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Würzburg
Sparkassen-Vorstand: Ein Monat Lockdown, ein Jahr Schulden
Die Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen werden Firmen noch in vielen Jahren spüren, sagt Jens Rauch, Vorstand der Sparkasse Mainfranken. Im Interview erklärt er warum.
Das Sparkasse Logo im Spiegelbild einer Pfütze. Die Corona-Krise wird die Wirtschaft noch viele Jahre beschäftigen, sagt Sparkassenvorstand Jens Rauch. 
Foto: Roland Pleier | Das Sparkasse Logo im Spiegelbild einer Pfütze. Die Corona-Krise wird die Wirtschaft noch viele Jahre beschäftigen, sagt Sparkassenvorstand Jens Rauch. 
Martin Hogger
Martin Hogger
 |  aktualisiert: 09.02.2024 10:57 Uhr

Corona beschäftigt alle - auch die Banken. Doch auf den Finanzmärkten sei die Corona-Krise nur eine Krise wie jede andere, sagt Jens Rauch. Das Vorstandsmitglied der Sparkasse Mainfranken erklärt im Gespräch, wie es der der Wirtschaft in Mainfranken geht und warum sich die Kunden keine Sorgen um einen Rückzug aus der Fläche machen müssten.

Herr Rauch, wann haben Sie gemerkt, dass die Corona-Krise in Mainfranken angekommen ist und was war ihr erster Gedanke?

Jens Rauch: Das war Anfang März. Der erste Gedanke neben der Sorge um die Mitarbeiter und der Frage um sich selbst - ich war zuvor in einem nach Rückkehr als Risikogebiet eingestuften Ort im Urlaub - war schon: Was heißt das für unsere Sparkasse und unsere Kunden? Zu diesem Zeitpunkt war die Gefechtslage jeden Tag anders. Alle sind auf Sicht gefahren. 

Und die Welt erlebte den heftigsten Einbruch der Aktienkurse seit der Finanzkrise 2008.

Rauch: Genau. Wir legen unsere Mittel ja auch am Kapitalmarkt an. Das hat uns massiv belastet, wobei solche Einschläge nichts mehr Ungewöhnliches sind. Beispiel: Im vergangenen August gab es einen massiven Zinseinbruch. Den haben zwar die wenigsten mitbekommen, aber der war für uns ähnlich schlimm wie der Schock jetzt im März.

Das klingt nicht nach einem realitätsnahen, stabilen Finanzsystem. 
Jens Rauch, Vorstandsmitglied der Sparkasse Mainfranken
Foto: Sparkasse Mainfranken | Jens Rauch, Vorstandsmitglied der Sparkasse Mainfranken

Rauch: Die Botschaft daraus ist eher, dass wir aus der Zinsniveauentwicklung heraus mittlerweile eine gewisse Übung haben, damit umzugehen.

Sie sprechen davon, dass Sie durch die niedrigen Zinsen, was nichts anderes als der Preis für das Überlassen von Geld ist, kaum mehr in Ihrem Kerngeschäft verdienen. 

Rauch: Der Häuslebauer freut sich inzwischen über einen Zinssatz, der auch mit null vorne beginnen kann. Wir als Sparkasse haben aber eine Kostenbasis, die eher bei rund 1,5 Prozent liegt. Mit einer reinen Baufinanzierung verdienen wir unsere Kosten eigentlich nicht mehr. Deshalb sind wir schon seit Jahren dabei, unser Geschäft zu verändern. Die Corona-Krise trifft uns direkt in dieser Phase. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, müssen wir auch weiter sparen.

Müsste Ihnen als Bank das aktuelle Urteil des Bundesvefassungsgerichts dann nicht gefallen haben?

Rauch: Sie meinen, dass die Europäischen Zentralbank mit ihren Anleihekäufen den Zins nicht so weit hätte drücken dürfen?

Genau.

Rauch: Ich befürchte nur, dass das Urteil wenig helfen wird. Die EZB hat Schulden von Staaten und Unternehmen aufgekauft, was dazu geführt hat, dass zu viel Geld da ist und der Preis dafür bis ins Negative ging. Sie hat dadurch einen Markt und unser Geschäftsmodell, das ja funktioniert hat, quasi außer Kraft gesetzt. Da sage ich Ihnen ganz offen: Da geht einem als Sparkassen-Vorstand manchmal schon die Galle hoch. Das ist praktisch so, als würden Sie einem Tankwart sagen, dass er beim Liter Sprit zwei Cent drauflegen muss. Sein Geld könne er dann ja mit Schokoriegeln von der Kasse verdienen.

Aus der Sicht der von Corona betroffenen Firmen aber ist ein niedriger Zins wichtig, damit die Kreditlast erträglich bleibt.

Rauch: Das ist korrekt.

Es wurde zuletzt immer wieder geraunt, dass die Regionalbanken ja gar keine Kredite an Mittelständler vergeben wollen. Nach dem, was Sie gerade gesagt haben, scheint die Sorge zumindest berechtigt.  

Rauch: Wir als regionales Kreditinstitut leben und sterben mit der Region. Das zu betonen, ist mir wichtig. Zu glauben, dass wir uns aus dem Kreditgeschäft zurückziehen oder dass wir keine Kredite vergeben wollen, ist einfach falsch. Mit unserem regionalen Auftrag haben wir ein starkes Eigeninteresse, dass es unseren Kunden so gut wie möglich geht. 

