
Immer wieder taucht auch in Mainfranken die Frage auf, ob im Zuge der Corona-Krise bald eine Pleitewelle kommt. Experten sind da unterschiedlicher Meinung. Aussagen von "Alles völlig unklar" bis "Das ist ziemlich sicher" sind zu hören.
Indes hat der Bundesgesetzgeber zum Jahresbeginn einen neuen Weg freigemacht, der mitunter als Rettung für marode Unternehmen angesehen wird: das Restrukturierungsverfahren. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich nichts anderes als eine Insolvenz in Leichtversion – und eine leise zudem. Unterfränkische Experten erklären, was es damit auf sich hat und wer davon profitieren könnte.
Mit diesem Werkzeug kann sich ein Unternehmen frühzeitig und in Eigenregie neu ausrichten, wenn es eine Liquiditätskrise befürchtet. Dazu wählt der Unternehmer aus all den Forderungen jene aus, über die mit den Gläubigern neu verhandelt wird. Vereinfacht ausgedrückt: Während bei der klassischen Insolvenz alle Schulden in den Topf kommen, geht es bei dem neuen Weg nur um einen Teil und darum, geräuschlos finanziellen Ballast abzuwerfen sowie einer klassischen Pleite vorzubeugen.
Im Gegensatz zu einem regulären Insolvenzverfahren muss das Restrukturierungsverfahren nicht öffentlich bekanntgegeben werden. Auf diese Weise wird "das Stigma der Insolvenz vermieden", sagt der Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Erion Metoja (Lauda-Königshofen/Würzburg). Das neue Verfahren sei noch nicht flächendeckend bekannt, hat Rechtsreferentin Cornelia Becker-Folk von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt festgestellt. Aber es biete Chancen.
Vorteil: Er verliert nach außen nicht das Gesicht und hat die Neuausrichtung selbst in der Hand – ohne, dass ihm ein fremder Insolvenzverwalter vor die Nase gesetzt wird. Diese Eigenregie bringe eine enorme Planungssicherheit und Flexibilität mit sich, sagt Metoja. Nachteil: Das Verfahren ist kompliziert. Und teuer, weil auf jeden Fall ein kompetenter Rechtsanwalt oder Unternehmensberater hinzugezogen werden sollte.

In den meisten Fällen läuft es bei den Beratern laut Erion Metoja auf ein Netto-Stundenhonorar zwischen 200 und 350 Euro hinaus. Hinzu kämen noch Kosten für einen gerichtlich zu bestellenden Sanierungsbeauftragten mit überwachender Funktion. Das Stundenhonorar sei hier ähnlich. Alles in allem werde das in der Regel günstiger als eine klassische Insolvenzverwaltung. Metojas Tipp: Da die Honorare beim Restrukturierungsverfahren frei verhandelbar sind, sollten Unternehmer einen Teil der Vergütung vom Erfolg abhängig machen. Auch eine Deckelung des Honorars auf zum Beispiel 50 oder 60 Prozent der Vergütung eines fiktiven Insolvenzverwalters sei denkbar.
Wenn es gut läuft, bekommen sie mehr Geld als bei einem klassischen Insolvenzverfahren. Dort liege die Quote laut Metoja bei durchschnittlich 5 bis 6 Prozent. Bei einem Restrukturierungsverfahren indes "wird die Quote etwas höher liegen, da es ansonsten für die Gläubiger keinen Anreiz gibt, dem Restrukturierungsplan zuzustimmen". Wie hoch die Quote bei dem neuen Verfahren genau ausfällt, sei mangels Erfahrungswerten derzeit unklar. Metoja schätzt, dass sie sich mittelfristig bei 10 Prozent einpendeln wird.
Grundsätzlich für alle. Denn das "Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen" (StaRUG) gebe keine Grenzen bei der Rechtsform vor, erläutert Erion Metoja. So kommt das neue Verfahren sowohl für Kapitalgesellschaften wie zum Beispiel eine AG oder eine GmbH in Frage wie auch für Personengesellschaften, Einzelselbstständige und Kaufleute. Für Privatpersonen gebe es allerdings Einschränkungen, sagt Metoja. Weil das Restrukturierungsverfahren teuer ist, sei es erst für Mittelständler ab 20 Beschäftigten "ohne Einschränkungen empfehlenswert". Für den kleinen Laden um die Ecke also nicht.
"Je früher, desto besser", lautet der Tipp des Insolvenz-Experten. Sobald sich Zahlungsschwierigkeiten abzeichnen, sollte eine Erstberatung in Anspruch genommen werden. Allerdings eigne sich das Verfahren nur für Unternehmen, deren Geschäftsmodell intakt ist oder wieder flott gemacht werden kann.
Laut Metoja wird zunächst ein Restrukturierungsplan aufgelegt. Er ist das Konzept des Unternehmers, wie er sein Geschäft fortführen und wie er mit den Forderungen der einbezogenen Gläubigern umgehen will. Gläubiger außerhalb des Verfahrens sind im Übrigen nicht betroffen und müssen nicht informiert werden.
Die vom Restrukturierungsplan erfassten Gläubiger werden nach Metojas Angaben in Gruppen unterteilt. Der Plan ist angenommen, wenn in jeder Gruppe eine Dreiviertelmehrheit zustande kommt. Klappt das nicht, gelte die Zustimmung unter bestimmten Bedingungen trotzdem als erteilt. Kommt der Plan am Ende zustande, gilt er für alle Gläubiger gleichermaßen - also auch für die überstimmten.
Das Gesetz verbietet es, dass sie Teil eines Restrukturierungsverfahrens werden. Für Pensionsrückstellungen gilt das ebenfalls. Die Mitarbeiter bekommen also unverändert ihr Geld.
Da gehen die Meinungen auseinander. Der Würzburger Insolvenzverwalter Markus Schädler ist eher skeptisch. Das klassische Insolvenzrecht sei seit jeher "ein sehr gutes Instrumentarium" für diverse Sanierungsarten. "Der Anwendungsbereich des Restrukturierungsverfahrens dürfte nach meiner Einschätzung begrenzt bleiben", sagt er. Die IHK-Expertin Cornelia Becker-Folk indes sieht in dem neuen Weg "grundsätzlich eine gute Möglichkeit" für Unternehmen, außergerichtlich wieder auf einen besseren Kurs zu kommen. Deshalb sei das Verfahren zu begrüßen.
Der Insolvenz-Experte Erion Metoja schlägt in eine ähnliche Kerbe: "Langfristig sollen durch das Restrukturierungsverfahren alle Insolvenzen von Unternehmen vermieden werden, die fortführungsfähig und -würdig sind." Die Regulierung auf privatem statt auf gerichtlichem Weg sei zweifellos effizienter und nicht auf die Zerschlagung des Unternehmens aus.