfacht werden. Das Problem ist, dass die Hilfen ineinander greifen beziehungsweise aufeinander angerechnet werden müssen. Das führt natürlich zu Verunsicherung und erheblichem Aufwand für die Anträge. Kleinere Betriebe, wie wir viele im Mandantenkreis haben, blicken einfach nicht mehr durch. Eine Mandantin hätte die Novemberhilfe bis 5000 Euro selbst beantragen können, weil sie solo-selbständig ist, kam aber mit dem Antrag nicht klar. Sie hat ihn dann von uns erstellen lassen.
Rosengarth: So ist es. Das ist ein weiterer Punkt: Wenn nur relativ kleine Erstattungen zu erwarten sind, müssen wir uns überlegen, ob sich der Antrag lohnt. Wenn es bei einem Betrieb aber um 10 000 oder 20 000 Euro geht, ist das etwas ganz anderes. Für uns macht es beim zeitlichen Aufwand im Prinzip keinen Unterschied, ob wir einen Antrag für 100 oder für 10 000 Euro stellen.
Rosengarth: Überbrückungshilfe III ist auch für die Unternehmen gedacht, die in der November- und Dezemberhilfe nicht berücksichtigt wurden. Insbesondere Einzelhandelsgeschäfte, der Dienstleistungsbereich – etwa Friseure. Die sind bis jetzt durchs Raster gefallen. Jetzt erhalten sie Hilfen, aber nur anteilig als Zuschuss zu den Fixkosten – je nach Umsatzrückgang – von 40 bis 90 Prozent. Immerhin werden jetzt auch anteilige Abschreibungen berücksichtigt, das war zuvor nicht der Fall. Sie bekommen also eine Entlastung bei den monatlichen Aufwendungen, davon können sie aber leider immer noch nicht so banale Dinge wie die Miete für ihre Wohnung oder ihre Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Sind die Rücklagen aufgebraucht, wird die Luft schnell dünn. Für Solo-Selbständige soll es für den Zeitraum Dezember 2020 bis Juni 2021 eine "Neustarthilfe" geben, die 25 Prozent des Vergleichsumsatzes im Jahr 2019 beträgt, jedoch maximal 5000 Euro. Kurzarbeitergeld gibt es auf Antrag weiterhin, wird aber auch in der Regel vom Arbeitgeber vorfinanziert. Auch das kann nicht mehr jeder Unternehmer leisten.
Rosengarth: Ja. Mit Ausnahme der "Neustarthilfe" für Solo-Selbständige gibt es sie nur für November und Dezember. Und diese Hilfen bekommen auch nur die Unternehmen, die schon im November schließen mussten, also vor allem Hotels und Gaststätten. Alle, die erst zum 16. Dezember geschlossen haben, bekommen sie nicht – leider. Und da sehe ich eine Ungleichbehandlung. Ich bin ja auch Rechtsanwältin. Sie können nicht einem Unternehmen sagen, du hast Glück, du musstest schon im November schließen, du bekommst jetzt eine umsatzbasierte Hilfe. Und du bist ein Einzelhandelsgeschäft, tut mir leid, du musstest erst am 16. Dezember schließen, du kriegst nur einen Fixkosten-Zuschuss. Das muss man den Unternehmen erstmal vermitteln.
Rosengarth: Ja. Diese Art Hilfe wird, soweit mir jetzt bekannt ist, nicht mehr fortgeführt. Das ist wohl fiskalisch begründet – das kann der Staat einfach nicht durchhalten. Denn dann müsste er allen, die von Schließungen betroffen sind, diese Hilfe zugänglich machen, und das würde das nötige Finanzvolumen potenzieren.
Rosengarth: Ja. Das merke ich ganz extrem bei Unternehmen, die sich bisher für keine der Hilfen qualifiziert haben. Bei denen wird die Luft langsam richtig dünn. Ein Beispiel: Eine Mandantin hat in der Innenstadt einen kleinen Gastronomiebetrieb, nur für Speisen zum Mitnehmen. Die ist von der Schließung nicht direkt betroffen, sie kann weiter geöffnet haben. Aber in der Stadt ist eben besonders seit den Schließungen zum 16. Dezember nichts los und sie ist auf Laufkundschaft angewiesen. Noch lag der Umsatzrückgang knapp unter der geforderten Größe für die Überbrückungshilfe II, vielleicht kommt sie nun mit der Überbrückungshilfe III zum Zuge. Aber eigentlich kann sie ihren Laden zumachen, denn leben kann sie von diesen Einnahmen nicht mehr.