Hast du keine Lehrlinge, hast du später auch keine Fachkräfte: Auf diese einfache Formel lässt sich das bringen, was seit Monaten die Wirtschaft landauf, landab plagt. Der zum Teil eklatante Mangel an Auszubildenden und Fachkräften verlangt Unternehmen viel ab, Lösungen sind gefragt.
Die gibt es. Die Spedition Pabst in Gochsheim bei Schweinfurt ist ein Beispiel dafür, wie sich Betriebe mittlerweile ins Zeug legen, um Azubis zu bekommen – und zu halten. In der Sammlung all der „Bonbons“ für die jungen Mitarbeiter ragt eines heraus: Pabst leistet sich ein eigenes Azubi-Wohnheim.
Spedition Pabst als Beispiel
„Das ist schon gut hier“, meint René Reitzammer. Der 17-Jährige macht bei Pabst eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Weil er noch nicht eigenständig Auto fahren darf und aus dem 50 Kilometer entfernten Ebern (Lkr Haßberge) stammt, wohnt René die Arbeitswoche über in einem der neun Doppelzimmer auf dem Pabst-Betriebsgelände.
Duschen, Gemeinschaftsküche, Fitnessraum, Fernsehraum: Es ist alles da, was man als junger Mensch zum Wohnen braucht. Die bis zu 25 Quadratmeter großen Zimmer sind schlicht eingerichtet, aber das ist für René in Ordnung. Mehr brauche er nicht. Allenfalls WLAN fürs Internet wäre nicht schlecht. „Wir arbeiten dran“, sagt IT-Bereichsleiter Andreas Wagner.
Wie das mit dem Wohnheim ist
Derzeit leben acht der 23 angehenden Berufskraftfahrer in dem Wohnheim. Wer einziehen will, schließt einen klassischen Mietvertrag mit Pabst ab und zahlt 100 Euro Miete im Monat. Eine zweiseitige Hausordnung regelt das Zusammenleben. Ein Teil des Wohnheims steht Fernfahrern zur Verfügung, die spontan eine Übernachtung einlegen müssen.
Dass sich die Spedition mit ihren 600 Mitarbeitern – darunter 395 Fernfahrer und 55 Auszubildende in verschiedenen Logistikberufen – das Heim leistet, hänge unter anderem mit den Unternehmenswerten zusammen, erklärt IT-Bereichsleiter Wagner. In ihnen sei zum Beispiel der fürsorgliche Umgang des familiengeführten Unternehmens mit seinen Mitarbeitern verankert.
Azubi wohnt im Ex-Vorzimmer des Chefs
Freilich spielte auch die Firmenerweiterung vor vier Jahren bei dem Azubi-Angebot eine Hauptrolle: Die Verwaltung zog in ein neues Gebäude um. Das alte stand somit zur Verfügung. Es sei schnell klar gewesen, dass dort das Wohnheim eingerichtet wird, erinnert sich Wagner. Der Azubi René darf sich geehrt fühlen: Wo er wohnt, war früher das Vorzimmer von Firmenchef Hans Pabst.
Dass sich die bundesweit aufgestellte Spedition derart für seine Auszubildenden engagiert, hat einen brisanten Hintergrund: Die Logistik gehört in Deutschland zu den Branchen mit dem schärfsten Fachkräftemangel. Vor allem bei den Lkw-Fahrern ist das so: Schätzungen zufolge fehlen davon 45 000. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (Berlin) sieht mittlerweile gar die Versorgungssicherheit im Land gefährdet.
Kaum Reaktion auf Stellenanzeigen
Den Mangel merkt auch Pabst in Gochsheim. Auf Stellenanzeigen in den Medien „reagieren nur noch sehr wenige“, hat Volkmar Sieber erfahren. In seiner Funktion als Bereichsleiter Personal ist er für die 23 Berufskraftfahrer-Lehrlinge bei Pabst so etwas wie der Vater. Er sieht das Azubi-Wohnheim als Teil der Firmenstrategie, den jungen Mitarbeitern Gutes zu tun, um sie zu holen und auch bei der Stange zu halten.
Zu dieser Strategie gehört für Sieber zum Beispiel auch die Tatsache, dass Pabst den angehenden Fernfahrern den Lkw-Führerschein samt sämtlicher Nebenkosten bezahlt. Da kommen schon mal 4000 Euro pro Lehrling zusammen. Auch die Kosten für einen Gabelstapler-Schein würden übernommen.
Was sonst noch geboten wird
Externe Schulungen, ein eigenes Fahrsicherheitstraining sowie begleitende Schulungsfahrer sind weitere Zugaben, die das Unternehmen seinen Lehrlingen macht. Und: Wenn die jungen Männer blockweise in die zentrale Berufsschule nach Kulmbach müssen, dann bekomme der Fahrer der Fahrgemeinschaft ein paar Euro Spritgeld, betont Sieber.
Wie viel ein Azubi verdient
Auch andere Unternehmen der Branche stellen sich in dieser Hinsicht auf die Hinterbeine. So zahlt etwa die Spedition Geis in Bad Neustadt ihren Berufskraftfahrer-Azubis ebenfalls den Lkw-Führerschein – plus diverse Zugaben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Auszubildender in dieser Branche im ersten Lehrjahr zwischen 450 und 895 Euro verdient – je nach Bundesland. Diese Zahlen nennt die Bundesagentur für Arbeit.
Für Ausbilder Sieber bei der Spedition Pabst ist neben all den Zugaben auch das Miteinander wichtig, um die Zeit im Unternehmen so attraktiv wie möglich zu machen. Dazu zähle zu Beginn eines Ausbildungsjahres ein dreitägiges Kennenlerncamp in Schonungen bei Schweinfurt. Kanny Blank (22) ist im dritten Lehrjahr und schätzt noch etwas anderes: die drei bis vier internen Ausbildungstage, bei denen es in Gesprächen intensiv um die Belange der Pabst-Azubis gehe.
Was das alles kostet
Wie viel all das Engagement für die Auszubildenden kostet, kann nach den Worten von Bereichsleiter Wagner nicht ausgerechnet werden. Ein Detail aber schon: Allein 30 000 Euro gebe Pabst pro Jahr für Anzeigen in Fachblättern aus, um auf seine Lehrstellen aufmerksam zu machen. Hinzu kämen jährlich bis zu 10 000 Euro für die Teilnahme an Ausbildungsmessen wie kürzlich die „Vocatium Unterfranken“ in Würzburg.
„Wir sprechen hier immer vom All-Inclusive-Paket“, fasst Ausbilder Sieber all die Extraangebote für die Azubis zusammen. Bleibt unterm Strich die Frage, wie sehr sie auf lange Sicht fruchten. Antwort: Es sei von Jahr zu Jahr unterschiedlich, wie viele der jungen Kollegen nach ihrer Lehre als Fachkraft bei Pabst bleiben, sagt Sieber. „Das ist die große Herausforderung.“