Tourismus in Deutschland ist nach wie vor angesagt. 447,3 Millionen Übernachtungen gab es 2016 zu verzeichnen – ein Rekord. Und auch in Franken gab es im letzten Jahr so viele Übernachtungen wie noch nie. Ein Gespräch mit Claudia Gilles, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Tourismusverbandes (DTV), übers Verreisen, über Nachhaltigkeit und gastfreundliche Bayern.
Claudia Gilles: Ich war dieses Jahr schon im Urlaub, in Zypern. Wohin wir im Herbst fahren, steht noch nicht fest. Wahrscheinlich machen wir eine Fahrradtour an Havel und Elbe. Wir handhaben das in unserer Ehe so, dass einmal mein Mann ein Ziel auswählen darf und einmal ich. Mein Mann wählt meist ein Ziel in der Sonne und ich eines, wo ich mich an der frischen Luft bewegen, radeln oder wandern kann. Für jemanden wie mich, der hauptsächlich in geschlossenen Räumen arbeitet, ist das ganz wichtig.
Gilles: Deutschland ist ein attraktives Reiseziel. Wir haben das siebte Rekordjahr in Folge. Aber: Deutschland ist seit jeher das beliebteste Reiseziel der Deutschen – das schwankt zwischen 30 und 33 Prozent aller Urlaube. Dann erst folgt mit gut 13 Prozent Spanien. Das liegt sicher nicht nur an der aktuellen politischen Lage, sondern ist eine langfristige, kontinuierliche Entwicklung.
Allerdings hat sich die Wahl des Reiseziels im Mittelmeerraum verschoben – von der Türkei und Nordafrika weg hin nach Spanien und Griechenland. Natürlich können Anschläge oder krisenhafte Situationen überall in der Welt passieren. Auch Frankreich war ja mehrmals von Anschlägen betroffen. Der Tourismus dort erholt sich aber langsam wieder.
Was bedeuten diese Verschiebungen für Touristen?
Gilles: Es wird zum Beispiel in Spanien enger – und auch teurer. Die Kapazitäten sind nicht unendlich ausdehnbar. Wer ein Wunschziel bekommen möchte, sollte daher unbedingt früh buchen.
Gilles: Bayern ist das touristische Schwergewicht in Deutschland und hat mit Abstand die meisten Übernachtungen – im letzten Jahr waren es gut 91 Millionen statistisch erfasste Übernachtungen. Dazu zählen Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben ab zehn Betten. Privatvermieter sind da also noch gar nicht dabei. Bayern ist auch deshalb ein so attraktives Reiseziel, weil es verschiedene Regionen mit ganz unterschiedlichem Charakter hat.
Und die Menschen suchen ja nicht nur eine schöne Landschaft, sondern auch eine gute Infrastruktur wie es sie in Bayern gibt. Die Gäste wollen je nach Lust und Laune mehrere Optionen haben, wollen einen Tag wandern und einen anderen Tag Kultur. Deshalb ist ein attraktives Angebot vor Ort ganz besonders wichtig. Und die Bayern sind einfach gute und herzliche Gastgeber.
Gilles: Seit vier Jahren haben wir auch hier Rekordergebnisse – im letzten Jahr haben die Übernachtungen im Vergleich zu 2015 um 3,1 Prozent zugelegt. Aus Umfragen wissen wir, dass die Menschen nicht immer das Exotische suchen, sondern auch viel Wert auf Erholung und Regionalität liegen. Das hat man in Franken sehr gut erkannt und sich vor allem den Themen Kultur, Kulinarik und Aktivitäten gewidmet. Allerdings steht die Tourismusbranche im eigenen Land immer vor der Herausforderung, die Saisonzeiten auch auf Jahreszeiten ausdehnen, wenn das Wetter nicht so gut ist – im November oder Februar etwa. Da ist immer noch etwas Luft nach oben, was eine bessere Verteilung betrifft.
Gilles: In Deutschland spielt Umweltschutz eine große Rolle. Vor allem Regionalität ist für viele Gäste wichtig. Wenn ich nach Bayern fahre, möchte ich dort keine Sylter Krabben. Und viele prüfen auch, wie umweltfreundlich ihr Hotel ist. Wird die Milch zum Beispiel in Kännchen serviert oder gibt es viele Verpackungen? Die Gäste sind viel sensibler für solche Themen geworden. Viele Betriebe versuchen daher gezielt, damit zu punkten.
Gilles: Massenziele wird es immer geben. Das hat natürlich auch was mit den Preisen in den Hotels zu tun. Nicht überall, wo viele Reisende hinfahren, ist auch die gewünschte Qualität vorzufinden.
Gilles: Niemand ärgert sich über den Studenten, der sein Zimmer für ein paar Wochen vermietet. Anders sieht es mit denjenigen aus, die daraus ein Geschäft machen. In Berlin gibt es Anbieter, die definitiv gewerblich tätig sind und 30 solcher Wohnungen vermieten. Das hat mit dem klassischen AirBnB, also dass sich ein privater Gastgeber um seine Gäste kümmert, gar nichts mehr zu tun. Die Hotellerie mit ihren hohen Sicherheitsauflagen empfindet diese Anbieter zu Recht als Konkurrenz. Denn die müssen die Auflagen nicht erfüllen. Neue Angebote können nicht verhindert werden – aber wir müssen dafür sorgen, dass gewerbliche Anbieter auch die gesetzlichen Vorschriften erfüllen.
Gilles: Ich habe noch keinen Trendforscher entdeckt, der mir das wirklich sagen konnte. Was ich allerdings glaube: Reisen wird ein Bedürfnis bleiben. Die Welt zu erkunden, raus zu kommen aus dem Alltag, Neues zu erleben – das wollen wir auch in Zukunft noch.
Zur Person
Claudia Gilles wurde am 7. Januar 1956 in Bonn geboren. Seit 1997 ist die 61-Jährige Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Tourismusverbandes (DTV). Zuvor war sie unter anderem bei der Tageszeitung „Die Welt“, in der Pressestelle des DTV und in der Unternehmenskommunikation beim Fernsehsender „Vox“ tätig. Gilles ist Mitglied im Kuratorium des Deutschen wissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Universität München und in der Trägerversammlung des Deutschen Seminars für Tourismus in Berlin.