Bei aller Tragik des Ukraine-Kriegs: Am Arbeitsmarkt hierzulande bieten sich Flüchtlingen und Unternehmen gleichermaßen Möglichkeiten: Denn viele Ukrainer - und vor allem Ukrainerinnen - bringen offenbar gute Voraussetzungen für einen Job mit und können so womöglich helfen, die Personalnot in vielen Betrieben zu entschärfen. Auch in Mainfranken hat sich das Augenmerk auf die Ukraine-Flüchtlinge gerichtet - allerdings noch mit Zurückhaltung.
Kaum Arbeitslosigkeit, ein Rekordniveau an freien Stellen: "Grundsätzlich haben wir einen sehr aufnahmefähigen Arbeitsmarkt", beschreibt Sprecher Wolfgang Albert von der Agentur für Arbeit in Würzburg die Lage in Mainfranken. In welchem Maße Ukraine-Flüchtlinge freilich auf die Schnelle einen Job bekommen können, hänge in erster Linie von ihrer Qualifikation und ihren Sprachkenntnissen ab.
Das sieht Sprecher Daniel Röper von der Handwerkskammer für Unterfranken ähnlich. Es sei noch nicht klar, welche Berufsgruppen mit welchen Fachkenntnissen unter den Flüchtlingen in der Region vertreten seien. Zudem müsse in jedem Fall geprüft werden, inwieweit die angegebene Qualifikation hierzulande anerkannt werden kann. So oder so sei man im Handwerk "sehr gespannt darauf", welches Fachkräftepotenzial sich unter den Ukraine-Flüchtlingen auftue, so Röper.
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) sieht grundsätzlich "ein hohes Qualifikationsniveau" unter jenen Menschen, die vor dem russischen Angriff in der Ukraine geflohen sind. Nachfrage nach ihnen bestehe in "allen Bereichen der bayerischen Wirtschaft" – vor allem in der Gastronomie, wie vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt auf Anfrage mitteilte.
Jörg Limberg ist Gastronom. Der Inhaber des Restaurants "Sax's" in Schweinfurt und Kreisvorsitzende des Gaststättenverbandes Dehoga zeigt sich zurückhaltend, was neue Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter aus der Ukraine angeht. Sprachkenntnisse, Qualifikation, Arbeitserlaubnis, Wohn- und Lebensverhältnisse – all das müsse erst von Fall zu Fall geklärt werden.
Hinzu komme, so Limberg, dass die Flüchtlinge wegen ihrer dramatischen Situation wahrscheinlich erst einmal mit sich selbst und der Lage ihrer Angehörigen beschäftigt seien. Darauf müsse Rücksicht genommen werden.
Humanitäre Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge hat erst mal Vorrang
Die humanitäre Hilfe stehe im Moment im Vordergrund, betont auch Isabel Schauz von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Die Solidarität mainfränkischer Unternehmen sei in dieser Hinsicht groß.
Abgesehen davon "benötigen die regionalen Unternehmen branchenübergreifend qualifizierte Fachkräfte". Für die Integration von Ukraine-Flüchtlingen in den hiesigen Arbeitsmarkt seien die rechtlichen Voraussetzungen vorhanden, ist sich Schauz sicher.
Wie viele Ukraine-Flüchtlinge wären schon für Job zu haben?
Das sieht auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg so. "Die Geflüchteten aus der Ukraine (...) dürften sich durch ein überdurchschnittliches Bildungsniveau und einen hohen Anteil von Frauen und Kindern auszeichnen", heißt es in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme.
Wie viele Ukraine-Flüchtlinge in Mainfranken schon für einen Job zur Verfügung stehen, lässt sich laut Arbeitsagentur-Sprecher Albert nicht beziffern. Die Zahl gehe "sowohl in Würzburg als auch in Schweinfurt gegen null". Es seien bislang kaum Anfragen eingegangen, auch nicht von Unternehmen mit freien Stellen. Albert geht jedoch davon aus, dass sich das in den kommenden Wochen ändern wird.
Geflüchtete mit ukrainischem Pass dürfen sich 90 Tage visumsfrei in Deutschland aufhalten. Sie bekommen nach den Vorgaben des Bundesinnenministeriums Geld aus dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Sätze liegen etwas unter denen der Hartz-IV-Leistungen. Die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie der EU gewährt ihnen jeweils eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr.
(Mit dpa-Informationen.)