Die Sparkasse Mainfranken hat mit der Ankündigung, bis Jahresende 29 Außenstellen zu schließen, gerade für ordentlich Wirbel gesorgt. Was für Reaktionen kamen seitdem bei Ihnen an?

Rauch: Naturgemäß erfahren wir insbesondere von Betroffenen viele kritische Stimmen, aber durchaus auch Verständnis. In Zeiten sich veränderten Kundenverhaltens ist es für uns eine große Herausforderung, allen Interessen gerecht zu werden. Allerdings können wir eben auch nicht eine kaum genutzte Infrastruktur aufrecht erhalten. Oder sehen Sie in Zeiten des Mobilfunks noch viele Telefonzellen? Aber natürlich ist es nicht unser Ziel, alle Standorte zu schließen. Wir glauben weiterhin an die Beratung vor Ort - aber eben ergänzt um neue telefonische und digitale Zugangswege.

Wie viele Kunden wickeln ihre Geschäfte denn digital ab? 

Rauch: Etwa jedes zweite Konto bei uns ist für Online-Banking freigeschaltet. In den wenigen Wochen seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen hatten wir sogar einen Anstieg, der normalerweise ein ganzes Jahr braucht.

Ein Blick auf die Probleme der Firmen in der Region - wie schlimm wird es denn in der Wirtschaft noch kommen? 

Rauch: Wir rechnen in den nächsten 18 Monaten noch mit Einschlägen. Wir wissen aber noch nicht konkret, von wo sie kommen werden. Natürlich gibt es Branchen, die besonders betroffen sind. Da wird es der eine oder andere leider nicht schaffen. In manchen Branchen werden die Auswirkungen erst mit Zeitversatz sichtbar werden.

Haben Sie Angst davor, dass Kredite nicht mehr zurückgezahlt werden können?

Rauch: Grundsätzlich sind Ausfälle im Kreditgeschäft etwas vollkommen Normales. Wir haben ein Kreditbuch von etwa sechs Milliarden Euro. Dass da auch mal einige Millionen Abschreibungen kommen, damit rechnen wir, vor allem da das in den letzten zehn Jahren praktisch nie passiert ist. Wir haben das Geld zurückgelegt, wenn es mal in der Wirtschaft schlimmer kommt. Vor dieser Phase stehen wir jetzt.

Wie viele Kredite wurden denn seit Beginn der Krise schon beantragt?

Rauch: In Summe ist es im Augenblick sehr ruhig. Viele Unternehmen haben seit der Finanzkrise 2008 eine kleine Kriegskasse. Wir sehen nach wie vor wenige Überziehungen von Firmenkonten. Das hilft aber halt nicht denen, die in Not sind. Nur etwa 200 Firmen haben bei uns Hilfskredite beantragt - mit einem Volumen von etwa 60 Millionen Euro. Das bedeutet auch: Die mainfränkische Wirtschaft ist deutlich besser aufgestellt als der Bundesschnitt. 

Klingt gut, hilft im Einzelfall jedoch wenig. 

Rauch: Das ist das Dilemma. 2008 kam die Krise von oben, als Investmentbanken sich verzockt haben. Heute ist es ja gerade umgekehrt. Durch die allgemeinen Einschränkungen trifft das Problem zuerst die Mittelständler, die von Publikumsverkehr abhängig sind. Ein Frisör kann ja nächste Woche nicht einfach doppelt so schnell Haare schneiden. Nur mit einem Hilfskredit ist auch nicht immer geholfen.

Wie bewertet man als Bank, wer einen Kredit bekommt und wer nicht? 

Rauch: Wenn wir heute, mit vollkommen unsicheren Zukunftsbedingungen, ein Unternehmen bewerten müssten, was soll da Vernünftiges rauskommen? Deswegen arbeiten wir mit einer Grundannahme: "Ein Unternehmen, das vor der Krise erfolgreich war, wird auch nach der Krise erfolgreich sein."

Das Zurückzahlen von Krediten wird nicht jedem leicht fallen. Unternehmen brauchen das Geld gerade ja nicht für Investitionen, sondern nur zur Finanzierung laufender Kosten.

Rauch: Genau. Das Dilemma wird noch klarer, wenn Sie sich die Struktur eines typisch mittelständischen Unternehmens anschauen. Es geht jetzt nur um die Größenordnung. Von 100 Euro Umsatz fallen in etwa 30 Euro für Material und 60 Euro für Kosten für Personal, Mieten und Abschreibungen weg. Drei Euro fallen als Finanzierungskosten weg und verdienen muss das Unternehmen natürlich auch noch etwas. Fällt der Umsatz auf null, bleiben die 60 Euro für Kosten für Personal etc. Ein Monat ohne Umsatz frisst praktisch den Verdienst eines Jahres auf - und das zusätzlich zur schon vorhandenen Verschuldung. Ein gesundes Unternehmen hält das schon mal drei Monate aus, aber nicht ein halbes Jahr oder sogar ein ganzes.

Die Schulden nach aktuell drei Monaten Ausgangssperre werden die Unternehmen praktisch über die nächsten drei Jahre begleiten?

Rauch: Grob gesagt, ja.

 
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