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Würzburg
Würzburger Personalexperte: So sieht der Arbeitsalltag nach Corona aus
Corona hat den Arbeitsalltag verändert. Wie das weitergehen könnte, erklärt Personalexperte Simon Klingenmaier aus Würzburg. Eines ist sicher: Viele Menschen müssen sich umgewöhnen.
Homeoffice wird teilweise bleiben, feste Büro-Arbeitsplätze werden schwinden: Der Würzburger Personalexperte Simon Klingenmaier hat sich Gedanken gemacht, wie der Arbeitsalltag nach Corona wohl aussehen wird.
Foto: Thomas Obermeier | Homeoffice wird teilweise bleiben, feste Büro-Arbeitsplätze werden schwinden: Der Würzburger Personalexperte Simon Klingenmaier hat sich Gedanken gemacht, wie der Arbeitsalltag nach Corona wohl aussehen wird.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:13 Uhr

Feste Arbeitszeit, eigener Schreibtisch im Büro, alltägliche Rhythmen im Job – derlei Gewohnheiten lösen sich auf. Ein Mix an Arbeitsweisen ist entstanden, die Althergebrachtes verdrängen. Die Corona-Pandemie hat das beschleunigt, Stichwort: Homeoffice. Das stellt Personalverantwortliche und Belegschaften gleichermaßen vor neue Herausforderungen. Bleibt im Kern die Frage: Wie sieht die Arbeit von morgen aus?

Dieser Aspekt steht im Vordergrund der Würzburger Konferenz HRxplore am Donnerstag, 21. Oktober. Simon Klingenmaier (45) vom IT-Unternehmen ISO in Würzburg ist Mitinitiator dieser Runde, bei der es vor allem um die Frage geht, wie der Einsatz von Human Resources (HR), also Personal, gerade in Folge von Corona neu gedacht werden muss – und das in Zeiten eines eklatanten Fachkräftemangels.

Kind, Haushalt, private Pflichten plus Job: Homeoffice ist nicht zwangsläufig ein Zuckerschlecken, doch im Zuge von Corona populär geworden. Personalverantwortliche in Unternehmen sind gefordert, wie sie die Belegschaft nach der Pandemie einsetzen.
Foto: Julian Stratenschulte, dpa | Kind, Haushalt, private Pflichten plus Job: Homeoffice ist nicht zwangsläufig ein Zuckerschlecken, doch im Zuge von Corona populär geworden.
Frage: Homeoffice, Präsenz in der Firma oder Mischformen: Was kristallisiert sich in Mainfranken für die Zeit nach Corona heraus?

Simon Klingenmaier: Was ich von vielen höre, ist, dass sie die Flexibilität sowie die Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem für ihre Belegschaften bewahren wollen. Aber es wird auch Wert gelegt auf gemeinsames Arbeiten in einem Büro.

Es läuft also auf Mischformen hinaus?

Klingenmaier: Statistisch belegen kann ich es nicht. Aber aus vielen Unternehmen höre ich: Zwei Tage Homeoffice pro Woche ist das Zugeständnis.

Ändern Unternehmen dann auch ihr Arbeitsplatzmanagement? Soll heißen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben keinen eigenen Schreibtisch mehr, sondern suchen sich tageweise im Firmenbüro irgendeinen Arbeitsplatz aus.

Klingenmaier: Die Mehrheit der Unternehmen ist dabei, das zu überdenken. Natürlich kann jetzt nicht jedes Büro auf links gedreht werden. Bei einem solchen Kulturwandel müssen die Mitarbeiter mitgenommen werden, das passt nicht zu jeder Firma. Ich kenne aber Häuser zum Beispiel in Würzburg, die schon Konzepte haben, wonach komplette Bürostrukturen und Arbeitsplatzzuordnungen aufgelöst werden.

