Die Kasse ist des Kaufmanns größter Schatz – zumindest dann, wenn regelmäßig mehr Geld hineinkommt als herausfließt. Durch das sogenannte Kassengesetz hat sich der vermeintliche Schatz seit Anfang des Jahres für manche Betreiber allerdings zu einem Albtraum entwickelt.
Denn in dem Gesetz ist nicht nur die Bonpflicht enthalten, sondern auch die Vorgabe, Kassensysteme manipulationssicher zu machen. Während die Bons garantieren sollen, dass Umsätze tatsächlich in der Kasse gelandet sind, sollen die Maßnahmen gegen Manipulation verhindern, dass die Eingaben später wieder gelöscht werden.
Eigentlich müssen die Registrierkassen bis Ende September mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (tSE) ausgestattet sein. Eine erneute Fristverlängerung lehnt das Bundesfinanzministerium bisher ab, was auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt für großes Unverständnis sorgt.
"Angesichts der aktuellen Krise brauchen die Betriebe Rückenwind und keine zusätzlichen Belastungen", konstatierte kürzlich IHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Jahn und machte deutlich: "Viele Unternehmen kämpfen derzeit um ihre Existenz und haben schlicht keine Ressourcen, kostenintensive und technisch anspruchsvolle Regularien umzusetzen." Die zeitnah geforderte technische Aufrüstung der Registrierkassen zählt für die mainfränkische Kammer dazu.
In den vergangenen Tagen kam die Erlösung: Die Finanzminister aus acht Bundesländern, darunter Bayern, haben mit eigenen Erlassen entschieden, dass die Kassensysteme in ihren Ländern bis zum 31. März 2021 nicht beanstandet werden, sofern die Aufrüstung bis zum 30. September verbindlich beauftragt wird.
"Bayern lässt seine Geschäfte und Unternehmen nicht im Stich. Unsere Unternehmen, kleine Einzelhändler und Gastwirte stehen in dieser Krisenzeit vor größten Herausforderungen", wird Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) in einer Pressemitteilung zitiert. Nach Schätzung des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages gibt es im Freistaat 400 000 Kassen, die von Händlern, Gastronomen und anderen Gewerbetreibenden nachgerüstet werden müssen.
Zwei moderne Kassensysteme hat das Schuhhaus Schöll und Gerlach – eine in der Filiale in Schweinfurt, die andere am Standort Bad Kissingen. "Wir haben sie kürzlich aufgerüstet", berichtet Geschäftsführer Axel Schöll. "Zum Glück haben wir technisch versierte Mitarbeiter im Haus. Trotzdem hat uns die Aktion etwa einen Tag gekostet."
Für den Einzelhändler ist das Fass längst übergelaufen. "Die Bürokratie ist ein Wahnsinn, allein schon an der Kasse", sagt Schöll, der auch als stellvertretender Handelsausschuss-Vorsitzender der IHK spricht. "Erst die Bonpflicht, dann die Mehrwertsteueränderung und jetzt noch die technische Nachrüstung." Dabei stünden viele Firmen wegen Corona ohnehin schon mit dem Rücken zur Wand. "Ich denke auch an die vielen Händler, die nicht wie wir eine gewisse Manpower im Hintergrund haben", so Schöll.
Woran es bei der Aufrüstung hakt
Hinzu kommt: Die tSE-Aufrüstung sei lange nicht möglich gewesen, weil es noch keine Zertifizierungen gegeben habe, berichtet IHK-Referentin Rebekka Hennrich. "Manipulationssichere Kassen sind zwar prinzipiell gut und im Interesse aller sauber wirtschaftenden Unternehmer", sagt Mathias Plath, Bereichsleiter "Recht und Steuern" bei der IHK Würzburg-Schweinfurt. Das Problem sei aber neben dem Zeitdruck und den Folgen der Corona-Pandemie, dass alle Händler und Gastronomen mit diesen neuen Regelungen unter einen Generalverdacht gestellt würden.
Nach Angaben von Michaela Weiglein, Inhaberin des gleichnamigen Kassensystem-Anbieters aus Würzburg, kostet die Aufrüstung zwischen 500 und 1000 Euro. Sie dauere etwa eine Stunde. Die Fristverlängerung hilft ihrem Betrieb: "Wir kommen mit den Aufträgen kaum hinterher, weil wir auch nur zwei Hände haben und es zudem Produktionsengpässe der tSE-Speicherkarten gegeben hat", berichtet Weiglein.
Nur ein Bruchteil der Kassen ist bislang aufgerüstet
Höchstens 50 Aufrüstungen könne ihr Betrieb in der Woche stemmen – und das auch nur, "wenn wir sonst nichts anderes machen müssen". Sie schätzt, dass bislang in der Region nicht viel mehr als fünf Prozent der Kassen aufgerüstet sind. "Das erkennt man als Kunde an dem Kassenbon, der dann deutlich länger ausfällt", so Weiglein.
Zumindest die Händler mit "offenen Kassen" sind von den Neuregelungen nicht betroffen. Darauf weist Wolfgang Weier, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft "Würzburg macht Spaß" (WuemS) hin. Gerade die kleineren Läden, etwa Modeboutiquen, würden vielfach noch Handkassen führen. "Für sie lohnt sich die Anschaffung von Computerkassen nicht. Trotzdem müssen natürlich auch dort Kassenbücher geführt werden. In der Regel geschieht dies heutzutage digital, so dass man die Buchungen schnell aufrufen kann."
Weier sieht WuemS als Beispiel: "Wir verkaufen in unserer Geschäftsstelle lediglich City-Gutscheine, die auch in den Filialen unserer Partner erhältlich sind. Daher kommen nur wenige Kunden tatsächlich zu uns in die Kaiserstraße", so Weier. WuemS-Mitglieder aus dem Bereich Dienstleistung und Handwerk seien häufig auch nicht betroffen, weil sie keine Kassen betreiben würden, sondern die Zahlungsabwicklung ausnahmslos via Bank geschehe. Für alle anderen sei die Aufrüstung in diesen schweren Zeiten eine weitere Sorge.