Um ins Büro von Hans Jörg Lang zu kommen, muss man sich entweder gut auskennen oder den Gabelstaplerfahrer fragen, der dem Bescher freundlich den Weg zwischen vier- oder vielleicht fünf Meter hoch aufgetürmten leeren Bierkästen hindurch zur Verwaltung der Wernecker Bierbrauerei weist. Diese liegt mitten im Herzen der Gemeinde und das schon über 400 Jahre lang.
Um den Tisch in Langs Büro hat sich die Familie versammelt. Der Hausherr, seine Frau Sabine, die im Hintergrund mit die Fäden zieht, und die beiden Kinder Christine und Andreas, die sich darauf vorbereiten, den Betrieb mit seinen 14 Mitarbeitern, der seit 1861 in Familienbesitz ist, in sechster Generation zu übernehmen.
Es war vor allem die Mutter, die ihnen geraten hat, das sich sehr gründlich zu überlegen. Der Branche geht es nicht sonderlich gut, der Bierumsatz ist deutschlandweit rückläufig und die Arbeit gerade auch an den Wochenenden mit den vielen Festen anstrengend.
Während die großen Brauereien mit ihren „Fernsehbieren“ besonders unter dem schwindenden Durst der Deutschen leiden – der Umsatz ging seit 1991 um 20 Prozent, von 118 auf 91 Millionen Hektoliter zurück – haben sich viele kleine Brauerei gut schlagen können. Dazu muss man jedoch wissen, dass es allein in Schweinfurt und dem Landkreis einmal 28 Brauereien gab, von denen nur drei noch bestehen. Neben den Werneckern sind das die Brauerei Roth in Schweinfurt und die Hausbrauerei Ulrich Martin in Hausen bei Schonungen, die 50 Jahre lang geschlossen war und 2008 wiederbelebt wurde.
In Werneck wird ausweislich eines Steins über dem Eingang zur Brauereigaststätte schon seit 1617 gebraut. Im letzten Jahr haben die Langs auf 400 Jahre zurückgeblickt, das Jubiläum gefeiert und sich dabei auch über den Mittelstandspreis der CSU gefreut.
Ihr Absatz an Bier und alkoholfreien Getränken ist stabil. Beim Bier sind es 20 000 Hektoliter. Für den Erfolg macht Hans Jörg Lang (57) die Verbundenheit zur Region verantwortlich. Während er selbst zunächst stark an oberbayerischen Vorbildern orientiert war, spielt der Nachwuchs die Frankenkarte. Das bedeutet auf der einen Seite, dass mit heimischen Produkten – gen- und glyphosatfreies Getreide und Hopfen aus Spalt bei Nürnberg – produziert wird und andererseits, dass Andreas Lang (27), der das Brauerhandwerk gelernt und dann Getränke-Betriebswirt studiert hat, auf einen typisch fränkischen Geschmack setzt. „Der Trend gehe zu helleren, milderen Bieren.“ Und auch beim alkoholfreien Bier gebe es gute Zuwachsraten. Dass die Flaschen der Frankonia-Linie den fränkischen Rechen zeigen, versteht sich da von selbst. Die Kunden kommen aus einem Umkreis von 40 Kilometern, „rund um den Schornstein“.
Mit dem Aufkommen der Craft-Biere, wenngleich sie oft mit Produkten aus aller Herren Länder hergestellt werden, ist das Handwerkliche wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. „Unser Bier wird noch handwerklich hergestellt“, betont Andreas Lang. Und seine Schwester rät den Kunden, genau hinzuschauen, woher ihre Halbe kommt. Hinter einem regionalen Namen stecke oft ein großer Konzern.
Heimatgefühl vermittelt auch die Wernecker Bierwoche, die es inzwischen seit 28 Jahren gibt. Sie findet reihum in den acht Gemeindeteilen statt und sorgt bei den ausrichtenden Vereinen für ein gutes Zubrot. Die Brauerei macht damit nicht nur Umsatz, sondern wirbt auch für ihre Produkte.
Christine Lang (25) hat gerade die Ausbildung zur Diplom-Bier-Sommeliere abgeschlossen. Die studierte Betriebswirtin will ihr Wissen über das Brauen, bei Brauereiführungen, Verkostungen und anderen Veranstaltungen an den Mann bringen. Gelernt hat sie alles rund ums Bierbrauen. Sie kennt die unterschiedlichsten Sorten und Aromen und weiß auch, was man mit Bier Besonderes in der Küche anstellen kann.
Sie ist diejenige in der Familie, die beim Gespräch die kritischen Worte findet. So kann sie nicht verstehen, dass der Staat das Bier mit einer eigenen Steuer (knapp zehn Cent für den Liter) belegt, die Winzer aber ungeschoren davonkommen lässt. „Die Weinbauern haben die bessere Lobby“, ist sie überzeugt.
Ein anderes Sorgenkind ist das Personal. Fahrer sind nur schwer zu finden. Wochenendarbeit ist nun einmal nicht sehr beliebt.
