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Bad Kissingen
Modehändler Ludewig: Kunden werden vom Lockdown profitieren
Unverkaufte Textilien stapeln sich in den Läden, die Geschäftsleute können nicht planen: Modehändler Ralf Ludewig aus Bad Kissingen zeigt, wie sehr der Lockdown die Branche plagt.
Rechnet damit, dass 30 Prozent der kleinen Modeläden die Corona-Krise nicht überleben werden: Ralf Ludewig, hier in seinem Geschäft in Bad Kissingen
Foto: Siegfried Farkas | Rechnet damit, dass 30 Prozent der kleinen Modeläden die Corona-Krise nicht überleben werden: Ralf Ludewig, hier in seinem Geschäft in Bad Kissingen
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:51 Uhr

Die Insolvenz des unterfränkischen Modehändlers Adler zu Wochenbeginn hat gezeigt, dass die Corona-Krise der Branche massiv zusetzt. Unter der Zwangsschließung zu leiden haben gerade die kleinen Boutiquen, bleiben sie derzeit doch auf ihren Waren sitzen. Die Zukunft? Ungewiss.

Ralf Ludewig gehört zu diesen Händlern. Der 53-Jährige führt in Bad Kissingen seit 1994 und in dritter Generation zwei Modehäuser mit insgesamt zehn Beschäftigten. Ludewig ist zudem unterfränkischer Bezirksvorsitzender des bayerischen Einzelhandelsverbandes und Vorsitzender der Werbegemeinschaft Stadtmarketing Pro Bad Kissingen. Der Geschäftsmann rechnet für die Branche mit dem Schlimmsten. Für Kunden hingegen bringe die Corona-Krise deutliche Vorteile beim Modekauf.

Frage: Herr Ludewig, wie werden Sie die Corona-Krise wirtschaftlich überleben?

Ralf Ludewig: Wir haben ganz gut gewirtschaftet. Wir werden überleben. Und wir werden einige andere Händler überleben, die vor uns die Tür zumachen müssen.

Wie viele Geschäfte Ihrer Art werden in der Region nicht durch die Krise kommen?

Ludewig: Das ist ein bisschen Kaffeesatzleserei. Ich gehe aber davon aus, dass es 30 Prozent mittel- oder langfristig nicht schaffen werden.

Fixkosten für Miete und Personal trotz Ladenschließung, ausgefallenes Weihnachtsgeschäft 2020, turnusmäßig schwache Mode-Monate Januar und Februar: Da kommt für die Geschäftsleute Einiges zusammen. Was genau tut Ihnen als Händler am meisten weh?

Ludewig: Die fehlende Planbarkeit. Wenn wir definitiv wüssten, ab dem Soundsovielten geht es wieder weiter, dann könnten wir planen. Es weiß im Moment kein Mensch, wann wir überhaupt wieder aufmachen können. Wir müssen jetzt die Mode für Herbst einkaufen.

Kleidung also, von der Sie gar nicht wissen, ob Sie sie losbekommen. Wie soll das gehen? Haben Sie überhaupt das Geld, einen solchen Vorrat anzulegen?

Ludewig: Das ist schwierig. Die Mode muss zwar erst im Herbst bezahlt werden, wenn sie geliefert wird. Aber dann muss sie auch wirklich abgenommen werden. Deswegen ist man da äußerst vorsichtig. Das betrifft nicht nur den Einzelhandel, sondern auch die Hersteller. Da werden noch einige Insolvenzen ins Haus stehen.

Nochmal zu den heiklen Fixkosten: Was tut sich in der Region bei den Ladenmieten? Gibt es Mieter, die einfach nicht mehr zahlen? Oder Vermieter, die den Händlern entgegenkommen?

Ludewig: Es gibt bei den Mietern und Vermietern alle Bandbreiten, wie sie aufeinander zugehen. Es ist für beide Seiten natürlich ein zweischneidiges Schwert. Aber es wächst auf Seiten der Vermieter die Bereitschaft, Entgegenkommen zu zeigen mit jeder Woche, in der der Lockdown anhält.

Bei den Modehändlern in Deutschland liegen wegen des Lockdowns Tonnen von Textilien auf Halde. Textilien, die nun im wahrsten Sinn des Wortes aus der Mode geraten und wohl nur noch unter dem Einkaufspreis zu verkaufen sind. Was also werden die Kunden nach dem Lockdown zu erwarten haben? Kleidung zum Schleuderpreis? Rabattschlachten?

Ludewig: Zum Nulltarif wird sicher nichts verkauft. Der Kunde darf erwarten, dass top-modische Waren, Youngfashion und so weiter, mit hohen Preisabschlägen veräußert werden. Dagegen werden Klassiker, die über mehrere Jahre laufen, deutlich weniger oder gar nicht reduziert werden.

Angenommen, es darf erst wieder im Frühjahr geöffnet werden: Kann ich dann noch die Kleidung aus der Zeit vor Weihnachten kaufen, um mich günstig gleich für den nächsten Winter einzudecken?

