„Ein eigenes Zimmer in Würzburgs bester WG, 500 Meter zum Würzburger Hauptbahnhof, einen 55 Zoll HD Fernseher inklusive HDTV und Netflix HD Flatrate im Wohnzimmer“ bietet Marcel in seinem Inserat auf der Online-Plattform airbnb. Er ist einer von knapp 200 registrierten Gastgebern in Würzburg, die Touristen über das Portal eine Unterkunft anbieten. In über 65 000 Städten und 191 Ländern nutzen Menschen mittlerweile airbnb.
Das Konzept ist überall dasselbe: Private Anbieter vermieten über die Plattform ihr Zuhause oder einen Teil davon für eine Nacht oder auch mehrere Wochen unter. Doch je größer das Portal wird, umso lauter wird die Kritik. In Großstädten wie München sind die untervermieteten Wohnungen zum Problem geworden. Auch in Würzburg wächst das Portal immer mehr. Mittlerweile gibt es fast doppelt so viele airbnb-Gastgeber wie Hotels in der Stadt. Sowohl die Hotel- als auch die Tourismusbranche beäugen diese Entwicklung mit Sorge.
Plattformen sind im Wandel
Ursprünglich sollte das airbnb-Konzept eine Win-Win-Situation sein: Wer ein Zimmer frei hat und sich etwas dazu verdienen will, sucht sich über das Portal einen Untermieter auf Zeit. Der Vorteil für die Gäste sollte sein, nicht wie Touristen in Hotels, sondern wie Einheimische leben und von deren Ortskenntnissen profitieren. Doch Plattformen wie airbnb oder wimdu nutzen längst nicht mehr nur private Gastgeber, davon geht etwa der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) aus.
Aus dem ursprünglichen Konzept entwickelten sich laut Michael Schwägerl, Geschäftsführer für Unterfranken, kommerzielle Strukturen. „Immer mehr gewerbliche Vermieter nutzen die Plattformen als Gewerbeportal.“ Das führt aus Sicht der Dehoga nicht nur zu einer Wettbewerbsverzerrung, sondern auch zu einer Zweckentfremdung von knappem Wohnraum in vielen Städten.
Gewerbliche Tätigkeit
Der Verband habe prinzipiell nichts gegen das Teilen von Wohnraum mit Touristen, sagt Dehoga-Pressesprecher Frank-Ulrich John. „Sobald privater Wohnraum allerdings gewerblich vermietet wird und bestimmte Auflagen nicht erfüllt werden, entsteht ein unfairer Wettbewerb.“ Was Anbieter auf Internetportalen oft nicht beachten, sei die Gewerbeordnung, so John.
Diese besagt: Wer Privat- und Pensionszimmer oder Ferienwohnungen vermietet, muss das dem örtlichen Gewerbeamt melden. Entscheidend ist im Falle einer Vermietung an Touristen, wie viele Serviceleistungen und wie professionell diese angeboten werden, zum Beispiel Frühstück oder Zimmerreinigung. Kann der Vermieter diese nicht mehr in seinem Haushalt miterledigen, handelt es sich in der Regel um einen gewerblichen Betrieb.
Oft umgehen airbnb-Vermieter Bestimmungen
Viele Gastgeber umgehen außerdem bei einer Vermietung über airbnb die für Beherbergungsbetriebe gültigen Sicherheits- und Hygienestandards wie beispielsweise Feuerlöscher oder Notausgänge, so John. Die Betreiber weisen die Gastgeber auf ihrer Plattform zwar darauf hin, gefährliche Situationen zu vermeiden, prinzipiell beruhe airbnb aber auf Vertrauen in die Gemeinschaft.
Fraglich ist laut John auch, ob alle Anbieter ihre Steuern ordnungsgemäß abführen. Außerdem störe es viele Mieter, wenn die Wohnung nebenan plötzlich zum Hotel werde und Touristen ständig ein und aus gehen.
Bußgeld droht
Um diesen Problemen entgegenzuwirken, beschloss der Landtag ein schärferes Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum. Seit dem 1. Juli drohen illegalen Vermietern nun bis zu 500 000 Euro Strafe, wenn sie ihre Wohnung länger als acht Wochen pro Jahr an Touristen vermieten. Bevor das Gesetz verschärft wurde, betrug die Strafe 50 000 Euro. Städte, in denen der Wohnraum knapp ist, können eigenverantwortlich das Gesetz umsetzen. Bisher hat nur München davon Gebrauch gemacht.
Das Sozialreferat prüfte im vergangenen Jahr 24 000 Wohnungen und entlarvte 244 davon als zweckentfremdet, so berichtete die Süddeutsche Zeitung. Probleme hat München aber nicht nur mit illegalen Vermietungen an Städtetouristen. 22 Verfahren führte die Stadt im vergangenen Jahr, um sogenannte Medizintouristen zu vertreiben, die Wohnraum blockieren.
