Hsiu-Chun aus Taiwan hat es getan, genauso wie Tamara aus Kalifornien, Catherine aus Chile und Verena aus München. Sie alle haben in der Altstadt-Wohnung von Studentin Johana übernachtet – für 25 Euro pro Nacht. Immer mehr Würzburger bieten ihre vier Wände zum Teil oder auch ganz im Internetportal „Airbnb“ für Urlauber an. Ein Trend, der nicht alle freut.
Ein Dach über dem Kopf, eine Luftmatratze, ein Frühstück – das war der Ursprungsgedanke hinter Airbnb, einer Abkürzung für „Airbed and breakfast“. Aus der kleinen Idee zweier Amerikaner ist in den vergangenen acht Jahren eine riesige Plattform geworden. Mittlerweile findet man auf der Internetseite in 190 Ländern Übernachtungsmöglichkeiten – vom Sofa für eine Nacht, über Iglu für eine Woche bis zu einer kompletten Insel für einen ganzen Monat. Anbieten kann jeder, der ein Plätzchen zu Verfügung hat.
„Ich wollte mal sehen, wie es sich auf der anderen Seite, also als Gastgeber, anfühlt“, sagt Johana, eine der knapp 300 Würzburger Gastgeber. Die Studentin will – wie viele der privaten Anbieter – ihren Nachnamen nicht Preis geben. Auch, obwohl sie nach geltendem Recht ihren Vermieter über ihre Nebeneinkunft informiert habe.
Es war reiner Zufall, dass die 21-Jährige heute Menschen aus der ganzen Welt bei sich im Wohnzimmer empfängt. Bei der Planung einer Thailandreise ist sie auf die Plattform gestoßen. Das Prinzip, seine Bleibe für andere zu Verfügung zu stellen, gefiel ihr. „Ich kam dann auf die Idee, selbst eine Bleibe anzubieten und damit ein paar Euro für die Urlaubskasse zu verdienen.“ Im September 2015 eröffnete Johana ihr Profil auf www.airbnb.de .
Gibt man bei Airbnb Würzburg ein, erscheinen über das Stadtgebiet verteilt rote Fähnchen auf der Karte. Die Preise liegen zwischen 14 und 110 Euro die Nacht. Eigentlich legt der Gastgeber selbst die Kosten fest, dennoch mischt sich das Unternehmen ab und an mit ein.
So hat Airbnb etwa Johana zweimal eine Preiserhöhung vorgeschlagen, weil sie so viele Anfragen bekomme. „Ich fände das aber unfair, da ich das Angebot ja selber nutzen will“, meint die junge Frau. Mit verifizierten Identitäten über eingescannte Ausweise und einem festgelegten Buchungssystem will das Unternehmen Betrüge verhindern, für jede Überweisung berechnet Airbnb eine Servicegebühr. Diese schwankt nach Angaben der Plattform – je nach Höhe der Anzahlungskosten – zwischen sechs und zwölf Prozent.
Die Kontrolle übernehmen die Gäste selbst, denn jeder hinterlässt nach seinem Besuch im Internet eine Benotung nach vorgegeben Kriterien und legt so den virtuellen Wert der Bleibe fest. So hat ein Zimmer im Würzburger Yogacenter „Die Glücksbringer“ bereits 48 Bewertungen aus Südkorea, Wien oder auch Frankfurt erhalten, eine Ferienwohnung mit Pool am Galgenberg ist fünfmal für ihre Lage, Sauberkeit, Preis, Richtigkeit der Angaben und Kommuniaktion mit der Höchstpunktzahl von Urlaubern aus Russland, Taiwan und den USA ausgezeichnet worden.
