Die Inflation in Deutschland ist so hoch wie seit vielen Jahren nicht. Was schlicht und einfach bedeutet: Alles wird immer teurer. Was aber hat es mit der Inflation auf sich? Und vor allem: Was heißt das im Alltag? Fachleute aus Mainfranken sowie weitere Experten geben Antworten auf zentrale Fragen.
Alles ist so teuer: Wann gehen die Preise wieder runter?
Volkswirtschaftler Prof. Peter Bofinger von der Universität Würzburg sieht bereits eine Talfahrt: Seit dem Maximum Ende Oktober seien die Preise für Rohöl mittlerweile um 20 Prozent gesunken, bei Gas noch mehr. Da die allgemeine Verteuerung meistens stark mit den Energiepreisen zusammenhängt, ist also offenbar ein Rückgang in Sicht. "Wir hoffen, bald", sagt Vorstandschef Jochen Starke von der Energiegenossenschaft ÜZ Mainfranken in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt). Aufgrund der zuletzt extrem gestiegenen Energiepreise sei davon auszugehen, "dass es einige Zeit in Anspruch nehmen wird, bis sich die Lage weltweit wieder entspannt".
Warum ist im Alltag alles so teuer geworden?
Die Antwort von Ökonom Peter Bofinger: Weil vor allem die Preise für Rohöl und Gas auf dem Weltmarkt stark gestiegen sind. Oft ist zu beobachten, dass zeitgleich auch andere Preise nach oben gehen, weil zum Beispiel wegen der teureren Energie die Produktionskosten in den Fabriken anziehen. Für den früheren Wirtschaftsweisen aus Würzburg sind zuletzt weitere Faktoren hinzugekommen: "Zu der hohen Inflationsrate hat auch die kalte Witterung in diesem Jahr beigetragen, da dadurch Lebensmittel spürbar teurer geworden sind."
Auch die im Zuge der Corona-Krise von der Bundesregierung gesteuerte zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 spiele eine Rolle, sagt Bofinger: "Damals gingen die Preise zurück." Vergleiche man das Preisniveau jetzt mit dem des Vorjahres, ergebe sich eine entsprechend höhere Inflationsrate.
Warum ist Energie der Preistreiber Nummer eins - und wann ändert sich was?
Strom sei an der Börse seit Beginn des Jahres permanent teurer geworden, antwortet ÜZ-Chef Jochen Starke. Mitte des Jahres habe es dann einen "sprunghaften Anstieg" gegeben. "Das wirkt sich zwangsläufig auf die Strompreise für Endverbraucher aus". Die Preise an der Strombörse würden weltweiten Geschehnissen unterliegen, sagt Starke. Zuletzt zum Beispiel der Gas-Knappheit in Mitteleuropa, den Unwägbarkeiten bei der Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2, dem CO2-Aufschlag auf Öl und Gas sowie dem wetterbedingt schwachen Ertrag bei erneuerbaren Energien.
Ähnliche Zusammenhänge skizzierte vor wenigen Wochen Thomas Merker, Geschäftsführer des Gasversorgers Gasuf in Würzburg. Es sei schwer zu sagen, wann die Gaspreise wieder sinken. Optimistischer ist Volkswirtschaftler Bofinger bei Benzin, Diesel und Öl: Die Preise dafür "dürften bald wieder sinken". Beim Erdgas hingegen "kann es etwas länger dauern", so Bofingers Prognose. Er rechnet damit, dass in drei Monaten zum Beispiel der Liter Benzin (E5) im Schnitt 1,50 Euro kostet statt 1,60 Euro momentan.
Was geschieht bei den Preisen für Lebensmittel?
Die großen Händler halten sich mit Antworten noch zurück. Weder Edeka mit der Nordbayern-Zentrale in Rottendorf (Lkr. Würzburg), noch Aldi, Lidl oder Rewe machten auf Anfrage klare Ansagen zu ihren Preisen der kommenden Monate. Man gebe grundsätzlich keine Informationen zur eigenen Strategie heraus, war die übereinstimmende Antwort.
Sinken die Rohstoffpreise, werde das "wann immer möglich" an die Kunden weitergegeben, hieß es immerhin bei Aldi Süd. Umgekehrt gelte das aber ähnlich. Einen vagen Einblick gibt Edeka in Rottendorf: Das Ende der vorübergehenden Mehrwertsteuer-Senkung von 2020 habe im vergangenen Halbjahr dazu geführt, dass die Preise in allen Märkten und über alle Waren hinweg wieder um durchschnittlich 2,1 Prozent gestiegen seien. "Dieser Sondereffekt der Teuerung endet zum 1. Januar 2022", teilt Edeka mit. Und: Sollten sich die Rohstoffe und der Warenbezug "nicht relevant erhöhen, werden wir aus eigenem Antrieb keine Ladenverkaufspreise erhöhen".
Wohnen ist permanent teurer geworden - wie entwickeln sich die Mieten?
Insbesondere für Städte wie Würzburg und Bamberg sieht Sprecher Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland Süd in München kein Licht am Ende des Tunnels. Weil vor allem die Nachfrage nach Singlewohnungen unverändert groß sei, komme es zu "beachtlichen Mieten" von zum Beispiel 9,60 Euro pro Quadratmeter in Bamberg oder 10,90 Euro in Würzburg. In Schweinfurt liegt der Quadratmeter bei 7,90 Euro. München liege bei 18,25 Euro und spiele "in einer völlig anderen Liga". Kippes geht davon aus, dass die Mieten in den Städten teuer bleiben - "oder sogar noch etwas zulegen".
Eine Trendwende sei nur möglich, wenn mehr Wohnraum in den Großstädten geschaffen werde. Auf dem Land hingegen "ist nicht auszuschließen, dass es auch einmal zeitweilig zu einem Preisrückgang kommt", so der Verbandssprecher.
Was ist mit den Einkommen?
Angenommen, ein Facharbeiter verdient zurzeit 45 000 Euro im Jahr. Dann werden es im Jahr 2024 rund 48 500 Euro sein, rechnet Volkswirtschaftler Peter Bofinger auf der Basis der aktuellen Tarifabschlüsse hoch. Er erwarte, dass die Inflationsrate dann "etwas unter der Lohnentwicklung liegen wird". Zum Beispiel bei Lebensmitteln werde in drei Jahren der Anteil der Ausgaben am Einkommen also "leicht rückläufig" sein.