Die Brauerei leidet auch darunter, dass immer mehr Wirtschaften schließen, weil es keine Pächter gibt. Umsatzstarke Stammtische sind inzwischen rar.
Und dann ist da noch der Preis. Wenn die Langs Urlaub im Chiemgau machen, sehen sie, dass der Kasten locker 16, 17 Euro kostet. In Unterfranken sind kaum mehr als 12, 13 Euro durchzusetzen. Das liegt in den Augen Hans Jörg Langs mit an den Supermärkten, die Kunden mit Sonderangeboten locken. „Vor 20 Jahren hat der Kasten Bier noch 20 Mark gekostet, umgerechnet in Euro bekommen wir heute nicht viel mehr.“
Seine Brauerei sieht Hans Jörg Lang technisch gut gerüstet. Die Sudkessel stammen zwar aus den 50er-Jahren, seien aber noch top. „Über eine neue Steuerung denken wir gerade nach.“ Gerade einmal acht Jahre halt sind die glänzenden Edelstahltanks, in denen das Bier reift und dann gefiltert wird.
Flaschen füllen die Langs nicht mehr selbst ab, sondern, wie für einige andere kleinere Brauereien auch, die Göller-Brauerei in Zeil am Main. Dorthin wird das fertige Bier in Containern transportiert. Das vor allem aus Kostengründen. Wenn die eigene Abfüllanlage einmal ausfiel, hatten auch die Mitarbeiter Pause. Dieses Risiko liegt jetzt mainaufwärts.
Aber Bier ist nicht alles. Zum Sortiment gehören auch Erfrischungsgetränke wie Limonaden und das mit zunehmender Bedeutung. Als Renner erweist sich das von Andreas Lang und Braumeister Stefan Reusch in monatelanger Tüftelei entwickelte Getränk „Das Fränkische Energy“, ein coffeinhaltiger Muntermacher, den es in drei Geschmacksvarianten gibt. Das Ursprungsprodukt erinnert ein bisschen an Gummibärchen, hinzugekommen sind die Richtungen Saurer Apfel und Johannisbeere. Der Vater habe das Ganze zunächst eher kopfschüttelnd beobachtet und auch ein Werbebudget verweigert, erinnert sich Andreas Lang.
700 Hektoliter Umsatz sind es inzwischen. „Das kann sich schon sehen lassen“, räumt der Seniorchef nicht ohne Stolz ein. In diese Richtung soll es weitergehen. „Als kleiner Betrieb können wir innovativer und flexibler sein“, sagt Andreas Lang,
Am wichtigsten bleibt jedoch das Bier. Darin sind sich die Langs einig.
400 Jahre Wernecker Bierbrauerei
Die Wernecker Bierbrauerei ist die mit Abstand älteste Brauerei in Stadt und Landkreis Schweinfurt. Lange dachte man, die Brauerei würde aus dem Jahr 1621 stammen. Bis bei Renovierungsarbeiten ein Stein mit der Jahreszahl 1617 entdeckt wurde und auch im Archiv ein Schriftstück auftauchte, das das Jahr 1617 als Gründungsjahr belegte.
Die Brauerei, eine „Erb-Wirths-Schankstatt", befand sich zunächst im Gasthaus zum Goldenen Löwen, dem heutigen Brauereigasthof. Wer in den nächsten Jahren das Wernecker Bier braute, ist nicht belegt. Erst am 10.9 September 1828 wird namentlich der Posthalter Adam Pfülf als Betreiber der Schildwirtschaft und der Brauerei in den Gemeindebüchern erwähnt, nach seinem Tod (1829) übernimmt die „Wittib", also die Witwe Gertraud Pfülf.
1841 geht die Brauerei in Konkurs und der Besitz an J. B. Steinam aus Bischofsheim an der Tauber.
Im Jahr 1861 schließlich kauft Johann Michael Wurm aus Uffenheim die Brauerei, die seither in Familienbesitz ist.
Etwa bis zum Jahr 1900 wird im Gebäude des Goldenen Löwen Bier hergestellt. Dann jedoch wird die Brauerei in die neu entstandenen Nachbargebäude verlagert. Seitdem ist das historische Kernstück der Brauereianlage nur noch ein Gasthaus.
Im Jahr 1935 vererbt Adolf Wurm den Betrieb an seine Söhne Johann und Rudolf. Das Jahr 1948 wird bitter. Kurz hintereinander sterben sowohl Johann als auch Rudolf. Johanns Tochter Charlotte Wurm übernimmt daraufhin im Alter von nur 24 Jahren den kaufmännischen Bereich, Rudolfs Sohn Adolf leitet den technischen Bereich.
1954 heiratet Charlotte Wurm Hermann Lang, der ab sofort für die Geschäftsführung verantwortlich ist. 1990 übergeben Charlotte und Hermann Lang die Brauerei an ihren Sohn Hans Jörg.
2016 sind Andreas und Christine Lang in den Betrieb eingestiegen.
Hans Jörg Lang,
Chef der Wernecker Bierbrauerei