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Arnstein
Folgen der Energiewende: So soll Streit um Solarparks in Unterfrankens Gemeinden vermieden werden
Solaranlagen auf den Äckern sorgen gerne für Streit in der Bevölkerung. Nun soll es in Unterfranken einen Schulterschluss der Gemeinden geben, um Zündstoff zu vermeiden.
Verschandelung der Landschaft, Vergeudung von wertvollem Ackerboden: Derlei Kritik kommt immer wieder bei Solarparks auf. Das soll sich nun ändern. Unser Symbolbild zeigt den „Solarpark Dipbach“ im Kreis Würzburg.
Foto: Irene Konrad | Verschandelung der Landschaft, Vergeudung von wertvollem Ackerboden: Derlei Kritik kommt immer wieder bei Solarparks auf. Das soll sich nun ändern. Unser Symbolbild zeigt den „Solarpark Dipbach“ im Kreis Würzburg.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:52 Uhr

Darstadt, Dürrnhof, Bundorf, Kirchheim und noch viele mehr: Die Liste mainfränkischer Orte, in denen auf der grünen Wiese große Photovoltaik-Anlagen entstehen sollen, wird von Monat zu Monat länger. Das sorgt in der Bevölkerung mindestens für Diskussionen, wenn nicht gar für Streit.

Nun soll der Zündstoff aus dem Thema raus. Denn Kommunen in Unterfranken wollen fortan effektiver mit den Solarpark-Vorhaben umgehen. Vor wenigen Tagen wurde dazu in Arnstein (Lkr. Main-Spessart) der Schulterschluss geübt.

Der Druck ist da: Seit Monaten rennen meist auswärtige Solarpark-Investoren den Rathäusern die Türen ein. So oder so soll die Energiewende auch auf lokaler Ebene zügig vorankommen. Darin waren sich bei einem Treffen des Regionalen Planungsverbandes Würzburg etwa 70 Gemeindedelegierte einig.

Der Verband mit Sitz in Karlstadt ist so etwas wie das wachsame Auge über die Verwendung des Bodens in der Region. Ihm sind 123 Gemeinden sowie die Stadt- und Landkreise Würzburg, Main-Spessart und Kitzingen angeschlossen.

Flächen für Solarparks: Ein Online-Katalog der Regierung soll Klarheit bringen

Damit alle Kommunen bei Solarpark-Vorhaben in ihrem Gebiet an den selben Strippen ziehen und vor allem mit einheitlichen Argumenten gegenüber Investoren und Bevölkerung auftreten können, hat die Regierung von Unterfranken einen sogenannten Kriterienkatalog aufgelegt. Anhand allerlei digitaler Karten zum Anschauen und Herunterladen lässt sich bis hinab auf alle unbebauten Areale zeigen, wo im Regierungsbezirk Solaranlagen machbar sind und wo auf keinen Fall. Wo schon Solarparks stehen, ist auf den Karten ebenfalls zu sehen.

Folgen der Energiewende: So soll Streit um Solarparks in Unterfrankens Gemeinden vermieden werden

So ist zum Beispiel zu erkennen, dass der Ochsenfurter Gau im südlichen Landkreis Würzburg auf der Karte überwiegend rote Flächen hat. Das heißt: Photovoltaik-Großanlagen sind dort nicht erwünscht, weil dafür der Boden in dem landwirtschaftlich stark genutzten Gebiet laut Regierung zu wertvoll ist. Andernorts haben etwa der Natur-, Arten- und Trinkwasserschutz, Bodendenkmäler oder das Landschaftsbild Vorrang vor Solarparks.

"Energiewende wird so zur Last für die Politik."
Marco Siller von der Energieagentur GUT (Haßfurt) über den Druck von Solarpark-Investoren auf die Gemeinden

Alles in allem ist nach Berechnungen der Bezirksregierung ein Drittel der Fläche Unterfrankens nicht oder nur sehr eingeschränkt für solche Freiflächenanlagen geeignet. Die anderen zwei Drittel sehr wohl, wenngleich davon die meisten mit Einschränkungen – zum Beispiel, weil dort Bodenschätze vermutet werden oder weil es niederklassige Trinkwasserschutzgebiete gibt.

Generell sei die Naturverträglichkeit potenzieller Solarparks "sehr, sehr wichtig", sagte Brigitte Ziegra-Schwärzer von der Regierung von Unterfranken. So seien beispielsweise Felder zwischen Giebelstadt, Bütthard und Gaukönigshofen (alle Lkr. Würzburg) "hochgradig sensible Flächen", weil dort schützenswerte Tiere wie Wiesenweihe, Ortolan und Feldhamster vorkämen. Solarparks dort? Ein Unding.

Beispiel GUT in Haßfurt: Kommunen tun sich bei Energievorhaben zusammen

Das Dilemma vieler Gemeinden machte Geschäftsführer Marco Siller von der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte (GUT) im Landkreis Haßberge deutlich. Der Feuereifer von Solarpark-Investoren habe dazu geführt, dass die lokale Energiewende oft von ihnen gesteuert werde und nicht mehr von der jeweiligen Kommune. "Energiewende wird so zur Last für die Politik" und mache den Verantwortlichen in den Rathäusern "nicht mehr Spaß". Das müsse sich ändern.

In der 2011 gegründeten GUT sind alle Kommunen im Kreis Haßberge zusammengeschlossen. Im Haßfurter Büro laufen die Fäden zusammen, wenn es um lokale Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energie geht. Siller sieht externe Investoren schon deshalb kritisch, weil deren Gewinne nicht vor Ort blieben und der Region damit ein wichtiger Teil der Wertschöpfung aus Solarparks abgezogen werde.

Schon aus diesem Grund plädierte Siller auf dem Treffen in Arnstein für jeweils von den Bürgerinnen und Bürgern getragene Energiegenossenschaften, die hinter Solarparks stehen. Das garantiere je nach Anlagentyp eine Ausschüttung an die beteiligte Bevölkerung von insgesamt bis zu 1,3 Millionen Euro nach 20 Jahren.

Was Siller vorschlägt, ist in Bayern offenbar Trend: Ein Großteil der 20 im ersten Halbjahr 2022 gegründeten Genossenschaften hat alternative Energiegewinnung zum Zweck, teilte der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) Ende vergangener Woche mit. "Ganz offensichtlich sind immer mehr Menschen im Freistaat bereit, den Klimaschutz vor ihrer Haustür in konkrete Projekte zu übersetzen", meint GVB-Präsident Gregor Scheller. Die Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs beflügle das.

Warum Photovoltaikanlagen so wichtig sein können

Dass dabei Photovoltaik eine Hauptrolle spielt, machte beim Treffen in Arnstein Clemens Garnhartner von der nicht-kommerziellen Energieagentur C.A.R.M.E.N in Straubing deutlich. Im Vergleich zu Windkraft, Biogas und fossiler Energie sowieso seien Solarparks auf den Feldern jene Anlagen, die im Verhältnis zum Ertrag die niedrigsten Kosten bei Errichtung und Betrieb hätten.

Zudem sei deren CO2-Bilanz minimal, so Garnhartner. Er schlug vor, dass jede Kommune 1,5 Prozent ihrer Landwirtschaftsfläche für Solar-Freiflächenanlagen zur Verfügung stellt. "Das müsste zu schaffen sein" und werde die Energiewende vor Ort entscheidend voranbringen.

 
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