Um bei den Besuchern zu punkten und damit möglichst viele neue Anfragen zu bekommen, lassen sich die Gastgeber einiges einfallen. Auch die 21-jährige Johana hat sich ein paar Extras ausgedacht: Wer bei der Würzburgerin unterkommt, bekommt eine Stadtführung, Schokoriegel und die Reinigung inklusive. „Ich habe mir extra Bettwäsche und einen Matratzenschoner zugelegt“, erzählt sie weiter und fügt schmunzelnd hinzu, dass einmal ein Paar sein zweijähriges Jubiläum bei ihr gefeiert und das Zimmer praktisch nicht verlassen habe.
„Es kommt auch oft vor, dass die Leute ein Gastgeschenk oder einen Brief da lassen und sich damit bedanken“, sagt die Studentin. Da die internationalen Gäste meist ein bis fünf Nächte geblieben sind und man sich in dieser Zeit Küche und Bad geteilt habe, sei auch die ein oder andere Freundschaft entstanden.
Doch auch hier gebe es schwarze Schafe. „Mir ist es wichtig, den Schlüssel immer persönlich zu übergeben und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen“, erzählt Johana. Dadurch könne man immer noch ein bisschen besser abschätzen, wie ein Gast so drauf sei und ob das kurze Zusammenleben klappen könnte. „Es ist auch immer noch möglich kurzfristig abzusagen, wenn einer einem gar nicht gefällt.“
Ein Fall, den Julia und Daniel noch nicht erlebt haben. Die beiden Würzburger vermieten seit sechs Wochen das oberste Zimmer ihrer Maisonettwohnung mit Blick auf Weinberge und Residenz für 30 Euro die Nacht. Bislang waren schon Leute aus Taiwan, Dänemark, Texas und viele Asiaten zu Gast. Das Paar möchte keine Nachnamen angeben, da ihr Vermieter nichts von dem Nebenverdienst weiß. Das sei nicht ganz korrekt, aber auch nicht so wild, meinen sie.
Kritisch sieht Daniel dagegen die Entwicklung von Übernachtungsportalen in Großstädten. „Reiche kaufen Immobilien auf und machen durch die Vermietung noch mehr Geld. Das ist nicht der Sinn von Airbnb“, sagt er. In Berlin gibt es bereits Regelungen, die eine dauerhafte Vermietung über das Portal verbieten.
Das versteht auch Peter Oettinger. Als Tourismusdirektor der Stadt Würzburg kennt er das Problem der Wettbewerbsverzerrung. „Für Privatpersonen gelten bestimmte Auflagen und Steuern nicht, die Hotels zahlen müssen.“ Beim Durchforsten von Airbnb sei ihm aufgefallen, dass sich das wachsende Angebot auf das komplette fränkische Weinland bezieht – von Marktheidenfeld bis Iphofen. Dabei seien die wenigsten Inserate echte Privatwohnungen.
„Ich glaube nicht, dass das Angebot in einer Studentenstadt wie Würzburg weiter wächst. Allein schon wegen der Wohnraumknappheit“, meint der Tourismusdirektor. Laut den Schätzungen von Airbnb ließen sich um die 223 Euro pro Woche in Würzburg machen. Bei einem durchschnittlichen Preis von 44 Euro pro Unterkunft eine realistische Rechnung. Ob man für diesen Verdienst auf die Privatsphäre verzichten will, bleibt jedem selbst überlassen.
Urlaubsportale
Sieben Prozent der Internetnutzer in Deutschland haben bereits einmal Wohnraum zur vorübergehenden Nutzung auf einer Online-Plattform für private Unterkünfte angeboten. Das hat eine repräsentative Umfrage von Bitkom Research ergeben.
Unter den jüngeren Befragten im Alter von 14 bis 29 Jahren lag der Anteil sogar bei zehn Prozent. Von den 30- bis 49-Jährigen haben acht Prozent, von den 50- bis 64-Jährigen sechs Prozent ihre Wohnung oder ihr Haus schon auf Webseiten angeboten.
Beliebt sind neben Airbnb auch Couchsurfing, Wimdu oder 9flats.