Eugen Münch, Aufsichtsratsvorsitzender und Gründer der Rhön-Klinikum AG, darf sich diese Woche ein bisschen wie der FC Bayern München fühlen. Der Meistertitel ist in der Tasche, auf die Meisterschale müssen die Roten aber warten bis zum ordentlichen Schluss der Saison.
Eugen Münch hat im Kampf um die Zukunft "seiner" Rhön-Klinikum-AG, den Konkurrenten und Anteilseigner B. Braun Melsungen abgeschüttelt. Am Mittwoch gab B. Braun bekannt, seinen 25-Prozent-Anteil abzugeben. Aber Münch muss noch bis August warten, bis bei der Hauptversammlung des Rhön-Klinikum-Konzerns die endgültigen Tatsachen für ein Joint Venture von Asklepios und Rhön-Klinikum geschaffen werden können.
Ein Krimi, der im Februar begann
Wie in der Bundesliga ist das Spannungshoch also schon um einiges früher erreicht als gedacht. Der Krimi hatte einen Tag nach dem 75. Geburtstag von Eugen Münch am 27. Februar begonnen, als dieser das Joint Venture mit Asklepios angekündigt und damit sogar den eigenen Rhön-Klinikum-Vorstand überrascht hatte.
Die Versuche von B. Braun, bei einer außerordentlichen Hauptversammlung Anfang Juni den von Asklepios und Münch eingeschlagenen Kurs zu ändern, scheiterten. Münch und andere Aufsichtsratsmitglieder wurden nicht abberufen, eine Satzungsänderung fand ebenfalls keine Mehrheit.
Einfluss-Ende im verflixten siebten Jahr
Im verflixten siebten Jahr endet also der Machteinfluss von B. Braun beim Rhöner Klinikbetreiber. 2013 waren die Hessen eingestiegen, um eine Dominanz des Konkurrenten Asklepios zu verhindern. Seitdem herrschte so etwas wie eine Patt-Situation. Ein Zustand, den Eugen Münch nicht dulden wollte.
Mit 75 Jahren hat Münch die Altersgrenze für einen Aufsichtsratsposten erreicht. Er suchte einen Weg, klare Verhältnisse zu schaffen und dennoch Einfluss zu behalten. Den soll er in tragender Weise auch unter dem Asklepios-Dach haben, in zentraler Funktion angedockt an das neue Führungsgremium.
Asklepios hält jetzt 83 Prozent der Aktien
Beim Hamburger Asklepios-Konzern reibt man sich unterdessen die Hände. Bis Mittwoch 18 Uhr wurden den Nordlichtern rund 22 Millionen Aktion angeboten, das bedeutet einen Stimmrechtsanteil von 83 Prozent. Der Zuwachs von rund 25 Prozent stammt aus der Übernahme der B.-Braun-Aktienanteile.
Wie es von Asklepios heißt, greift nun die sogenannte Zaunkönig-Regelung: Eine weitere Annahmefrist des Übernahmeangebots läuft voraussichtlich vom 23. Juni bis zum 6. Juli 2020. Bis dahin haben alle übrigen Rhön-Aktionäre Zeit, das Übernahmeangebot anzunehmen.
"Wir freuen uns über die hohe Annahmequote. Mit rund 83 Prozent der Stimmrechtsanteile haben wir eine starke Mehrheit, um eine wichtige strategische Weichenstellung für Rhön auf den Weg zu bringen", sagte Asklepios-Chef Kai Hankeln am Donnerstag. Hankeln geht davon aus, dass noch weitere Anleger das Übernahmeangebot von 18 Euro je Aktie wahrnehmen werden.
Es geht um 18 000 Arbeitsplätze
Wenn Asklepios mit dem Segen des Kartellamtes das Ruder beim Rhön-Klinikum übernimmt, geht es um über 18 000 Arbeitsplätze, davon rund 3000 am Standort Bad Neustadt mit dem neuen Rhön-Klinikum-Campus. Am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, das 2006 aus staatlicher Hand an die Rhön-Klinikum AG ging, geht nach Medienberichten die Angst um vor schlechteren Arbeitsbedingungen oder gar einer Tarif-Flucht. Offenbar wollte die hessische Landesregierung eine Klausel nutzen, um bei einer veränderten Mehrheitsstruktur bei der Rhön-Klinikum-AG das Haus wieder in die öffentliche Hand zurückzuholen. Doch die Klausel wurde nicht verlängert und lief 2019 aus.
Sorge um Tarif-Flucht in Hessen
Selbst der Rhön-Aufsichtsrat befürchtet für die Rhön-Klinikum-Mitarbeiter, dass "sich die Mitbestimmungskultur durch eine Übernahme durch Asklepios deutlich verschlechtern und sich dies wiederum negativ auf die Motivation der Beschäftigten auswirken" werde, heißt es in einer Stellungnahme vom April. Darin werden auch Fälle von Tarif-Flucht durch Asklepios kritisch kommentiert.
Von solchen Unsicherheiten ist am Standort Bad Neustadt aber nichts zu hören. "Auf die Mitarbeiter wird das keinen Einfluss haben, dazu sind wir zu wertvoll", sagte der selbstbewusste Campus-Betriebsratschef Helmut Bühner am Donnerstag gegenüber dieser Redaktion. Pflegepersonal sei vielmehr nach wie vor gesucht.
Gelassenheit am Standort Bad Neustadt
Ein Zustand sei nun bald beendet, der die Konzern-Aufstellung im Wettbewerbsumfeld erschwert habe. Die Rhön-Klinikum AG werde als eigenständiges Unternehmen erhalten bleiben, freilich unter dem Dach von Asklepios. "Ich bin sicher, dass wir keine Existenzängste haben müssen dank des neuen Campus-Baus", sagt Bühner. Damit verfüge Asklepios nämlich über eine Perle am Standort Bad Neustadt.
"Deswegen können wir gelassen sein. Anders sähe es aus, wenn Kreiskrankenhaus und alte Klinikgebäude noch getrennt wären, dann hätte man sich vielleicht Sorgen machen können", sagt der Betriebsrats-Chef, der entspannt der Hauptversammlung im August entgegensieht.