Medizintouristen blockieren
Einige dieser Gastpatienten aus anderen Ländern, die sich medizinisch in Deutschland versorgen lassen, wollen nämlich nicht in Hotels übernachten. Viele Vermieter schrauben die Preise dementsprechend hoch und vermieten ihre Wohnungen ausschließlich an Medizintouristen. Während die Landeshauptstadt um jede Wohnung kämpft, sei die Zweckentfremdung von Wohnraum in Würzburg aktuell kein Thema, teilt Rathaussprecher Christian Weiß mit. Auch kontrolliere die Stadt keine Wohnungen dahingehend.
Würzburg: Kein Problem - offiziell zumindest nicht
Obwohl Würzburg offiziell kein Problem mit zweckentfremdeten Wohnraum hat, sieht Peter Oettinger, Tourismusdirektor der Stadt, die Entwicklung von Internetportalen wie airbnb kritisch. Er habe beobachtet, dass die Angebote in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen haben. Noch vor drei Jahren habe es auf airbnb rund 20 Angebote für Würzburg und die Region gegeben. Aktuell können 165 Unterkünfte in Würzburg gebucht werden. „Aus Sicht der Gäste sind die günstigen Preise natürlich reizvoll, die deutlich unter den Durchschnittspreisen einfacher Hotels in Würzburg liegen“, sagt Oettinger.
Durchschnittlich 29,95 Euro kostet laut „airbnb analytics“ derzeit eine airbnb-Unterkunft pro Nacht in Würzburg. Bei den meisten Angeboten handelt es sich um Ein-Bett-Zimmer. Ein-Sterne-Hotels in Würzburg kosten dagegen rund 50 Euro, Vier-Sterne-Hotels bis zu 140 Euro.
Kein fairer Wettbewerb
Oettinger sieht nicht nur den fairen Wettbewerb gefährdet. Kritisch sehe er auch die Frage der Haftung. Airbnb ist nicht der direkte Anbieter der Unterkünfte, sondern vermittelt zwischen Vermieter und Mieter. Bei der Registrierung macht die Plattform auf geltende gesetzliche Regelungen aufmerksam, muss aber von sich keine Auskünfte an staatliche Stellen erteilen. „Das ist für uns eine Grauzone, die wir zahlenmäßig nicht erfassen können“, sagt er.
Aus Sicht von airbnb entzieht das Konzept Wohnungssuchenden keinen Wohnraum. Dennoch befürwortet das Unternehmen die Gesetzesverschärfung, wie eine Sprecherin mitteilt: „Wir begrüßen, dass Bayern mit der Gesetzesänderung zwischen Gastgebern, die gelegentlich ihre Wohnung über airbnb vermieten, und professionellen Ferienwohnungsanbietern unterscheidet. Damit können die Bürger sowie der Wirtschaftsstandort Bayern von den Chancen des Home Sharing profitieren.“
Das neue Gesetz
Seit 2007 gibt es das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Bisher war es zeitlich befristet und lief zum 30. Juni aus. Mit dem neuen Entwurf ist es nun zeitlich unbefristet. Laut Gesetz liegt eine Zweckentfremdung vor, wenn der Wohnraum zu mehr als 50 Prozent für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet wird, baulich so verändert oder genutzt wird, dass er für Wohnzwecke nicht mehr geeignet ist, mehr als insgesamt acht Wochen an Touristen untervermietet wird oder länger als drei Monate leer steht.
Der neue Gesetzesentwurf beinhaltet nicht nur ein höheres Bußgeld von 500 000 Euro für die gesetzeswidrige Vermietung vor, sondern auch ein Bußgeld von 50 000 Euro, wenn Vermieter Auskünfte an die Stadt verweigern. Das gilt jedoch nicht mehr nur für Vermieter, auch die Betreiber von Internetportalen müssen nun Auskunft erteilen. Bisher konnten Fahnder illegalen Mietern nur schwer auf die Schliche kommen, da diese auf Portalen wie airbnb nur wenige Daten von sich preisgeben müssen. Die Ausweitung der Auskunftspflicht auf die Anbieter ermöglicht den Behörden nun mehr Anfragen und Nachforschungen bei den Betreibern.
Ein noch schärferes Gesetz fordert die SPD. Sie ist für sechs statt acht Wochen Vermietungsfrist an Touristen. Für Andreas Lotte (SPD) und Joachim Hanisch (Freie Wähler) sollte außerdem bereits das Anbieten der Wohnung in diversen Internetforen gesetzeswidrig sein. JAS (Quelle: Bayerische Rechts- und Verwaltungsreport/ Deutscher Tourismusverband)