Die Insolvenz des unterfränkischen Modehändlers Adler zu Wochenbeginn hat gezeigt, dass die Corona-Krise der Branche massiv zusetzt. Unter der Zwangsschließung zu leiden haben gerade die kleinen Boutiquen, bleiben sie derzeit doch auf ihren Waren sitzen. Die Zukunft? Ungewiss.
Ralf Ludewig gehört zu diesen Händlern. Der 53-Jährige führt in Bad Kissingen seit 1994 und in dritter Generation zwei Modehäuser mit insgesamt zehn Beschäftigten. Ludewig ist zudem unterfränkischer Bezirksvorsitzender des bayerischen Einzelhandelsverbandes und Vorsitzender der Werbegemeinschaft Stadtmarketing Pro Bad Kissingen. Der Geschäftsmann rechnet für die Branche mit dem Schlimmsten. Für Kunden hingegen bringe die Corona-Krise deutliche Vorteile beim Modekauf.
Ralf Ludewig: Wir haben ganz gut gewirtschaftet. Wir werden überleben. Und wir werden einige andere Händler überleben, die vor uns die Tür zumachen müssen.
Ludewig: Das ist ein bisschen Kaffeesatzleserei. Ich gehe aber davon aus, dass es 30 Prozent mittel- oder langfristig nicht schaffen werden.
Ludewig: Die fehlende Planbarkeit. Wenn wir definitiv wüssten, ab dem Soundsovielten geht es wieder weiter, dann könnten wir planen. Es weiß im Moment kein Mensch, wann wir überhaupt wieder aufmachen können. Wir müssen jetzt die Mode für Herbst einkaufen.
Ludewig: Das ist schwierig. Die Mode muss zwar erst im Herbst bezahlt werden, wenn sie geliefert wird. Aber dann muss sie auch wirklich abgenommen werden. Deswegen ist man da äußerst vorsichtig. Das betrifft nicht nur den Einzelhandel, sondern auch die Hersteller. Da werden noch einige Insolvenzen ins Haus stehen.
Ludewig: Es gibt bei den Mietern und Vermietern alle Bandbreiten, wie sie aufeinander zugehen. Es ist für beide Seiten natürlich ein zweischneidiges Schwert. Aber es wächst auf Seiten der Vermieter die Bereitschaft, Entgegenkommen zu zeigen mit jeder Woche, in der der Lockdown anhält.
Ludewig: Zum Nulltarif wird sicher nichts verkauft. Der Kunde darf erwarten, dass top-modische Waren, Youngfashion und so weiter, mit hohen Preisabschlägen veräußert werden. Dagegen werden Klassiker, die über mehrere Jahre laufen, deutlich weniger oder gar nicht reduziert werden.
Ludewig: Gute Frage. Das kommt wirklich darauf an, wann wieder geöffnet wird. Angenommen im April, als schlimmster Fall: Weil dann schon Frühjahr ist, sind die Kunden nicht mehr da, die trotz Superschnäppchenpreis mit 80 Prozent Ermäßigung eine Daunenjacke kaufen. Das interessiert dann keinen Menschen mehr. Die Verbraucher können aber auf jeden Fall mit hohen Preisnachlässen rechnen bei hochmodischer Ware.
Ludewig: Die Großen haben mehr noch als die kleinen, inhabergeführten Geschäfte das Problem, dass sie darauf angewiesen sind, dass schnell Liquidität nachfließt. Die sind da auf Kante genäht. Der kleine Händler hingegen kann auch mal ein, zwei Monate überbrücken. Außerdem haben die großen Händler zum Teil deutlich teurere Mietverträge und höhere Personalverdichtung.
Ludewig: Da gebe ich Ihnen Recht. Allerdings muss man auch sagen, dass die Großen die Frequenzbringer in den Innenstädten sind. Das hat man zum Beispiel dort gemerkt, wo Galeria Kaufhof einen Standort aufgegeben hat. Da wurde die Kundenfrequenz deutlich niedriger. Der Handel braucht durchaus diese großen Player.
Ludewig: Dazu gibt es verschiedene Szenarien. Aber auch das ist ein bisschen Kaffeesatzleserei. Die Innenstädte werden auf jeden Fall anders aussehen als nach der Pandemie. Leerstand ist dann ein Thema – aber nicht nur wegen des Handels, sondern auch wegen Gastronomie, Reisebüros und Dienstleistern, die es ja genauso getroffen hat. Die Hoffnung ist, dass die dort über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen nicht so zerstört werden, dass sie sich überhaupt nicht mehr erholen können. Es wird drei bis vier Jahre oder länger dauern, bis man wieder halbwegs von Zuständen sprechen kann wie vor der Corona-Pandemie.
Ludewig: Richtig. Einen guten Online-Shop zu kreieren, ist wirklich sehr schwer. Kollegen und ich haben die Erfahrung gemacht, dass die Solidarität der Kunden recht groß ist. Sie schauen bewusst, wie sie die einzelnen Händler vor Ort unterstützen können. Und da muss es nicht immer der Webshop sein, sondern es reicht dann auch, eine Telefonnummer zu haben, die der Kunde anrufen kann.