Die Rhön-Klinikum AG ist einer der großen Arbeitgeber in Mainfranken. Ein geschrumpfter Riese jedoch, der nach dem Verkauf von gut 40 Kliniken an Fresenius vor zwei Jahren in wesentlich kleinere Kleider geschlüpft ist. Und in diesem neuen Format will „die Rhön“ die in der Branche wohl größte Herausforderung seit Generationen nehmen: die schier schrankenlose Digitalisierung des Metiers, Medizin 4.0 also.
Weil die Turbulenz nach dem Abstoßen der Kliniken vorbei ist, verlief die Hauptversammlung des im MDax notierten Krankenhauskonzerns (15 700 Mitarbeiter, 5200 Betten) ruhig. Einer der knapp 300 Gäste in der Frankfurter Jahrhunderthalle befürchtete gar, dass die Rhön-Aktie zu einem „langweiligen Witwen- und Waisenpapier“ werde.
Doch vor allem Klinik-Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Eugen Münch ließ in seiner anderthalbstündigen, zum Teil frei vorgetragenen Rede nicht locker zu betonen, dass sich das Bad Neustadter Unternehmen wegen Medizin 4.0 in einer Veränderung „von enormer Dimension“ befinde. Der als Campus bezeichnete Klinik-Neubau in Bad Neustadt werde dem gerecht. Dieser Campus ist eine der größten Baustellen in Mainfranken (180 Millionen Euro Kosten) und soll nach Firmenangaben die ambulante mit der stationären Patientenbehandlung verzahnen – inklusive enger Kooperation mit niedergelassenen Ärzten in der Region. Grundlage dafür ist eine ausgeklügelte Nutzung von Patientendaten.
In diesem Zusammenhang wies Vorstandschef Martin Siebert darauf hin, dass 2016 die Zusammenarbeit mit dem IT-Unternehmen IBM im Mittelpunkt stehe. IBM hat die Software „Watson“ entwickelt, die auch das Rhön-Klinikum einsetzen will. Watson wertet sämtliche schriftlichen Patientendaten und das aus, was der Kranke gegenüber dem Arzt über sein Leiden spricht. Dann gibt Watson dem Mediziner eine Diagnose aus. Münch will erfahren haben, dass Watson mit dieser künstlichen Intelligenz eine deutlich größere Trefferquote bei der Diagnose hat als ein Spitzenmediziner aus Fleisch und Blut.
Für die Geschäftszahlen des Konzerns gab es auf der Hauptversammlung Lob. Die Aktionäre werden wie im vergangenen Jahr eine Dividende von 80 Cent je Stückaktie bekommen. Vorstandsvorsitzender Siebert ließ offen, ob die Rhön wieder Kliniken zukaufen wird.
Eine entsprechende Frage war in Frankfurt aus den Reihen der Aktionäre aufgekommen. Für den Rückkauf von Helios-Kliniken gebe es keine Pläne, so Siebert.
Wie Münch gab sich auch Siebert selbstbewusst, was die Zukunft des geschrumpften Konzerns angeht:„Wir bleiben treibender Gestalter der Gesundheitsversorgung in der Region.“ Die Zusammenarbeit mit IBM und seinem kognitiven Programm Watson, der Campus-Neubau, der Aufbau einer Datenbank mit ungefähr 140 Medizin-Experten aller Konzernstandorte und die neue Rhön-Innovations GmbH seien die Schwerpunkt des Unternehmens im laufenden Jahr.
Die Rhön-Klinikum AG ist seit 1989 börsennotiert. Hauptaktionäre sind die auf Medizinbedarf spezialisierte B. Braun Melsungen AG (20 Prozent), die Asklepios-Kliniken (18) und die Familie Münch (12).
2015 hatte der Konzern nach eigenen Angaben 765.100 Patienten, im ersten Vierteljahr 2016 knapp 206.000.