Wie die angekündigten Entlassungen in der Zentrale des Modekonzerns s.Oliver in Rottendorf (Lkr. Würzburg) abliefen, sorgte in Teilen der Belegschaft offenbar für Empörung. Montag vor einer Woche erhielten die Mitarbeiter schriftlich die Information, dass 170 der rund 1500 Beschäftigten ihre Arbeit verlieren werden. Wer tatsächlich betroffen sein würde, klärte sich erst nach und nach.
Sicherheitsdienst vor der Unternehmenszentrale in Rottendorf
Laut übereinstimmenden Berichten aus Mitarbeiterkreisen sah das Prozedere oft so aus: Morgens sollen die Betroffenen eine Einladung aus der Personalabteilung zu einem Termin am selben Tag bekommen haben – zu den Kündigungsgesprächen nämlich. Direkt nach den Gesprächen hätten die Mitarbeiter ihre Schreibtische räumen und den Betrieb verlassen müssen. Ein Mitarbeiter der Personalabteilung habe sie dabei beaufsichtigt, ihnen beim Tragen geholfen und nach draußen zu ihrem Auto begleitet.
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Darüber hinaus soll vor den Eingängen des Unternehmens in der vergangenen Woche ein Sicherheitsdienst gewacht haben. Dieser hatte offenbar dafür zu sorgen, dass die gekündigten Mitarbeiter nicht wieder das Gebäude betreten.
s.Oliver: Sofortige Freistellung der Mitarbeiter sei üblich
"Es war furchtbar. Ich habe viele langjährige Kollegen gesehen, die über den Parkplatz zu ihrem Auto geführt wurden wie Kriminelle", sagt eine Mitarbeiterin des Modeunternehmens, die anonym bleiben möchte. Die Kündigungswelle habe für "viele Tränen und Verunsicherung" gesorgt. "Es wird so verkauft, dass die Entlassungen nötig waren, um die übrigen Arbeitsplätze zu sichern." Diese Argumentation klinge zwar plausibel, meint sie. Doch die Art und Weise, wie die Entlassungen abgelaufen sind, könne sie einfach nicht verstehen. Man hätte den Kollegen diese "Schmach" auch ersparen können.
Konfrontiert mit diesen Schilderungen erklärt eine Unternehmenssprecherin: "Wir haben die Kollegen, deren Stellen in der neuen Organisation wegfallen, sofort freigestellt, damit sie sich umgehend auf ihre persönliche Zukunft fokussieren können." Das sei in einer solchen Situation völlig üblich. "Wir zahlen ihr Gehalt bis zum Ende ihrer Kündigungsfrist weiter, sie erhalten eine Abfindung und wir stehen ihnen bei der Neuorientierung zur Seite. Wir bringen sie dafür mit der Düsseldorfer Agentur von Rundstedt & Partner zusammen. Sie ist bundesweit darauf spezialisiert, Jobsuchende für eine neue Aufgabe fit zu machen", so die Sprecherin.
Dass gekündigte Mitarbeiter zur Tür begleitet wurden, will Konzernchef Claus-Dietrich Lahrs als "Zeichen des Respekts" verstanden wissen. So etwas sei ein normaler Vorgang. Den Betroffenen sei Zeit eingeräumt worden, um sich zu verabschieden, sagte Lahrs am Mittwoch.
Modekonzern sieht sich in Entscheidung bestätigt
Man habe volles Verständnis für emotionale Reaktionen. "Die vergangene Woche war für niemanden bei s.Oliver einfach", teilt das Modeunternehmen mit. Darüber hinaus sei "die Notwendigkeit der Maßnahme" intern auch auf viel Verständnis gestoßen. Die Gespräche seien bei aller Schwierigkeit von Respekt geprägt gewesen. "Wir finden es bedauerlich, wenn bei einzelnen Mitarbeitern ein anderer Eindruck entstanden ist", so die Sprecherin. "Mit allen Mitarbeitern möchten wir jetzt daran arbeiten, unser Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.“
In seiner Entscheidung sieht sich das Modeunternehmen nicht nur durch die stagnierenden Umsatzzahlen der vergangenen Jahre bestätigt. Auch die Auswirkungen der Corona-Krise, die s.Oliver im April zu Kurzarbeit veranlasse, würden das zeigen.
Für Peter König von der Gewerkschaft Verdi ist das Vorgehen des Unternehmens "ein dicker Hund". Wie aus einem "schlechten amerikanischen Spielfilm" hören sich die Berichte der Mitarbeiter für ihn an. "Aber über Anstand und Moral gibt es keine rechtlichen Bestimmungen", räumt der Gewerkschafter ein. Der Arbeitgeber habe schließlich das Hausrecht.
Ende 2015 hatten einige Mitarbeiter von s.Oliver zur Wahl eines Betriebsrates aufgerufen – und scheiterten mit diesem Vorhaben. Die Geschäftsleitung habe damals "wenig unterlassen", um die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern, kritisiert König. Das räche sich nun leider für die Beschäftigten von s.Oliver. Ohnehin sei es "sehr außergewöhnlich" für ein Unternehmen dieser Größe, keinen Betriebsrat zu haben.
Geschäftsführung unterstützt das Recht auf Gründung eines Betriebsrates
Ein solcher hätte mit dem Arbeitgeber über alternative Maßnahmen verhandeln können, so König. Und "wenn alles nichts hilft", einen Sozialplan aufstellen, der regelt, dass die Entlassungen nach "fairen sozialen Kriterien" erfolgen, etwa nach Familienstand oder Dauer der Betriebszugehörigkeit. Auch über die Gestaltung der Abfindung hätte der Betriebsrat mitentscheiden können, meint König. s.Oliver teilte dazu mit, dass einen Sozialplan gebe. Die Abfindungen seien fair und großzügig geregelt worden.
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Außerdem heißt es aus Rottendorf weiter: „Die Gründung eines Betriebsrates ist das Recht der Arbeitnehmer. Selbstverständlich unterstützt die Geschäftsführung dieses Recht", so die Sprecherin von s.Oliver. Bislang hätten die Mitarbeiter einfach keinen Betriebsrat gegründet.
Zwar gibt es bei s.Oliver die Mitarbeitervertretung "For Us". Für Gewerkschafter Peter König ist diese aber ein "zahnloses Kätzchen" und hat "keine Legitimation". Durchsetzbare Rechte habe nur ein gewählter Betriebsrat. Auch dass Führungspersonal in dieser Vertretung sitze, prangert König an: "Das ist nicht im Sinne des Erfinders." In "For Us" sitze kein Führungspersonal, hielt s.Oliver am Mittwoch dagegen.
Mitarbeit: Jürgen Haug-Peichl