
Als Mitte September bekannt wurde, dass die chinesische Honghua-Gruppe den Maschinenbauer Texpa in Saal (Lkr. Rhön-Grabfeld) übernimmt, waren Überraschung und Aufmerksamkeit groß. Nahezu zeitgleich machte die Beteiligung eines Investors an einem Terminal des Hamburger Hafens Schlagzeilen. Das hat die Frage aufgeworfen: Wird China für die heimische Wirtschaft gefährlich?
Eine Frage, die im weltpolitischen Zusammenhang steht. Denn der Handelskrieg zwischen USA und Peking plus die Rolle Chinas mitten in den internationalen Spannungen rund um den Ukraine-Krieg sorgen für Diskussionen darüber, wo das Riesenreich um Machthaber Xi Jinping steht. Der aktuelle Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in China tut sein Übriges.
Eines ist für Doris Fischer klar: China wird für die deutsche Wirtschaft auf lange Sicht eine große Nummer bleiben. Die 57 Jahre alte Professorin an der Universität Würzburg ist seit 2012 Inhaberin des Lehrstuhls für China Business and Economics. Fischer hat Betriebswirtschaftslehre sowie Sinologie in Hamburg und Wuhan studiert. Im Interview erklärt sie, was Mainfrankens Wirtschaft von den Chinesen halten sollte.

Doris Fischer: Wir haben vor einigen Jahren eine Studie gemacht, wie die Verflechtung der fränkischen Wirtschaft mit China ist. Sie ist recht stark. Das muss nicht immer Investment sein, sondern es sind auch gegenseitige Handelsbeziehungen. Wir haben allerdings keine Statistiken dazu. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, wer wie in Deutschland in welche Branchen investiert. Wir wissen aber, dass auf chinesischer Seite an Bayern ein großes Interesse herrscht, was Industrie, Maschinenbau und Automobilbau angeht.
Fischer: Das kann gut sein. Es gibt in China eine große Bewunderung für das industrielle Gewerbe in Deutschland. Das liegt auch daran, dass Deutschland immer noch einen lebendigen industriellen Sektor hat.
Fischer: In gewisser Hinsicht stimmt das. Andererseits haben die Chinesen in den vergangenen Jahren in Deutschland sehr viele Maschinen gekauft.
Fischer: Angst ist immer ein schlechter Berater. Zum Beispiel bei Preh und Texpa dominiert aus meiner Sicht auch nicht irgendeine Angst. Es sind vielmehr Unternehmen, die versucht haben, die Kooperation mit China zu nutzen, um ihre Stärken besser auszuspielen und um vom chinesischen Markt zu profitieren – und damit gleichzeitig den Standort in Deutschland zu stärken.

Fischer: Wenn man die Übernahmen deutscher Firmen durch Chinesen in den vergangenen zehn Jahren betrachtet, dann gibt es keine Hinweise darauf, dass es das gegeben hat, was man als Heuschrecken-Investition bezeichnet. Die Chinesen sind also nicht gekommen, um Firmen abzuwickeln. Es geht vielmehr darum, Know-how zu nutzen. Generell ist es für chinesische Unternehmen interessant, in deutsche Firmen als eine Art sichere Geldanlage zu investieren. Es gibt für Chinesen nicht viele Möglichkeiten, im Ausland legal Investitionen zu tätigen, außer eben über Firmenbeteiligungen. Und das auch nicht in allen Branchen. Da hat die chinesische Regierung 2017 Grenzen gezogen.
Fischer: Mehrere. Zum einen haben wir hier ja einen Fachkräftemangel. Ein Unternehmen kann in China also auf örtliche Fachkräfte zugreifen. Zum anderen kann man über eine Beteiligung einen besseren Zugriff haben auf den großen chinesischen Markt. Und dann das Thema Nachfolge: In vielen mittelständischen Unternehmen in Deutschland ist nicht klar, wie es weitergeht, wenn der Chef oder die Chefin in den Ruhestand geht. Mit einem Investor kann diese Frage besser geklärt werden.
Fischer: Na ja, aber Unternehmen sind gut beraten, sich zu überlegen, ob sie sich in diese Abhängigkeit begeben oder ob sie schließen müssen. Wenn die Bundesregierung sagt, dass sie solche engen Verflechtungen nicht will, dann muss sie den Unternehmen Alternativen zeigen. China ist an Deutschland in mehrfacher Hinsicht sehr interessiert, auch politisch. In einer Zeit, in der China und die USA in Rivalität zueinander stehen, wird Deutschland gerne als sehr einflussreich in Europa angesehen. Damit ist Deutschland ein wichtiges Puzzleteil in dem Kampf, Europa auf eine bestimmte Seite zu ziehen.
Fischer: Zunächst muss jeder für sich entscheiden, ob per se eine Zusammenarbeit mit China gewünscht ist, wo Menschenrechtsverletzungen vorkommen. Ein Unternehmen kann natürlich sagen: Das mache ich grundsätzlich nicht. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ein solches Unternehmen so auch bei anderen Ländern vorgeht, in denen es um die Menschenrechte auch nicht gut bestellt ist. Es kann Gründe geben zu sagen: Das zu beachten, geht über meine Rolle als Unternehmerin oder Unternehmer hinaus.

Fischer: So wie es nicht den Europäer schlechthin gibt, gibt es auch nicht den Chinesen. Es ist aber auf jeden Fall wichtig, sich vor Augen zu führen, dass der Verhandlungspartner oder die Verhandlungspartnerin von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird: vom politischen, vom lokalen oder vom kulturellen Umfeld. Es ist auch die Frage, ob das Unternehmer sind oder Manager, denen das Unternehmen nicht gehört. Das macht einen großen Unterschied aus. Ich sage immer: China sollte Chefsache sein. Das kann aber auch eine Nummer zu groß werden und manchen Mittelständler hierzulande überfordern. Andererseits muss man sich dann trotzdem mit China auseinandersetzen. Denn wenn China nicht Kooperationspartner ist, dann im Zweifelsfall Konkurrent.
Fischer: Bis vor drei Jahren gab es viel Euphorie mit Blick auf den großen chinesischen Markt und was man da alles machen kann. Jetzt gibt es ein Umdenken in der Wirtschaft, auch beeinflusst von Amerika, das momentan einen sehr negativen Blick auf China hat. Ich fürchte, das wird noch stärker werden. Auf jeden Fall sollten wir in Deutschland das Risikomanagement überdenken. Die Corona-Pandemie und der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt haben gezeigt, dass wir nicht hundertprozentig sicher sein können, dass die Lieferketten immer funktionieren, wenn wir uns zu sehr auf den chinesischen Markt konzentrieren. Risikomanagement im Sinne von Diversifizierung ist ein Appell der Stunde, auch für den Mittelstand in Bayern. Andererseits bleibt der chinesische Markt sehr attraktiv.
Fischer: Genau. Kurzfristig können wir auf China nicht verzichten. Langfristig wollen wir es nicht. Mittelfristig ist zu beobachten, wie sich China entwickelt. Ich hoffe, dass die Regierung dort sieht, dass ihr ihre derzeitige Haltung gegenüber den westlichen Mächten schadet und dass sie den Pragmatismus zurückgewinnt, den sie in der Vergangenheit bis zu einem gewissen Grad bewiesen hat.