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Würzburg
Koenig & Bauer: Was der neue Chef will, was der alte vermisst
Das Würzburger Traditionsunternehmen Koenig & Bauer erlebt einen besonderen Führungswechsel. Ein Gespräch mit Techniker Claus Bolza-Schünemann und Sanierer Andreas Pleßke.
Stabwechsel bei der Koenig & Bauer AG: Vorstandschef Claus Bolza-Schünemann (rechts), der in den Ruhestand geht, und sein Nachfolger Andreas Pleßke im Würzburger Werk an einer neuen Druckmaschine für Banknoten.
Foto: Thomas Obermeier | Stabwechsel bei der Koenig & Bauer AG: Vorstandschef Claus Bolza-Schünemann (rechts), der in den Ruhestand geht, und sein Nachfolger Andreas Pleßke im Würzburger Werk an einer neuen Druckmaschine für Banknoten.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:10 Uhr

Nach gut 200 Jahren endet beim ältesten Druckmaschinenhersteller der Welt eine Ära: Zum ersten Mal wird an der Vorstandsspitze kein Nachfahre der Gründerfamilie stehen. Was ändert sich, wenn Andreas Pleßke zum Jahreswechsel den Stab von Claus Bolza-Schünemann übernimmt? 

Frage: Herr Pleßke, was dürfen die 5800 Beschäftigten von Koenig & Bauer von Ihnen als neuem Vorstandschef erwarten?

Andreas Pleßke: Ein großes Maß an Wertschätzung. Die stark empfundene Verantwortung, dass die Firma unter anderem auch die Aufgabe hat, diesen Mitarbeitern eine Zukunft zu bieten.

Mit Ihnen endet bei Koenig & Bauer nach über 200 Jahren die Familientradition, Sie sind kein Nachfahre der Unternehmensgründer. Was heißt das für Sie?

Pleßke: Na ja, das ist halt erst mal so. Man kann die Dinge, die man nicht ändern kann, nicht ändern (lacht).

Kein Zweifel, aber was bedeutet es für Sie? Bürde? Herausforderung?

Pleßke: Ich bin seit sechs Jahren dabei und kann sagen, dass wir hier schon recht lange ein bestimmtes Wertemodell leben. Diese Werte hängen sehr viel damit zusammen, dass die Firma von einer Familie über Jahrhunderte hinweg geführt wurde. Diese Werte fortzuführen, das habe ich mir vorgenommen.

Um welche Werte geht es?

Pleßke: Ich glaube, da unterscheidet sich ein Familienunternehmen nicht von einem Nicht-Familienunternehmen. Wir sind ja börsennotiert, deswegen kann man uns eigentlich nicht als Familienunternehmen bezeichnen. Wir sind vielmehr in der großen Breite aufgestellt. Dennoch hat die Gründerfamilie ein gewichtiges Wort in unserem Unternehmen und hat lange den Vorstandsvorsitzenden gestellt. Um welche Werte geht es also? Alles geht nur, wenn die Firma ertragsstark ist. Ein Wert ist, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir nicht kurzfristig oder in Quartalen gedacht, sondern mittelfristig gedacht die Firma ertragsstark halten oder ertragsstärker machen. Es ist zudem sehr sinnvoll, dass wir alle unsere Stakeholder (An,m d. Red.: Anteilseigner plus  am Unternehmen orientierte Interessensgruppen) im Blick haben. Alle. Das fängt bei den Kunden an. Denen müssen wir zuhören. Das geht mit den Mitarbeitern weiter, mit den Lieferanten, mit unseren Finanzierern und selbstverständlich mit unseren Aktionären.

"So ein Tag kommt irgendwann."
Claus Bolza-Schünemann über das Ende der Familientradition bei Koenig & Bauer
Ende der Familientradition: Was heißt das für Sie, Herr Bolza-Schünemann?

Claus Bolza-Schünemann: Das ist Neuland. So ein Tag kommt irgendwann. Ist auch nicht schlimm. Im Gegenteil: Das hat ja auch einen gewissen Charme. Ich finde es überragend, dass Dr. Pleßke die Werte sehr gerne weiterträgt, die dieses Unternehmen schon immer beflügelt und die es über unwahrscheinlich viele Krisen hinweggetragen haben. Ich habe Vertrauen, dass das auch nach meiner Zeit so weitergelebt wird.

Was für eine Art Chef wird Andreas Pleßke sein?

Bolza-Schünemann: (Zögert) Gute Frage. Ein völlig anderer als ich.

