Schwenk Zement arbeitet derzeit an einer Entwicklung mit, die laut Werksleiter Johann-Trenkwalder in Karlstadt die die Zement- und Baustoffherstellung weltweit revolutionieren könnte. Der neue Baustoff nennt sich Celitement und ist ein Bindemittel, das den CO2-Ausstoß bei der Zementherstellung halbieren und damit weltweit die Kohlendioxid-Emission signifikant verringern könnte.
Dr. Hendrik Möller, Mitglied der Geschäftsleitung in Ulm, ist ebenfalls fasziniert: „Wir verfügen mit heimischen Ressourcen wie Kalk und Sand über die passende Rohstoffbasis und können unter sparsamerer Verwendung von Kalkstein einen möglichen Nachfolger des klassischen Portlandzements produzieren.“
Vier Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickelten im Labor diesen neuartigen Zement, der auf Mineralien basiert, die sich kurzzeitig bei der klassischen Betonherstellung bilden, aber erst kürzlich mit neuesten Analysetechniken entdeckt wurden. Für die praktische Umsetzung der Erfindung hat sich Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) den Zementhersteller Schwenk ins Boot geholt und mit ihm zusammen Anfang 2009 die Celitement GmbH gegründet.
Nur 200 Grad nötig
Im Gespräch mit der Main-Post berichten Hendrik Möller, Johann Trenkwalder und Thomas Neumann, Laborleiter der Karlstadter Forschungs- und Entwicklungsabteilung, über die Vorzüge von Celitement. Bei der Herstellung von einer Tonne Portlandzementklinker entstehen derzeit etwa 870 Kilogramm Kohlendioxid, welches als Treibhausgas CO2 dem Weltklima zusetzt. Diese Menge entsteht zu zwei Dritteln aus der Entsäuerung des Calciumcarbonats, dem Hauptmineral des Rohstoffs Kalkstein.
Eine grundlegende Verringerung der rohmaterialbedingten CO2-Emissionen ist bei konventioneller Herstellung von Portlandzementklinker nicht möglich. Der benötigt eine Brenntemperatur von 1450 Grad im Drehofen und einen hohen Gehalt an Calcium. Celitement benötigt im wesentlichen Produktionsschritt nur eine Temperatur von 200 Grad.
Das Celitement-Rezept basiert auf einem deutlich niedrigeren Kalkgehalt. Je weniger Kalk benötigt wird, desto weniger Kohlendioxid wird freigesetzt. Neben der energie- und emissionsarmen Herstellung wird somit auch der Abbau der notwendigen Kalksteinreserven zeitlich gestreckt. Zudem ist Celitement kompatibel zu herkömmlichen Zementen. Man kann es mit Portlandzement mischen und benötigt in der baupraktischen Anwendung keine neuen Verarbeitungsabläufe und Anlagentechnik.
Möller und Trenkwalder erklären, warum und wie Schwenk an dieser technischen Innovation mitarbeitet, nachdem Celitement patentiert worden ist. „Schwenk ist als Familienunternehmen in der Lage, relativ schnell auch weitreichende Investitionsentscheidungen zu treffen“, erläutert Trenkwalder. Schwenk ist über Zement und Beton, Putz- und Mörtelsysteme sowie Spezialbaustoffen wie Reparaturmassen und Fliesenkleber auf dem weltweiten Baustoffmarkt zudem breit aufgestellt.
Neben solchen neuen Entwicklungen verfolgt Schwenk Zement schon lange eine Strategie zur Vermeidung von möglichst viel CO2 im klassischen Zementherstellungsprozess. „Seit Jahren verbrennt Schwenk im 1450 Grad heißen Drehofen Sekundärbrennstoffe mit hohen Anteilen nachwachsender Rohstoffe, aber auch Klärschlamm und Altreifen und ersetzt so nahezu 100 Prozent der fossilen Brennstoffe“, erklärt der Karlstadter Werksleiter.
Schwenks Aufgabe – und zwar über das Forschungslabor am Standort Karlstadt – ist es, den Bau und die Entwicklung einer Pilotanlage die ab Mitte 2011 täglich bis zu 100 Kilogramm des neuen Bindemittels herstellen soll, bis zur Praxisreife zu entwickeln und das dort produzierte Material unter Praxisbedingungen zu testen. In einer industriellen Referenzanlage an einem der Schwenk-Standorte, vielleicht sogar in Karlstadt, könnten ab 2014 jährlich bis zu 50 000 Tonnen dieses neuen Baustoffs produziert werden.
Er muss aber noch nach gesetzlichen Normen und Regelungen daraufhin getestet werden, ob er den herkömmlichen Zement auch in allen Anwendungsfeldern ersetzen kann. Dann erst kann es in die Massenproduktion gehen. „Das dauert noch bis zu zehn Jahre“, glaubt der Ulmer Geschäftsführer und Forschungsleiter Hendrik Möller. „Aber es ist die Zukunft, und es wurde am Innovationsstandort Deutschland entwickelt.“
Trenkwalder verweist darauf, dass Beton, für dessen Produktion weltweit derzeit jährlich fast 2,8 Milliarden Tonnen Zement produziert werden, nach Wasser und Erdöl der meist verbrauchte Stoff der Welt ist. Die Herstellung von Zement verursacht fünf Prozent des vom Menschen freigesetzten Treibhausgases Kohlendioxid auf der Erde. „Weltweit prognostiziert man zudem einen Anstieg auf bis zu fünf Milliarden Tonnen Zementverbrauch im Jahr“, so Möller.
Für Johann Trenkwalder hat Celitement größtes Zukunftspotenzial. Er glaubt fest: „Es revolutioniert den Bau.“ Die Mitentwicklung dieser neuen Technologie lässt sich Schwenk Zement als Gesellschafter der Celitement GmbH immerhin mehrere Millionen Euro kosten. 2010 erhielt man dafür sogar den Materialeffizienzpreis des Bundeswirtschaftsministeriums.
Celitement
Bei der Herstellung von Portlandzement entweicht ein beträchtlicher Teil des eingesetzten Kalksteins (Calciumcarbonat = CaCO3) als Kohlendioxid (CO2) in die Luft.
Bei der Herstellung von Celitement dagegen entweicht deutlich weniger CO2. Daher benötigt man hier für die Herstellung derselben Endmenge eine erheblich geringere Menge vom Ausgangsstoff Kalkstein. Und die Luft wird mit weniger CO2 belastet.
Anschaulich erklärt ist der Herstellungsprozess im Internet unter www.celitement.de. Dort finden sich eine Darstellung der chemischen Vorgänge unter der Rubrik „Stoffströme“ und sogar ein Film unter „Celitement im Film“.
Der Begriff wurde in Anlehnung an andere Light-Produkte kreiert. Sie ist eine Zusammensetzung aus Cement und light.