Man kann das Vorhaben der Rhön-Klinikum AG im wörtlichen Sinn getrost als massives Bekenntnis zum Standort Bad Neustadt, zum Landkreis Rhön-Grabfeld und zur Rhön bezeichnen, die dem privaten Klinikkonzern den Namen gab. Die Rhön-Klinikum AG investiert gerade stolze 180 Millionen Euro in Bad Neustadt, dort wo die Konzerngeschichte 1973 mit der Übernahme der Bewirtschaftung des Kur- und Therapiezentrums von Bad Neustadt begann. Immerhin ist das die größte Investition, die es jemals in Rhön-Grabfeld gab.
Für den Klinik-Komplex mit Herz- und Gefäßklinik, Neurologie, Handchirurgie und Psychosomatik auf dem Klinikberg des Bad Neustädter Stadtteils Herschfeld war schon längere Zeit ein Um- oder Neubau im Gespräch. Jetzt wird er richtig groß. Denn durch den Verkauf von 43 Kliniken in den Jahren 2013 und 2014 hat der Konzern rund drei Milliarden Euro erlöst. Da ist nach der Beteiligung der Aktionäre in Höhe von 1,7 Milliarden Euro genügend Geld für Investitionen übrig. Die größte: der neue Bad Neustädter Klinik-Campus. Zum offiziellen Spatenstich kommt an diesem Freitag die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml.
Der kompakte Bau wird in drei Bauabschnitten erstellt. Zunächst erfolgt der komplette Neubau des stationären Bereichs auf einer gerodeten Fläche direkt neben dem bisherigen Klinikgelände. Er gliedert sich in vier rechteckige Baukörper, die mit einem Längsbau verbunden sind. Dort sind insgesamt 668 Betten vorgesehen – 476 Normalbetten, 120 Betten zur Intensivüberwachung und 40 Betten auf der Intensivstation. Dazu kommen 21 Betten für Wöchnerinnen und elf Palliativbetten.
Miteingerechnet sind dabei die Betten der Kreisklinik. Die hat der Kreistag Rhön-Grabfeld mit Beschluss vom 25. Juli an die Rhön-Klinikum AG verkauft. Ab 1. Januar 2016 ist die Rhön-Klinikum AG damit auch für die stationäre Grundversorgung in Rhön-Grabfeld zuständig. Die Klinik zieht nach Fertigstellung des Baus mit all ihren Einrichtungen und der dazugehörigen Pflegeschule in den Neubau um.
Der Konkurrenz stellen
Damit konzentrieren sich alle Kliniken in Rhön-Grabfeld auf den neuen Rhön-Klinikum-Campus und bieten alles von der Grundversorgung bis zum medizinischen Angebot auf Uni-Niveau. Dabei ist sich Vorstandsvorsitzender Martin Siebert mit Landrat Thomas Habermann einig, dass das genau das richtige Konzept für den Landkreis ist. Denn der müsse sich gegen die Konkurrenz anderer großer Kliniken aufstellen. Siebert sieht dieses Konzept durchaus als Blaupause für andere Landkreise und sagt: „Das Angebot wird moderner, breiter und hochkarätiger.“
Dass es bisher schon eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kreisklinik in der Stadt und den Häusern auf dem Klinikberg in Herschfeld gab, macht ärztlicher Direktor und Rhön-Klinikum-Vorstandsmitglied Bernd Griewing klar. Denn knapp 400 Fälle pro Jahr kamen im Durchschnitt schon bisher von der Kreisklinik zum Rhön-Klinikum und umgekehrt. Eine Zumutung für die Patienten, die durch die Zusammenlegung wegfällt.
Für den neuen Campus hat das Rhön-Klinikum ein interdisziplinäres Konzept im Blick, erklärt Griewing. Die Aufteilung in einzelne Klinikarten soll weitestgehend aufgelöst werden. Die stationäre Akut- und Rehaversorgung wird ausgebaut, altersgerechte Wohnkonzepte sind angedacht, ebenso die Versorgung von Chronikern. Prävention soll eine große Rolle spielen, unter anderem mit Wellnessangeboten wie früher bei der klassischen Kur. Durch die Übernahme der Kreisklinik kommt die Notarztversorgung rund um die Uhr dazu. Außerdem entsteht ein großer ambulanter Bereich. Dort können sich auch selbstständige Ärzte und eine Apotheke einmieten.
Der erste Bauabschnitt mit dem Akutneubau soll 2018 in Betrieb gehen, die Kreisklinik Mitte des Jahres umziehen. Bis dahin soll außerdem das Parkhaus mit Stellplätzen für 900 Autos fertig sein. Danach folgt Bauabschnitt zwei, in dem in erster Linie der Reha-Bereich auf dem bestehenden Klinikgelände um- und ausgebaut wird. Als Bauzeit ist dafür Sommer 2018 bis Winter 2019 vorgesehen. Zusätzlich zu den 14 regulären OP-Sälen und den zwei Hybrid-OP-Sälen im Akutneubau werden dort sechs weitere ambulante OP-Säle entstehen und es kommen noch einmal 180 Betten dazu.