Das heißt?

Bolza-Schünemann: Ich bin mein Leben lang ein Techniker. Ich liebe die Technik. Herr Dr. Pleßke ist von Hause aus Jurist. Er ist ein passionierter, professioneller Sanierer. Aber er kennt den Maschinenbau sehr gut, er hat eine hohe Affinität zum Maschinenbau. Diese Kombination ist wirklich gut. Gerade in den Zeiten, in denen wir gerade stecken und die uns noch bevorstehen, passt das hervorragend.

Hat er Sie gut beschrieben?

Pleßke: Um zu beschreiben, wie ich bin, müssten Sie meine Frau fragen (lacht). Aber objektiv stimmt’s. Ich habe zwei berufliche Hintergründe: Juristik und Wirtschaftswissenschaften. Ich bin seit 2001 im Management von Technologieunternehmen, überwiegend im Maschinenbau. In der Tat bin ich mehrfach mit der Aufgabe betraut worden, Firmen durch schwierige Zeiten zu manövrieren.

Ihr Name ist eng verbunden mit dem Programm „Fit@All“, mit dem Sie Koenig & Bauer vor einigen Jahren aus einer Krise halfen. Nun leben wir wegen Corona in einer allgemein schwierigen Zeit. In welcher Weise fordert Sie das heraus?

Pleßke: Das, was jetzt auf uns zukommt, ist für mich überhaupt nichts Neues. Ich war in den vergangenen 20 Jahren in Unternehmen, die entweder konjunkturell in einer schwierigen Lage waren oder die branchenbezogen, manchmal auch unternehmensbezogen, in Schwierigkeiten steckten. In einem unklaren Fahrwasser unterwegs zu sein, ist für mich nichts Neues.

Das Sanierungsprogramm hatte den Abbau von mehr als 1000 Arbeitsplätzen bei Koenig & Bauer zur Folge. Muss die Belegschaft wegen Corona Ähnliches befürchten?

Pleßke: Wir kommunizieren natürlich mit unserer Belegschaft und unseren Betriebsräten über unser jetziges Konzept „Performance 2024“. Das ist kein hartes Restrukturierungsprogramm wie „Fit@All“, das angelegt war auf anderthalb Jahre. Es ist vielmehr ein Programm, in dem Effizienzsteigerung, Entwicklung von neuen Maschinen und Innovation eine große Rolle spielen. Je nachdem, wie im Herbst unser hoffentlich kluger Blick auf die nächsten Jahre sein wird, werden wir uns auch der Frage stellen müssen, wie die Auslastung in den kommenden Jahren aussieht. Da kann es auch zu Mitarbeiterabbau kommen. Wir arbeiten dran. Die Auswirkungen von Corona auf die Welt sind schwer einschätzbar. In jedem Quartal lichtet es sich. Anfang März gaben wir andere Antworten als jetzt. Ich gehe davon aus, dass wir nach den Sommerferien viel besser abschätzen können, wohin die Reise geht.

Auf einer Skala von 1 wie super bis 10 wie miserabel: Wo steht Koenig & Bauer im Moment – gerade mit Blick auf Corona?

Bolza-Schünemann: Mittendrin. Wir haben Glück und Pech. Unser Glück ist, dass wir sehr affin beim Verpackungsdruck sind. Unsere Kunden haben hier gut zu tun. Ihre Märkte sind in Ordnung. Unser Pech ist, dass wir wegen Corona keine neuen Maschinen installieren können, wir können auch keinen Service leisten. Kunden können nicht zu unseren Druckvorführungen kommen. Das ist ein Schlüssel, dass Kunden auch wirklich kaufen. Das ist so, als wenn man vor dem Autokauf keine Probefahrt machen kann. Darunter leiden wir sehr. Hinzu kommt, dass wir nach wie vor 90 Prozent Export haben. Ganze Regionen in der Welt sind momentan buchstäblich abgeschottet.

Herr Pleßke, Sie haben im Vorstand von Koenig & Bauer ein Mandat bis 2025. Wie viele Mitarbeiter wird Koenig & Bauer in fünf Jahren haben?

Pleßke: Ich hoffe mehr als heute (lacht). In der Vergangenheit sind wir gewachsen, weil wir uns über unsere Kerngeschäftsfelder hinaus durch Zukäufe strategisch weiterentwickelt haben. Jetzt warten wir erst mal ab, wie viele Wellen Corona noch um die Welt schickt.