"Die Unternehmen tun sich da teilweise schwer."
Personalexperte Simon Klingenmaier über flexiblere Arbeitszeitmodelle
Sich während der Arbeit mal schnell ums Kind kümmern oder den Rasen mähen oder das Mittagessen kochen: Homeoffice hat in jüngster Zeit auch den Umgang mit der Arbeitszeit in den Vordergrund gerückt. Arbeit strikt von 9 bis 17 Uhr war gestern. Sind die sprichwörtlichen Stechuhren für immer verschwunden?

Klingenmaier: Nach den vergangenen eineinhalb Jahren besteht dieser Wunsch auf jeden Fall seitens der Arbeitnehmer. Die Unternehmen tun sich da aber teilweise schwer. Denn es werden viele Sachen grundsätzlich in Frage gestellt: Zeiterfassung ja oder nein? Wer hat Anrecht auf Zeiterfassung? Denn es gibt ja Unternehmensbereiche, da muss zu bestimmten Zeiten Service erbracht werden. Da kann man zu den Mitarbeitern nicht sagen: Kommt, wann ihr wollt. Unterm Strich löst sich ein bisschen was auf, sodass es Kernarbeitszeit und Gleitzeit geben wird.

Mehr Homeoffice hat in den vergangenen Monaten in Belegschaften mitunter zu mehr Klagen über ständige Erreichbarkeit per Mail oder Smartphone geführt. Müssen hier klarere Regeln in Unternehmen her?

Klingenmaier: Ja. Es ist auch eine Frage, was die jeweilige Führungskraft vorlebt.

Erreichbarkeit, flexibles Arbeiten, Homeoffice, Vertrauen: Sollte jemand, der sich auf eine Stelle bewirbt, explizit fragen, wie im Unternehmen damit umgegangen wird?

Klingenmaier: Auf jeden Fall. Die Leute fragen in der Tat in den vergangenen eineinhalb Jahren vermehrt nach diesen Rahmenbedingungen. Dabei muss man beachten, dass es ganz viele Menschen gibt, für die sich diese Fragen nicht stellen: Arbeit im Lager oder an der Kasse, Schichtarbeit.

Bei all diesen Veränderungen: Wie suchen Personalverantwortliche heutzutage passende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Klingenmaier: Da kommt es auf die Position an, um die es geht. Für eine Vielzahl läuft die Suche natürlich online. Eines ist heute klar: Die Leute, die man sucht, die haben in der Regel einen Job. Das heißt: Sie suchen nicht, sie müssen gefunden werden.

Nennen Sie doch mal im Detail Kanäle, in denen Sie suchen würden – zum einen nach einer Führungskraft, zum anderen nach einer Fachkraft am Fließband.

Klingenmaier: Wenn ich nach Führungskräften suche, eignen sich ganz gut Xing und LinkedIn. Für Führungskräfte sind solche Online-Businessnetzwerke gängig. Die kann man dort auch direkt ansprechen. In diesen und anderen Fällen muss man aber auch anders auf sich aufmerksam machen. Das kann über irgendwelche Google Ads sein oder über Social-Media-Kampagnen bis hin zur Anzeige an der Bushaltestelle oder auf dem Lieferfahrzeug der eigenen Firma. Zusammenfassend gilt: Man muss dort sein, wo die Leute im Alltag und in der Freizeit sind.

Die Not wird für Unternehmen immer größer, geeignete Fachkräfte zu finden. Wie weit gehen Personaler da beim Anwerben? Wie energisch gehen sie vor?

Klingenmaier: Es gibt aktuell einen Verdrängungswettbewerb um Fachkräfte. Klar ist: Wenn ich Leute einstellen möchte, muss ich sie für mich gewinnen. Niemand ist Leibeigener eines Betriebes. Insofern ist es für andere Unternehmen legitim, ein Angebot zu machen. Da wird natürlich versucht, mit allem zu punkten, was möglich ist. Die Höhe des Gehalts ist da nur ein Punkt. Darüber hinaus werden alle möglichen Pakete geschnürt.