Im dritten Bauabschnitt folgen dann im jetzigen Gebäudebestand Umbauten für Räume zum altersgerechten Wohnen, Wohnungen, Apartments und ein Gästehaus.
Für den Gesundheitscampus, der bis zur Hubschrauberlandefläche auf dem Dach eine Höhe von 25 Metern und eine Gesamtfläche von 70 000 Quadratmetern hat, werden 125 000 Tonnen Beton verbaut und 8000 Tonnen Stahl. Wegen der besonderen geologischen Verhältnisse ist alleine die Bodenplatte einen Meter dick.
Der Bau wird über eine sehr interessante Temperaturregulierung verfügen. Denn in die Bettenstationen wird eine sogenannte thermische Bauteilaktivierung eingebaut. Das heißt, der Beton wird je nach Außentemperatur von gekühltem oder erwärmtem Wasser durchflossen. Nicht ganz ohne Stolz heißt es dazu vom Rhön-Klinikum: Damit wird mit sehr geringem Energieaufwand auch im Sommer bei höheren Außentemperaturen ein angenehmes Klima erreicht. Die Strom- und Wärmeversorgung erfolgt wie schon bisher mittels Blockheizkraftwerken. Damit bleibt der Campus autark. Wegen der guten Wärmedämmung wird der Neubau allerdings nur ein Drittel des Energiebedarfs der alten Klinikbauten haben.
Großen Wert legen die Verantwortlichen des Rhön-Klinikums auf die Netzwerkmedizin. Der Campus Bad Neustadt mit seinen rund 2500 Mitarbeitern plus weiteren 450, die von der Kreisklinik dazukommen, ist Teil des bundesweiten Netzwerks von Leistungserbringern aller Versorgungsstufen zur Umsetzung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung. Die enge Vernetzung von Akutstationär und Reha soll mit dem Neubau noch verstärkt werden, heißt es vom Rhön-Klinikum, ebenso wie die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten.
Profitieren werden die Patienten von der engen Kooperation mit den beiden Universitätskliniken Gießen und Marburg. Die gehören ebenfalls zur Rhön-Klinikum AG. Seit Januar sind drei der Bad Neustädter Rhön-Klinikum-Häuser bereits akademische Lehrkrankenhäuser der Philipps Universität Marburg: die Herz- und Gefäßklinik, die Neurologische Klinik und die Psychosomatische Klinik.
Die Geschichte der Rhön-Klinikum AG
Mit der Übernahme der Bewirtschaftung des Kur- und Therapiezentrums in Bad Neustadt/Saale als Rehabilitationszentrum begann die Geschichte des Rhön-Klinikums. Die erste Klinik, die das Unternehmen in Bad Neustadt eröffnete, war dann 1975 die Psychosomatische Klinik, die erst vor kurzem das 40-jährige Bestehen beging. 1984 nahm die Herz- und Gefäßklinik den Betrieb in Bad Neustadt auf. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit einem Gründungskapital von zehn Millionen DM (5,11 Millionen Euro) erfolgte 1988 und im November 1989 ging die Rhön-Klinikum AG als erster deutscher Klinikkonzern an die Börse. Ab da begann dann die Übernahme von Kliniken – meist von öffentlichen Trägern, die mit der Finanzierung ihrer Häuser Probleme bekommen hatten. 1991 eröffnete mit der Neurologischen Klinik ein weiteres Krankenhaus des Konzerns in Bad Neustadt. Schon im Jahr darauf machte mit der Klinik für Handchirurgie ein weiteres Rhön-Klinikum-Haus am Rhöner Stammsitz auf. Danach folgten Jahre, die in erster Linie geprägt waren von der Übernahme einer Vielzahl von Kliniken in der Bundesrepublik. Herausragend war dabei 2006 die Übernahme des Universitätsklinikums Gießen und Marburg mit 2262 Betten.
Seitdem gehört dem privaten Klinikkonzern das Universitätsklinikum zu 95 Prozent. Fünf Prozent hält noch das Bundesland Hessen. Damit war die Rhön-Klinikum AG der erste private Klinikkonzern, der ein Haus der universitären Maximalversorgung besaß.
Es folgten weitere Jahre, in denen die Rhön-Klinikum AG auf Einkaufstour ging und Krankenhäuser kaufte. Es folgte eine Umbesinnung. Zunächst wollte Firmengründer, langjähriger Vorstandsvorsitzender und derzeitiger Aufsichtsratsvorsitzender Eugen Münch den gesamten Konzern an den Medizinkonzern Fresenius verkaufen. Als das scheiterte, verkaufte die Rhön-Klinikum AG 43 Kliniken an Fresenius-Helios und hat jetzt nur noch die Kliniken in Bad Neustadt, Gießen/Marburg, Bad Berka und Frankfurt/Oder. Aus dem Verkaufserlös finanziert sich der Campus-Neubau in Bad Neustadt. Text: huhe