"Es darf keine Corona-Generation geben": Mit dieser Forderung war Ende Juli die IG Metall an die Öffentlichkeit gegangen, um auf die Langzeitgefahren der Pandemie vor allem für die Berufsausbildung junger Menschen aufmerksam zu machen. Für Schulabgänger stellt sich die Kernfrage: Ist es in diesen für Betriebe heiklen Zeiten überhaupt sinnvoll, eine Lehre zu machen?
Die Unsicherheit unter den jungen Menschen ist in dieser Hinsicht groß, sie sind zurückhaltend: Das hat Bereichsleiter Lukas Kagerbauer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt festgestellt. Auf der anderen Seite seien die Unternehmen in der Region sehr wohl bereit, auch in Corona-Zeiten Ausbildungen anzubieten.
Weil sich da eine aus ihrer Sicht gefährliche Kluft auftut, traten Kagerbauer, Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul von der Handwerkskammer für Unterfranken und der Chef der Agentur für Arbeit in Würzburg, Stefan Beil, am Freitag vor die Presse. Ihr Appell: Schulabgänger sollten auf jeden Fall eine Berufsausbildung beginnen, Corona hin oder. Selbst jetzt noch, obwohl der 1. September als klassischer Beginn des Ausbildungsjahres schon vorüber ist.
Seit Jahren klaffen in Mainfranken die Zahl der Ausbildungsplätze und die der Bewerber immer weiter auseinander: Gab es 2013 zum Beispiel im Raum Würzburg/Kitzingen/Main-Spessart noch rund 3800 Lehrstellen bei ebenso vielen Bewerbern, sind es heuer knapp 4300 Stellen bei 2900 Bewerbern. Im Raum Schweinfurt/Main-Rhön ist die Differenz laut Arbeitsagentur in den vergangenen Jahren auf ein ähnliches Maß gewachsen.
Allein im unterfränkischen Handwerk sind nach Angaben der Kammer heuer im Vergleich zum Vorjahr rund 6 Prozent weniger Lehrverträge abgeschlossen worden. Im Gebiet der mainfränkischen IHK beträgt das Minus gar 14 Prozent. Das sei kein gutes Signal für die regionale Wirtschaft, so Kagerbauer.
Die Betriebe suchen also trotz Corona immer vehementer nach Nachwuchskräften – auch, um dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel entgegenzusteuern. Wer nicht ausbildet, hat später auch kein Fachpersonal: Dieser Sinnspruch macht seit langem in der Wirtschaft die Runde. Seine Brisanz nimmt zu.
Und jetzt auch noch Corona: Die Pandemie "hat Spuren auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen", sagte Agenturchef Beil. Er rechne damit, dass sich die Lage im kommenden Jahr verschärfen werde. Denn Jugendliche könnten dann noch mehr als heute wegen der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten verunsichert sein, was den Beginn einer Lehre angeht.
Immerhin das Handwerk sieht dem mit Selbstbewusstsein entgegen, wie Kammergeschäftsführer Paul verdeutlichte. "Wir haben keinen Corona-Jahrgang", wenngleich die Lehrstellenbörse der Kammer nach wie vor 1000 offene Lehrstellen verzeichne. Die wirtschaftliche Lage der 18 500 Betriebe in Unterfranken sei in der Regel gut. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", so Paul mit Blick auf die Corona-Krise.
In eine ähnliche Kerbe schlug Kagerbauer von der IHK: Corona spiele für die ausbildungswilligen Betriebe keine große Rolle – noch nicht. 60 Prozent wollten ihr Kontingent an Lehrlingen unverändert lassen. 70 Prozent hätten wiederum angegeben, dass sie heuer zu wenige oder gar keine Bewerbungen auf ihre Lehrstellen bekommen hätten, erklärte der Bereichsleiter unter Berufung auf eine aktuelle IHK-Umfrage.
Agentur für Arbeit, IHK und Handwerkskammer bieten auf ihren Internetseiten Lehrstellenbörsen sowie Tipps rund um die Ausbildung an. Außerdem gibt es jeweils Apps, mit denen man via Smartphone ebenfalls Stellen in Mainfranken finden kann.