"Die Mitarbeiter, die ich nicht verliere, muss ich schon nicht nachbesetzen."
Personalexperte Simon Klingenmaier über gute Mitarbeiterpolitik in Unternehmen
Welche genau? Im Handwerk zum Beispiel bekommen neue Lehrlinge mitunter ein kleines Auto gestellt. Eigene Smartphones für die Belegschaft sind zudem längst üblich, von noblen Dienstwagen für Höherrangige ganz zu schweigen. Wie weit geht das also?

Klingenmaier: Sehr weit. Aber das hat ja alles einen Grund: Man möchte etwas Schweres in die Waagschale werfen. Es ist wie sonst auch im Leben: Wenn sich jemand bei seinem Arbeitgeber rundum wohlfühlt, sein Team und seinen Chef toll findet, wenn es mit dem Geld passt, dann ist so jemand für etwas Neues relativ immun. Es ist ja auch immer ein Risiko, zu wechseln. Das macht eigentlich niemand gerne. Es sei denn, er fühlt sich nicht wertgeschätzt. Deswegen sage ich immer zu Unternehmern: Mitarbeiterbindung ist Teil der Personalbeschaffung. Die Mitarbeiter, die ich nicht verliere, muss ich schon nicht nachbesetzen. Der Unternehmer sollte sich deshalb nicht nur darauf konzentrieren, wie er neue Leute gewinnt, sondern dass alles für seine Mitarbeiter passt. Deswegen muss er ihnen nicht alles hinterher werfen. Aber für den einen ist das Auto wichtig, für den anderen der Kindergartenplatz für seinen Nachwuchs.

Das alles im Auge zu behalten, ist für Unternehmerinnen und Unternehmer aber ein schmaler Grat, ein sensibles Unterfangen. Was hat Corona da verändert?

Klingenmaier: Gute Führung der Mitarbeiter ist die hohe Kunst. Im vergangenen Jahr hat sich da in vielen Fällen wegen Homeoffice die Spreu vom Weizen getrennt. Viele Verantwortliche waren mit der Führung aus der Distanz und auf digitalem Weg überfordert.

Führen aus der Distanz, Loslassen, Vertrauen in die Belegschaft: Wie gut sind hier Mainfrankens Führungskräfte?

Klingenmaier: Das kann man nicht irgendwie mit Zahlen belegen. In unserem HR-Netzwerk haben wir sehr viel über dieses Thema gesprochen. Deswegen kann ich sagen: Es treibt alle die Frage um, wie Führung jetzt noch funktioniert. Jetzt kommt so langsam der Regelbetrieb wieder zurück. Also müssen Homeoffice-Regelungen aufgesetzt werden. Da kommen dann gerne die juristische Abteilung und Arbeitsrechtler um die Ecke und sagen: Das können wir nicht alles so machen. Dann kommt noch die IT-Abteilung mit dem Hinweis: Denkt mal beim Homeoffice an die Datensicherheit. Bei all dem sind wir immer noch nicht beim Thema Führung.

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HRxplore und HR-Netzwerk Mainfranken

HRxplore: Der Kongress findet am 21. Oktober (8.30 bis 17 Uhr) sowohl digital als auch in Präsenz in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim bei Würzburg statt. Unter anderem spricht der Gründer des international bekannten Rockfestivals im norddeutschen Wacken, Holger Hübner, über Teamarbeit. Auch Personalchef Thomas Lurz vom mainfränkischen Modekonzern s.Oliver, Würzburgs Basketballtrainer Denis Wucherer und Christian Andersen vom Zentrum für digitale Innovation (ZDI) Mainfranken sind unter den etwa drei Dutzend Referenten. Weitere Details und Ticket-Informationen unter www.hrxplore.de.
Simon Klingenmaier (45) ist einer der Köpfe hinter dem Kongress. Der gelernte Bankkaufmann und Betriebswirt ist zudem Organisator des digitalen HR-Netzwerks Mainfranken, in dem sich gut 400 Personalexpertinnen und -experten zusammengeschlossen haben. Für Personalmanagement hat Klingenmaier einen Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS).
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