Seit Jahren bekommt man kaum Geld, wenn man Erspartes anlegt. Auf der anderen Seite verlangen Banken und Sparkassen aus Verbrauchersicht ebenfalls seit Jahren stattliche Zinsen für Kleinkredite, zum Beispiel wenn das Girokonto überzogen wird. Wie passt das zusammen?
Ein Leser aus dem Kreis Schweinfurt hatte sich an diese Redaktion gewandt, weil er seiner Bank "Raubrittertum" vorwirft. Er zahle für einen Dispo-Kredit 8,25 Prozent Zinsen. Das zieht allerlei Fragen nach sich. Experten aus der Region geben Antworten.
8,25 Prozent Dispozins: Ist das normal?
Durchaus. So verlangt die Sparkasse Mainfranken als in der Region größtes Geldhaus ihrer Art nach eigenen Angaben 8,14 Prozent bei einem Dispokredit. Allerdings könnten die Beträge je nach Kontomodell variieren, so Sprecher Stefan Hebig. Die Sparkasse Schweinfurt zum Beispiel stellt bei einem Dispokredit 7,95 Prozent Zinsen in Rechnung, wie es auf der Website heißt.
Wird das Konto auch über den festgelegten Rahmen überzogen, wird es noch teurer. Bei der Sparkasse Mainfranken etwa werden dann 11,14 Prozent Überziehungszinsen fällig. Wie hoch Dispo- und Überziehungszinsen generell bei den bayerischen Sparkassen sind, konnte der Sparkassenverband in München nicht herausfinden. Die 63 angeschlossenen Sparkassen übermittelten solche Daten nicht, lautete die Auskunft von Verbandssprecherin Eva Mang.
Bei den Volks- und Raiffeisenbanken im Freistaat beträgt der Dispo-Zinssatz im Durchschnitt 7,14 Prozent, wie Sprecher Gerald Schneider vom Genossenschaftsverband Bayern mitteilte. Für den Überziehungszins gebe es keine Daten. Er liege aber grundsätzlich über dem Dispozins.
Wie sehen Verbraucherschützer die Lage?
"Dispozinsen verharren seit Jahren auf einem extrem hohen Niveau. Eine Orientierung am anhaltenden Niedrigzinsumfeld ist nicht erkennbar", lautet die Einschätzung von Finanzberaterin Judit Maertsch vom Verbraucherservice Bayern in Würzburg. Bei den Filialbanken in der Region betrage der Dispozins nahezu 10 Prozent.
Maertsch hat beobachtet, dass Besserverdienende offenbar bessere Konditionen haben: Bei wem jeden Monat 3000 Euro oder mehr auf dem Girokonto eingehen, der zahle zum Teil 30 Prozent weniger Dispo- oder Überziehungszins. Immerhin sei zu begrüßen, dass die Geldhäuser per Gesetz gezwungen sind, die Zinssätze "leicht auffindbar und transparent" auf ihren Internetseiten zu veröffentlichen.
Nullzinsen hier, hohe Dispozinsen da: Wie ist das moralisch zu bewerten?
Eine solche Diskrepanz sei absurd und verwerflich, kritisiert Verbraucherschützerin Maertsch. Gerade die Sparkassen "als gemeinnützige Kreditinstitute" erfüllten einen öffentlichen Auftrag, weil sie unter anderem zur Kreditversorgung der örtlichen Bevölkerung verpflichtet seien. Das stehe nicht im Einklang mit hohen Dispozinsen, null Guthabenzinsen und Filialschließungen.
Wie begründen die Banken die hohen Dispo- und Überziehungszinsen?
Ein Ratenkredit zum Beispiel zur Finanzierung eines großen Kaufs muss gegenüber der Bank abgesichert werden für den Fall, dass der Kunde ihn nicht zurückzahlen kann. Ein Dispokredit hingegen habe keine Absicherung, lautet der Hinweis von Sprecher Stefan Hebig von der Sparkasse Mainfranken. Dieses Risiko für das Geldinstitut plus ein höherer Verwaltungsaufwand sei der Grund für den im Vergleich zu Ratenkrediten oder zu Geldanlagen höheren Zinssatz.
Finanzexperte Franz-Josef Eichhorn von der Hochschule für angewandte Wissenschaften (FHWS) weist zudem darauf hin, dass die Geldhäuser bei Dispo- und Überziehungskrediten vor allem mit der Prüfung der Kreditwürdigkeit der Schuldnerinnen und Schuldner einen vergleichsweise hohen Aufwand hätten. Außerdem sicherten sich Banken und Sparkassen mit einer Risikoprämie für Kreditausfälle ab. Diese Prämien werden nach Ansicht des FHWS-Professors in die Zinsen für Kontokorrentkredite eingerechnet.
Hinzu komme, dass solche Zinsen für die Geldhäuser mittlerweile "eine der wenigen noch verbleibenden Ertragsquellen" seien. Gerade deshalb versuchten die Banken, "jeden preispolitischen Spielraum auszunutzen".
Was sind die Tücken, wenn das eigene Girokonto überzogen wird?
Ein Dispo- oder Überziehungskredit gilt nach den Worten von Eichhorn als eine der teuersten Formen, sich Geld zu beschaffen. Deshalb sollte er nur "in ungeplanten Ausnahmefällen und lediglich zeitweilig" in Anspruch genommen werden und nie, um Konsumausgaben zu finanzieren. Wer für längere Zeit Geld braucht, solle lieber einen günstigeren Ratenkredit aufnehmen.
Auch Verbraucherschützerin Maertsch sieht das so. Für sie ist ein Dispo- oder Überziehungskredit "nur die Notlösung". Das Konto zu überziehen, sei freilich "ein schneller und unbürokratischer Kredit".
Wie können sich Kundinnen und Kunden gegen hohe Dispozinsen wehren?
So gut wie gar nicht, meint FHWS-Finanzexperte Eichhorn. Denn nur bei einen kurzfristigen Kredit zum Beispiel in Millionenhöhe und einer einwandfreien Kreditwürdigkeit des Schuldners hätte er ein Mitspracherecht bei den Konditionen.
Was nach Ansicht von Verbraucherschützerin Maertsch für Otto Normalverbraucher bleibt, sei ein genauer Vergleich von Kontomodellen und Anbietern. Das lohne sich. Denn der Teufel stecke im Detail: "Niedrige Kontoführungsgebühren gleicht die Bank oft durch hohe Dispozinsen aus."
Wer als Bestandskunde dauernd mit Dispokrediten lebe, läuft nach Ansicht von Maertsch wegen der hohen Zinseszinsen Gefahr, in die Schuldenfalle zu geraten. Wer in dieser Situation zu einer vermeintlich günstigeren Bank wechseln will, tue sich schwer. Denn dann müssten die laufenden Dispokredite sofort zurückgezahlt werden.
Steigen die Dispozinsen weiter?
Eher nicht, glaubt man dem Trend der jüngsten Vergangenheit. Sparkassensprecher Hebig jedenfalls betont, dass die Zinssätze in den vergangenen fünf Jahren "nach unten angepasst" worden seien. Deutlicher wird Sprecher Schneider vom Genossenschaftsverband: Die Dispozinsen für klassische Privatkunden seien bei den bayerischen VR-Banken zwischen 2015 und 2020 um etwa 17 Prozent gesunken.