
Weil Energie derzeit knapp und teuer ist, sind hierzulande Atomkraftwerke wieder ins Gespräch gekommen. Sie blasen zwar kaum klimaschädliches Kohlendioxid in die Umwelt und sind mit Blick aufs rar gewordene Erdgas vermeintlich ein Lückenfüller, hinterlassen aber ein hochgefährliches Langzeit-Erbe: Atommüll. Bei dessen Beseitigung spielt das Würzburger Unternehmen Bilfinger Noell derzeit eine wichtige Rolle – und das unter Umständen noch für viele Jahre.
Asse. Dieser Name eines ehemaligen Salzbergwerks bei Wolfenbüttel in Niedersachsen sorgte in der Vergangenheit immer wieder bundesweit für Aufregung. Denn in Asse wollte man von 1967 bis 1978 eine umweltpolitische Sorge loswerden: In 13 unterirdischen Kammern wurden etwa 126.000 Fässer mit radioaktivem Müll aus Atomkraftwerken untergebracht. Für immer, so der Gedanke damals.
Ein Endlager für diesen brisanten Abfall sucht Deutschland immer noch. Asse sollte so etwas wie ein erster Anlauf und Forschungsstation für das später ins Gespräch gebrachte Gorleben sein. Doch spätestens in den 1970er Jahren wurde klar: Das Bergwerk ist nicht stabil genug, das seit Jahren eindringende Regenwasser wird für die Altlast zu gefährlich, die Fässer müssen wieder raus.
Räumung der Atommüllfässer in Asse: Das kann dauern
Das ist ein Mega-Kraftakt mit extrem langsamen Schritten. So kann nach Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die Räumung der Fässer frühestens 2033 beginnen. Bis dahin laufen die Vorbereitungen.
Allein diese ersten Schritte kosten den Bund mindestens 3,35 Milliarden Euro. Wohl bis 2050 oder noch später wird die Räumung dauern. Wie viele Kosten dann insgesamt angefallen sein werden, ist laut BGE "zur Zeit ebenso wenig prognostizierbar wie die Kosten für die Stilllegung der Schachtanlage Asse II nach der erfolgten Rückholung". Schätzungen gehen von sechs Milliarden Euro aus – mindestens.
Vor wenigen Monaten traf die BGE als Drahtzieherin in Asse eine für Würzburg interessante Entscheidung: Die schon seit langem auf Nukleartechnik ausgerichtete Bilfinger Noell GmbH im Stadtteil Dürrbachau soll Spezialmaschinen entwickeln, die die Atommüllfässer sicher bergen können.
Bilfinger Noell: Was den Auftrag in Asse so heikel macht
Ein Auftrag, den Noell-Abteilungsleiter Wolfgang Mützel mit dem Stäbchen-Spiel Mikado vergleicht: Hebt man eines der bis zu 5000 Kilo schweren Fässer an, dürfen sich die anderen nicht bewegen. Denn jede Bewegung berge die Gefahr, dass die zum Teil angerosteten Fässer kaputt gehen und dass Radioaktivität austritt. "Wir fassen die Fässer an wie rohe Eier", erklärt Mützel, warum die ferngesteuerten Apparate behutsam und millimetergenau arbeiten müssen.

Obwohl Noell seit Generationen Spezialmaschinen baut, ist der Auftrag für Asse keiner von der Stange. Im Gegenteil: Die zum Teil wahllos ins Bergwerk gekippten und mitunter unter Salzhaufen vergrabenen Fässer sind in mehrfacher Hinsicht eine große Unbekannte.
Es sei noch nicht klar, "wie die Fässer zueinander liegen", sagt der Abteilungsleiter. Deshalb werde es in der Würzburger Noell-Fabrikhalle Nachbauten der Asse-Kammern geben, um den Einsatz der Spezialmaschinen zu testen.
Später muss in Asse alles automatisch erfolgen, denn Handarbeit von Menschen ist an den Fässern undenkbar. Mützel: "Ich kann aufgrund der Strahlung niemanden reinschicken." Das wäre schon aus einem anderen Grund kein Thema: In den bis zu 750 Metern unter der Erde liegenden Kammern sei es um die 40 Grad heiß.
Asse-Auftrag ist für Bilfinger Noell in Würzburg wie ein Lottogewinn
Für Bilfinger Noell ist Asse wie ein Lotto-Gewinn. Auf 20 Millionen Euro wird das Auftragsvolumen geschätzt. Geschäftsführer Roland Pechtl will diese Zahl nicht bestätigen, fügt aber augenzwinkernd hinzu: Das könne durchaus mehr werden.
Mehr werden kann auch die Arbeit für die Würzburger über den aktuellen und auf vier Jahre ausgelegten Auftrag hinaus. Denn dann geht es in Asse darum, welches Unternehmen die 126.000 Atommüll-Fässer auch wirklich aus dem Berg holt. Für Pechtl ein Fisch, den er sich angeln will.
An was Bilfinger Noell in Asse noch rankommen will
Und nicht nur den. Wohl 2023 oder 2024 werde der Bau eines Zwischenlagers in Asse ausgeschrieben, in der die geborgenen Atommüllfässer untergebracht werden. Da gehe es dann um mehrere hundert Millionen Euro, schätzt Pechtl.
Bis dahin beschäftigen sich bei Noell in Würzburg permanent acht Führungskräfte erst einmal damit, wie die Spezialmaschinen für die Bergung funktionieren müssen. Plus weiteres Personal, das je nach Bedarf dazugeholt wird.

"Es ist ein Entwicklungsauftrag", will Geschäftsführer Pechtl auf die Besonderheit des aktuellen Auftrags hinweisen. Dieser Auftrag verlangt viel Bürokratie: Alle daran arbeitenden Noell-Fachkräfte müssen dem BEG gemeldet werden, ebenso alle Anschaffungen und wesentlichen Schritte.
"Tripod" spielt für Bilfinger Noell ein Hauptrolle
Herausgekommen ist bislang vor allem die Idee eines Spezial-Baggers mit dem Namen "Tripod". Das Unikat werde in Asse an einer Deckenschiene hängen, drei Standbeine haben und alle Arbeitsschritte ferngesteuert ausführen können, erläutert Abteilungsleiter Mützel. Die von Tripod geborgenen Fässer werden in Asse zunächst in einen Spezialbehälter gelegt, der sie per Aufzug in das oberirdische Zwischenlager befördert.
Welche Überraschungen die Fässer bringen werden, das ist nur eine der Herausforderungen der momentanen Arbeiten bei Noell. Wie der Berg auf die Arbeiten reagiert, wie ein defekter Tripod repariert werden kann und wie mit dem womöglich radioaktiv verseuchten Salz rund um die Fässer umgegangen werden muss, sind weitere. Geschäftsführer Pechtl gibt schon mal die Richtung vor: "Für alle diese Fälle will ich gewappnet sein."