Ludewig: Gute Frage. Das kommt wirklich darauf an, wann wieder geöffnet wird. Angenommen im April, als schlimmster Fall: Weil dann schon Frühjahr ist, sind die Kunden nicht mehr da, die trotz Superschnäppchenpreis mit 80 Prozent Ermäßigung eine Daunenjacke kaufen. Das interessiert dann keinen Menschen mehr. Die Verbraucher können aber auf jeden Fall mit hohen Preisnachlässen rechnen bei hochmodischer Ware.

Die Adler-Modekette aus dem Kreis Aschaffenburg ist in Schieflage geraten. Der Fall hat Anfang der Woche erneut gezeigt, wie heftig die Branche in den Seilen hängt. Was heißt das für die kleinen Händler in unserer Region?

Ludewig: Die Großen haben mehr noch als die kleinen, inhabergeführten Geschäfte das Problem, dass sie darauf angewiesen sind, dass schnell Liquidität nachfließt. Die sind da auf Kante genäht. Der kleine Händler hingegen kann auch mal ein, zwei Monate überbrücken. Außerdem haben die großen Händler zum Teil deutlich teurere Mietverträge und höhere Personalverdichtung.

Wenn jetzt der eine oder andere große Name aus den Innenstädten verschwindet, könnten doch kleinere Händler in die Lücke stoßen. Eine Chance, oder?

Ludewig: Da gebe ich Ihnen Recht. Allerdings muss man auch sagen, dass die Großen die Frequenzbringer in den Innenstädten sind. Das hat man zum Beispiel dort gemerkt, wo Galeria Kaufhof einen Standort aufgegeben hat. Da wurde die Kundenfrequenz deutlich niedriger. Der Handel braucht durchaus diese großen Player.

"Es muss nicht immer der Webshop sein. Es reicht auch, eine Telefonnummer zu haben."
Modehändler Ralf Ludewig über den Kontakt zu Kunden
Das Geschäftsleben von Kleinstädten wie Bad Kissingen, Marktheidenfeld oder Ochsenfurt wird unter anderem von Modeläden geprägt. Wie werden diese Innenstädte nach Corona aussehen?

Ludewig: Dazu gibt es verschiedene Szenarien. Aber auch das ist ein bisschen Kaffeesatzleserei. Die Innenstädte werden auf jeden Fall anders aussehen als nach der Pandemie. Leerstand ist dann ein Thema – aber nicht nur wegen des Handels, sondern auch wegen Gastronomie, Reisebüros und Dienstleistern, die es ja genauso getroffen hat. Die Hoffnung ist, dass die dort über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen nicht so zerstört werden, dass sie sich überhaupt nicht mehr erholen können. Es wird drei bis vier Jahre oder länger dauern, bis man wieder halbwegs von Zuständen sprechen kann wie vor der Corona-Pandemie.

Vor wenigen Tagen ist landesweit "Click and Collect" gestartet. Das wirft ein Licht auf das Online-Geschäft. Sind kleine Modehändler dazu überhaupt so schnell in der Lage? Denn einen Webshop zu installieren, das macht man nicht mal so im Handumdrehen.

Ludewig: Richtig. Einen guten Online-Shop zu kreieren, ist wirklich sehr schwer. Kollegen und ich haben die Erfahrung gemacht, dass die Solidarität der Kunden recht groß ist. Sie schauen bewusst, wie sie die einzelnen Händler vor Ort unterstützen können. Und da muss es nicht immer der Webshop sein, sondern es reicht dann auch, eine Telefonnummer zu haben, die der Kunde anrufen kann.

Ralf Ludewig  übergibt Kunden ihre bestellte Kleidung. Das ist dank 'Click and Collect' nun möglich.
Foto: Klaus Bollwein | Ralf Ludewig übergibt Kunden ihre bestellte Kleidung. Das ist dank "Click and Collect" nun möglich.

"Click and Collect": Tipps für Kunden

Online bestellen, im Laden abholen: Seit Wochenbeginn dürfen Einzelhändler "Click and Collect" anbieten. Wollen Kunden die dabei erworbene Ware wieder zurückgeben, müssen sie nach Angaben des Vereins Verbraucherservice Bayern (VSB) aber einiges beachten. Grundsätzlich gelte, dass beim reinen Online-Kauf der Vertrag binnen 14 Tagen widerrufen und die Ware zurückgegeben werden kann. Beim klassischen Kauf im Laden hingegen beruhe der Umtausch auf Kulanz des Händlers.
Ob bei "Click and Collect" ein Widerrufsrecht besteht, "hängt vom Zustandekommen des Kaufvertrages ab", teilte VSB-Juristin Carina Schütz in Würzburg mit. Wurde der Vertrag online abgeschlossen, gelte das Widerrufsrecht. Wurde die Ware indes via Internet oder am Telefon lediglich reserviert, komme der Vertrag erst bei Abholung zustande, so Schütz. Sie rät Kunden, sich vorab beim Händler nach einer Kulanz-Regelung zu erkundigen.
aug
 
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