Ein Riese wird noch riesiger: Der Gipskonzern Knauf hat ein internationales Unternehmen gekauft, an dem er schon zur Hälfte beteiligt gewesen war. Dem Konzert aus Iphofen im Landkreis Kitzingen beschert das auf einen Schlag 19 Fabriken für Gipskartonplatten mit zusammen 3200 Beschäftigten.
USG Boral heißt das Joint Venture mit Sitz in Singapur, das nun Knauf komplett gehört. Umgerechnet 860 Millionen Euro (1,015 Milliarden US-Dollar) blätterten die Iphöfer dafür hin. Es ist damit der zweite Mammutkauf innerhalb weniger Jahre, nachdem Knauf erst 2018 für rund 6 Milliarden Euro den US-Konkurrenten USG mit seinen gut 7000 Beschäftigten übernommen hatte.
Spätestens dieser Erwerb hatte die Mainfranken zum Gips-Weltmarktführer gemacht. USG wiederum hatte mit dem australischen Baustoffkonzern Boral 2014 das Gemeinschaftsunternehmen USG Boral gegründet. Seit USG zu Knauf ging, war das Iphofener Familienunternehmen damit bereits zu 50 Prozent an USG Boral beteiligt.
Dass dieses Joint Venture nun zu 100 Prozent Knauf-Eigentum ist, soll dem Unternehmen die Tür zu einem weltweit wichtigen Markt weit aufstoßen: USG Boral gilt als Branchenprimus vor allem in Südostasien. Diese Rolle hat nun Knauf inne – vorausgesetzt, die Kartellbehörden in Ländern wie Australien, Neuseeland und Thailand stimmen dem Kauf von USG Boral zu.
Wie Jörg Schanow von der Knauf-Geschäftsleitung auf Anfrage mitteilt, stehen insgesamt fünf Kartellverfahren an. Die Ergebnisse seien nicht vor Ende März 2021 zu erwarten. Erst dann sei die Übernahme in trockenen Tüchern.
Nach Schanows Worten war Boral mit einem Angebot auf Knauf zugegangen. Der Vertrag sei am Montag unterzeichnet worden. Nach dem USG-Kauf vor zwei Jahren nun mit fast einer Milliarde Euro wieder einen Mammutdeal zu stemmen, sei für sein Unternehmen kein ungewöhnlicher Schritt: "Wir wachsen solide."
Wie Knauf den Kauf von USG Boral finanziert, ließ Schanow offen. Der für die Bereiche Recht und Personal zuständige Manager hatte bereits beim Erwerb von USG 2018 eine entscheidende Rolle inne. Nach seiner Darstellung hat Knauf nun seine "Position als Weltmarktführer in der Gipsplattenindustrie ausgebaut".
In der Konzernzentrale in Iphofen werde sich in Folge der neuen Entwicklung wenig ändern, so Schanow gegenüber dieser Redaktion. Denn Knauf sei dezentral organisiert, so dass viele Entscheidungen vor Ort gefällt würden. Das Unternehmen hat eigene Fabriken unter anderem in China, Vietnam und Thailand. Mit USG Boral deckt Knauf diese laut Schanow "großen Wachstumsmärkte" sowie das Geschäft in Australien nun zusätzlich ab.
Typisch für die Verschwiegenheit der Iphofener Konzernlenker, waren schon in der Vergangenheit immer wieder wuchtige Firmenkäufe geräuschlos abgewickelt worden. So kaufte Knauf Ende September 2019 für umgerechnet 280 Millionen Euro einen Teil des Geschäfts des US-Anbieters Armstrong World Industries. Es ging dabei um die Deckensparte in Europa, Afrika, im Mittleren Osten und im Pazifik-Raum.
Dass der mainfränkische Konzern trotz aller öffentlicher Zurückhaltung alles andere als bescheiden ist, zeigte der geschäftsführende Gesellschafter Alexander Knauf zum Beispiel bei der als "Jahreshauptversammlung" deklarierten Weihnachtsfeier im Dezember. Sein Credo vor versammelter Mannschaft: "Wir gefallen uns nicht in der Rolle des Herausforderers, sondern in der des Marktführers."
Die internationale Ausbreitung von Knauf begann in den 1970er Jahren. Seither gab es immer wieder Aufkäufe oder Gründungen von Joint Ventures mit Partnern in aller Welt. Heute ist Knauf auf allen fünf klassischen Kontinenten vertreten und hat nach eigenen Angaben 250 Standorte in 85 Ländern mit zusammen 35 000 Beschäftigten. Der Jahresumsatz liegt bei 10 Milliarden Euro. Der Konzern zählt damit zu den 50 größten Familienunternehmen in Deutschland.
Die 19 Gipskartonfabriken, die Knauf nun mit USG Boral erworben hat, stehen nach Darstellung von Schanow vor allem in Australien, Vietnam, Thailand, Saudi Arabien, Südkorea und Indien. Boral bestätigte am Dienstag in einer Mitteilung den Verkauf der 50-Prozent-Anteile an Knauf.