Jacken und Mäntel sucht man auf dem Garderobenständer links neben dem Eingang des Mühlencafés in Oberelsbach (Lkr. Rhön-Grabfeld) vergeblich. Stattdessen schlängeln sich Hunderte bedruckter Kassenzettel um das schwarze Gestell. Auch an den Fenstern wurden die Bons optimal in Szene gesetzt: Sie hängen, ansprechend drapiert, von den Gardinenstangen.
Ute Lenhardts Kreationen sind ein Hingucker – und sie sorgen für Gesprächsstoff. Genau das war ihre Absicht. "Wenn ich die Bons einfach im Müll entsorge, bekommen die Kunden gar nicht mit, welche Massen an Abfall das neue Gesetz mit sich bringt", sagt die 59-Jährige.
Seit dem 1. Januar gilt die Bon-Pflicht.Seitdem gehen in dem Cafe mit angeschlossener Bäckerei nicht nur Kaffee, Brötchen, Brot und süße Stückchen über den Tresen, sondern auch Unmengen von Kassenzetteln aus Papier. Doch die meisten Kunden winken ab, sie nehmen ihre Bons erst gar nicht an.
"Früher", berichtet Lenhardt, die zusammen mit ihrem Mann vier Filialen betreibt, "brauchten wir pro Kasse alle drei Monate eine Bonrolle, jetzt muss die Rolle alle zwei Tage gewechselt werden". Die Unternehmerin hält das Gesetz für unsinnig. "Unsere Kassen registrieren jeden Verkauf, egal, ob ein Bon rausgeht, oder nicht. Auf diese Daten hat das Finanzamt jederzeit Zugriff", erklärt sie.
Der Landrat lässt rechnen
Kreativ geht auch Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann das Problem an: Mitarbeiter des Landratsamtes sollen berechnen, welche Müllmengen durch die Bon-Pflicht entstehen. Die Idee kam ihm, als er sonntags Brötchen holte. Die Verkäuferin erzählte ihm, dass die nicht angenommenen Bons täglich einen Sack füllen, der 180 Liter fasst. "Das ist ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz", urteilte der Landrat und kündigte an, in der nächsten Sitzung des Kreisausschusses eine Resolution gegen diese Papierflut verabschieden zu wollen.
Zahlen, die er dafür braucht, liefert ihm gerne Franz Schmitt, der Chef von "Schmitt’s Backstube" in Bad Neustadt. Sein Unternehmen betreibt 25 Verkaufsstellen im Landkreis. "Jeden Tag", berichtet er in einem Gespräch mit dieser Redaktion, "kommen acht bis neun Säcke mit Kassenzetteln zusammen. Das sind ungefähr 12 500 Bons.“ Müll, den er nicht als Papierabfall entsorgen kann, weil das Papier beschichtet ist. Die Kosten der Bon-Pflicht belaufen sich in seinem Unternehmen auf 16 000 bis 18 000 Euro pro Jahr, schätzt Schmitt.
Habe ich Schwarzbrot gekauft?
Seine Mitarbeiterinnen sind genervt von dem Aufwand, den sie nun betreiben müssen. 100-mal reichen sie den Kassenzettel über den Tresen und in 95 Prozent der Fälle müssen sie ihn wieder zurücknehmen und entsorgen. Die Kundschaft ist ebenfalls leicht genervt. So mancher nimmt es auch mit Humor. "Was passiert denn, wenn ich den Bon nicht mitnehme? Habe ich dann überhaupt ein Schwarzbrot gekauft?", habe ein Kunde gefragt.
Schmitt hat den Versuch unternommen, sich vom Finanzamt von der Bon-Pflicht befreien zu lassen. Als Grund habe er die Umweltbelastung durch den vielen Papiermüll angegeben. Dieser Tage kam der Ablehnungsbescheid. Die Begründung: Der Umweltgedanke reiche nicht aus, um auf den Bon zu verzichten.
Obermeister: Das ist nicht im Sinn der Branche
"Das ist unproduktiv und unwirtschaftlich und sorgt für schlechte Stimmung in der Innung." So fasst Ullrich Amthor, Obermeister der Bäckerinnung Bad Kissingen/Rhön-Grabfeld, die bisherigen Erfahrungen mit der Bon-Pflicht zusammen. Die Gesetzesänderung bringe höhere Kosten und eine größere Arbeitsbelastung mit sich. "Das ist nicht im Sinn einer Branche, die auf jede Arbeitskraft angewiesen ist", sagt Amthor.
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Er hat durchaus Verständnis dafür, dass der Gesetzgeber verhindern will, dass manche Unternehmer ihre Umsätze mit manipulierten Kassen nicht oder falsch erfassen. Doch dieses Ziel könne man auch mit modernen Kassensystemen ohne verpflichtende Bon-Ausgabe erreichen.
Sein Verband will nun mit Aktionen auf die Bon-Flut aufmerksam machen. Mit Protestaktionen, Aufdrucken auf Brötchentüten - oder mit Vorhängen, die frustrierte Unternehmerinnen aus liegen gebliebenen Kassenzetteln basteln.