Was wird in fünf Jahren mit Maschinen von Koenig & Bauer bedruckt, was heute noch nicht bedruckt wird?

Pleßke: Da muss ich meine Fantasie strapazieren. Das Schöne ist, dass unsere Endmärkte völlig in Ordnung sind. Sie sehen die Druckerzeugnisse unserer Kunden am allerbesten, wenn Sie durch einen Supermarkt, eine Apotheke oder einen Drogeriemarkt gehen. Da sehen Sie Pappschachteln, Glasflaschen, Blech- und Folienverpackungen. Die werden nach meiner Einschätzung weltweit zunehmen. Das hat wenig zu tun mit Corona. Das ist in anderen Branchen anders. Ob wir einmal ganz andere Produkte drucken, habe ich jetzt nicht auf dem Radar.

Bolza-Schünemann: Mir fällt da schon was ein. Das ist die große Welt der Wellpappe. Da stecken wir noch in den Kinderschuhen. Wir haben die ersten Prototyp-Maschinen ausgeliefert. Das ist für uns eine neue Welt. Da gibt es große Wettbewerber. Ich hoffe sehr, dass wir in fünf Jahren ein ernstzunehmender Spieler werden in diesem Wellpappegeschäft.

Claus Bolza-Schünemann (von rechts) und sein Nachfolger Andreas Pleßke im Interview mit Main-Post-Redakteur Jürgen Haug-Peichl.
Foto: Thomas Obermeier | Claus Bolza-Schünemann (von rechts) und sein Nachfolger Andreas Pleßke im Interview mit Main-Post-Redakteur Jürgen Haug-Peichl.
Herr Bolza-Schünemann, mit welchem Gefühl gehen Sie in den Ruhestand?

Bolza-Schünemann: Offen gesagt, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weinend, weil ich immer die Druckmaschinen geliebt habe. Ich glaube, ich war sechs Jahre alt, als ich den ersten Kontakt mit einer Bogenmaschine hatte. Ich konnte mit super Mitarbeitern Großanlagen in alle Welt verkaufen und zum Teil mitinstallieren. Das war mein Leben. Das lachende Auge: jetzt Zeit zu haben für meine Familie, für meine Frau. Da ist vieles auf der Strecke geblieben. Der Beruf ist anstrengend, so schön das hier auch ist. Deshalb freue ich mich sehr auf den Unruhestand. Das wird ein Unruhestand, das weiß ich heute schon.

Von Ihrem Arbeitszimmer aus haben Sie einen Blick auf die Wiege von Koenig & Bauer im benachbarten Oberzell. Sie haben einmal betont, dass Ihnen dieser Blick wichtig sei. Herr Pleßke, von Ihrem jetzigen Zimmer aus haben Sie diesen Blick nicht. Werden Sie umziehen?

Bolza-Schünemann: Gute Idee.

Pleßke: Ich folge dem Rat des Vorstandsvorsitzenden (lacht.)

Claus Bolza-Schünemann und Andreas Pleßke

Claus Bolza-Schünemann (64) ist der Urururenkel von Friedrich Koenig, der 1817 mit Andreas Bauer im Kloster Oberzell bei Würzburg das erste Druckmaschinenunternehmen der Welt gründete. Bolza-Schünemann ist studierter Elektrotechniker und steht seit 2011 an der Spitze des Vorstands der Koenig & Bauer AG, die zuletzt einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro meldete. Der begeisterte Hobbymusiker will im Ruhestand unter anderem Kontrabass lernen und eine Amerika-Reise machen. Im Werk auch als "CBS" bekannt, ist der Familienvater seit 28 Jahren im Unternehmen und war bis 2010 drei Jahre lang ehrenamtlicher Präsident der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt.
Andreas Pleßke ist 58 Jahre alt, stammt aus Hof/Saale und sitzt seit 2014 im Vorstand der im S-Dax notierten Koenig & Bauer AG. Er gilt als versierter Sanierer und war zuvor unter anderem als Rechtsanwalt sowie für diverse Metall- und Maschinenbauunternehmen tätig. Bei Koenig & Bauer mit seinen weltweit 5800 Beschäftigten - 1700 davon in Würzburg, wo wegen Corona derzeit Kurzarbeit in allen Bereichen gilt - saß Pleßke von Mai 2016 bis November 2018 im Aufsichtsrat. Davor und danach war er dort Vorstandsmitglied, von 2014 bis 2016 unter anderem zuständig für Restrukturierung.
aug
 
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