Notare, Manager, Richter und vor allem Banker: Es gibt Berufe, die haben Krawatte und Anzug ins Image zementiert. Doch seit wenigen Jahren ändert sich das. In der aus Tradition konservativen Bankenbranche freilich wirft der Trend zur legeren Kleidung langsame Wellen.
Aber immerhin sind es Wellen: Die Sparkasse Mainfranken in Würzburg als eine der größten ihrer Art in Bayern hat jetzt einen Anstoß gemacht. In anderen Häusern indes bleibt man reserviert.
15 Nachwuchskräfte tüftelten das Neue aus
„Die Krawatte ist ab“: Mit diesen Worten beschreibt Sparkassen-Sprecher Stefan Hebig die Tatsache, dass das Geldinstitut seit neuestem seinen 1600 Mitarbeitern eine freizügigere Kleiderordnung einräumt. Ein Team aus 15 Nachwuchskräften hatte ein halbes Jahr lang an dem Thema gearbeitet, bevor im Juni der Vorstand der Sparkasse den Beschluss fasste. Er gilt für alle 108 Geschäftsstellen zwischen Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart.
Expertin: „Ein Trend, der einsetzt“
„Wir stellen uns zugänglicher auf“, beschreibt Sprecher Hebig, wie die Sparkasse künftig bei ihren Kunden ankommen will. In der Branche „ist das überfällig“, meint Bankenexperte Harald Bolsinger von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Das Abrücken von Anzug und Krawatte sei als Respekt gegenüber dem Kunden anzusehen. „Das ist ein Trend, der einsetzt.“ Vorreiter bei den Sparkassen war in dieser Hinsicht vor zwei Jahren die in Hamburg gewesen – was gleich für bundesweite Schlagzeilen sorgte.
Einheitliche Anstecker, einheitliche Einstecktücher oder Schuhe in einheitlicher Farbe – das ist nach Bosingers Ansicht heutzutage besser fürs Bankenimage als eine starre Kleiderordnung. In dieser Hinsicht lockerer zu werden, damit hätten allerdings einige angestammte Adressen noch Probleme.
Wie das eine konservative Bank sieht
Dazu zählt die konservative Castell-Bank. Abschied von Krawatte und Anzug: „Kein Thema – das haben wir nicht vor“, ist die klare Ansage vom Vorstandsvorsitzenden Sebastian Klein in Würzburg. Sein Haus bekenne sich auch bei der Kleidung der Mitarbeiter zur traditionell zurückhaltenden Gangart.
Einen ganz anderen Weg geht die Sparkasse in Nürnberg. Was die Würzburger jetzt anfangen, kennen die Mittelfranken schon seit Anfang 2017 als eine der Ersten in der bayerischen Sparkassenlandschaft. Die als Business Casual bezeichnete leger-elegante Kleidung der 1700 Angestellten komme an, sagte Sprecherin Tina Koller gegenüber dieser Redaktion. Eine Umfrage habe gezeigt, dass sich über 90 Prozent der Belegschaft mit der gelockerten Kleiderordnung wohlfühlen. Auch viele Kunden hätten positiv reagiert.
Schweinfurt: „Haben andere Sorgen“
Indes ist der Trend zum offenen Hemd bei den Herren und dem nicht mehr so steifen Hosenanzug bei den Damen offenbar nicht in allen Sparkassen angekommen. Es gebe bei der Kleiderordnung „noch keine neue Weisung“, war aus Schweinfurt zu hören. „Wir haben im Moment andere Sorgen“, denn: Erst im Januar fusionierte die Sparkasse Schweinfurt mit der Sparkasse Ostunterfranken– ein Vorgang mit viel Arbeit im Nachhinein.
Dass sich Schweinfurt (noch) nicht mit Business Casual beschäftigt, hat auch einen anderen Grund: Alle Sparkassen in Bayern seien selbstständig und regelten deshalb so etwas wie die Kleiderordnung auf eigene Weise, schildert Sprecherin Eva Mang vom Sparkassenverband Bayern. Dennoch „ist das Thema bei allen auf der Agenda, alle reden drüber“.
Das ist offenbar auch bei manchen Volks- und Raiffeisenbanken in Mainfranken so. Es werde hier und da über die Kleiderordnung diskutiert, aber ohne gemeinsame Strategie und ohne Direktive von oben, sagte Regionaldirektor Roland Streng vom Genossenschaftsverband Bayern. Jede Bank reagiere da eigenständig, das Thema sei klein.
Das ist in anderen Kreisen nicht so. Daimler-Chef Dieter Zetsche etwa trat Anfang 2016 bei der Jahreskonferenz des Konzerns überraschend ohne Binder auf.
Manager sind schon lange locker drauf
Und aus den USA kennt man ein solches Bild sowieso: Der einstige Apple-Chef Steve Jobs machte sich mit Rollkragenpullis zur Stil-Ikone, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg kennt man nur im grauen T-Shirt.
Experten gehen davon aus, dass das lockere Äußere von Managern etablierter Unternehmen ein Signal ist: Sie wollen sich geben wie die lässigen Macher von Start-ups. So war das offenbar auch bei der US-Großbank JPMorgan vor zwei Jahren, die ihre neue Kleiderordnung von den als Fintech bezeichneten Online-Finanzdienstleistern in Kalifornien abgeschaut habe, wie das Schweizer Fachportal finews schreibt.
„Auf Augenhöhe mit den Kunden“
Bei der Sparkasse Mainfranken geht der Blick indes mehr zu den Kunden: Mit der neuen Kleiderordnung wolle man ihnen „auf Augenhöhe begegnen“, erklärt Sprecher Hebig. Schließlich habe sich das Berufsbild von Sparkassen-Mitarbeitern in den vergangenen Jahren gewandelt, geblieben sei aber ihr Erscheinungsbild. Mit dem neuen Stil wolle man sich „wandlungsfähig und flexibel“ zeigen.
Das gilt nach Hebigs Worten auch in der Chefetage: Der für seine sparkassenroten Krawatten bekannte Vorstand um Chef Bernd Fröhlich gehe nun „mit gutem Beispiel voran und nutzt, je nach individuellem Anlass, die Bandbreite der neuen Möglichkeiten“.
Sparkasse: Was jetzt geht
Welche das sind, zeigt ein „Kleidungswegweiser“. Ihn finden die Mitarbeiter im hauseigenen Computernetzwerk. Zu sehen ist in dem Leitfaden unter anderem ein professionell gemachtes Foto mit Angestellten im neuen Outfit. Demnach sind bei Männern Jeans, offenes Hemd, Pullover und normale Schnürschuhe erlaubt, bei Frauen Bolero, Schluppenbluse und Bleistiftrock. Was heißt: In Jogging-Hose und Badeschlappen wird in der Sparkasse auch in Zukunft niemand einen Kredit geben.