Die Metall- und Elektroindustrie gilt als das Herz der deutschen Wirtschaft. Einen ähnlichen Stellenwert hat sie in Unterfranken, wo 89 000 Menschen in diesem Bereich arbeiten. Eine am Dienstag präsentierte Branchenumfrage zeigt, dass der Platzhirsch wegen Corona arg in den Seilen hängt. Doch es gibt auch Mutmachendes.
45 Prozent der angeschlossenen Unternehmen werde 2020 wegen der Krise mit einem Verlust abschließen, sagte Martin Johannsmann mit Blick auf die Umfrage. Der Vorsitzende für Main/Rhön im arbeitgebernahen Branchenverband bayme/vbm ist auch Vorsitzender der Geschäftsführung des Wälzlagerherstellers SKF in Schweinfurt und geht davon aus, dass die Metall- und Elektrobetriebe mit 355 Standorten in Unterfranken heuer ungefähr 2000 Stellen abbauen werden.
Schon im vergangenen Jahr seien in der Region 3000 Arbeitsplätze gestrichen worden. Andererseits hätten unter anderem Kurzarbeit und staatliche Corona-Hilfen "einen noch schnelleren Stellenabbau verhindert". Johannsmann zufolge arbeiten in Unterfranken aktuell 25 Prozent der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie kurz.
Im zweiten Halbjahr 2020 seien die Geschäfte "wieder leicht positiv" gewesen. 41 Prozent der befragten Unternehmen stuften ihre Inlandsgeschäfte als positiv ein, 37 Prozent negativ. Anders sehe es freilich bei den für die Branche wichtigen Exporten aus, so Johannsmann. Gut sei das Auslandsgeschäft für 21, schlecht für 45 Prozent.
"Wir kommen aus dem Tal, aber langsam", fasste Johannsmann die Stimmung in der unterfränkischen Metall- und Elektroindustrie zusammen. Die Situation habe sich seit Sommer stabilisiert. Dennoch seien die Betriebe "von einem Nachkrisenaufschwung noch weit entfernt". An der bayme-Umfrage haben sich nach Verbandsangaben Unternehmen mit zusammen 50 Standorten in Unterfranken und dort etwa 30 000 Beschäftigten beteiligt.
Mit Bangen blickte Johannsmann auf die finanzielle Kraft der Unternehmen in Folge der Corona-Krise. Stichwort Insolvenzen: Er sehe die Gefahr, "dass wir da was vor uns herschieben". Der Verbandsvertreter spielte damit auf die Tatsache an, dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Meldepflichten des Insolvenzrechts gelockert hat, um eine Pleitewelle zu vermeiden.
In der Tat ist bislang die Zahl von Insolvenzen bundesweit und in der Region nicht gestiegen. Freilich befürchten Experten, dass das dicke Ende kommt, wenn wieder die alten Vorschriften gelten.
Johannsmann geht aufgrund der aktuellen Branchenumfrage davon aus, dass bis Ende des Jahres 50 Prozent der unterfränkischen Metall- und Elektro-Unternehmen das Geschäftsniveau aus der Zeit vor der Corona-Krise wieder erreicht haben. Der Rest erwarte diese Erholung erst für 2022 oder später. Die Brexit-Folgen und die heiklen Handelsbeziehungen mit den USA kämen erschwerend hinzu.
Angeheizt wird das Thema von den laufenden Tarifverhandlungen. Die IG Metall verlangt vier Prozent mehr Geld, sogenannte Zukunftstarifverträge und Optionen zur Verkürzung der Arbeitszeit. Johannsmann sagte am Dienstag in Würzburg, dass die Unternehmen das derzeit nicht leisten könnten.
Ähnlich sah das schon Angelique Renkhoff-Mücke Mitte Dezember beim Auftakt der Tarifrunde. Die Chefin des Sonnenschutzherstellers Warema in Marktheidenfeld ist Verhandlungsführerin des Unternehmerverbandes vbm und betonte damals, dass es derzeit allein darum gehe, das Überleben der Betriebe zu sichern. Sie erwarte daher "schwierige Verhandlungen" mit der Gewerkschaft, ist in einer vbm-Mitteilung zu lesen.